Politik

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer droht Russland mit nuklearem Erstschlag

Lesezeit: 3 min
27.10.2021 11:52  Aktualisiert: 27.10.2021 11:52
Nicht nur Russland protestiert gegen die Äußerungen von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer zum Einsatz von Atomwaffen, auch SPD-Fraktionschef Mützenich spricht von "verantwortungslosen Gedankenspielen".
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer droht Russland mit nuklearem Erstschlag
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer letzte Woche beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel. (Foto: dpa)
Foto: Virginia Mayo

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Russland  
Nato  

In der vergangenen Woche Donnerstag gab Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ein Interview im Deutschlandfunk. Im Rahmen dieses Interviews wurde sie auch zu den möglichen Nato-Abschreckungsszenarien gegenüber Russland befragt und dabei auch zum Einsatz von Atomwaffen.

Die Ministerin sagte: "Wir müssen Russland gegenüber sehr deutlich machen, dass wir am Ende – und das ist ja auch die Abschreckungsdoktrin – bereit sind, auch solche Mittel [Atomwaffen, Anm. d. Red.] einzusetzen, damit es vorher abschreckend wirkt und niemand auf die Idee kommt, etwa die Räume über dem Baltikum oder im Schwarzmeer Nato-Partner anzugreifen. Das ist der Kerngedanke der Nato."

Kramp-Karrenbauer verwies in diesem Zusammenhang auf wiederholte Verletzungen des Luftraums über den baltischen Nato-Staaten durch Russland, aber auch auf "zunehmende Übergriffigkeiten rund um das Schwarze Meer". Die Äußerungen kamen vor dem Hintergrund von wieder aufkommenden Anspannungen mit Russland.

Anfang letzte Woche hatte Russland angekündigt, die Arbeit der russischen Vertretung bei der Nato in Brüssel vorerst zu beenden. Zudem soll die Tätigkeit des Nato-Informationsbüros sowie die der Nato-Militärmission in Moskau eingestellt werden. Zuvor hatte wiederum die Nato acht Mitarbeitern der russischen Nato-Vertretung in Brüssel wegen Spionageverdachts die Akkreditierung zu entzogen. Auch wurde beschlossen, die russische Vertretung von 20 auf maximal 10 Personen zu reduzieren.

Zudem haben Deutschland und 16 weitere Nato-Staaten Ende letzte Woche bei einem zweitägigen Treffen der Verteidigungsministerin im Nato-Hauptquartier in Brüssel vereinbart, bis Juni nächsten Jahres einen Innovationsfonds einzurichten. Über ihn soll mindestens eine Milliarde Euro in Technologien investiert werden, die zur Stärkung der Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten genutzt werden könnten.

"Der neue Nato-Innovationsfonds wird sicherstellen, dass die Alliierten die neuesten Technologien und Fähigkeiten, die für unsere Sicherheit von entscheidender Bedeutung sein werden, nicht verpassen", so Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Als ein Beispiel für solche Technologien gelten Hyperschallantriebe, die auch von China und Russland entwickelt werden, sowie selbstfliegende Flugzeuge und andere Robotersysteme.

Mützenich kritisiert Atomwaffen-Äußerungen von Kramp-Karrenbauer

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat die Äußerungen von Kramp-Karrenbauer zur atomaren Abschreckung der Nato scharf kritisiert und die Verteidigungsministerin aufgefordert, die Arbeit einer künftigen Bundesregierung nicht zu belasten. "Die jüngsten Gedankenspiele der Verteidigungsministerin zum Einsatz von Nuklearwaffen in einem Konflikt mit Russland sind verantwortungslos", sagte Mützenich.

"Frau Kramp-Karrenbauer unterscheidet sich leider nicht von den ebenso haltlosen Drohungen der russischen Seite", sagte der SPD-Politiker und warf der Ministerin vor, mit an einer "Eskalationsschraube" zu drehen. "Mir ist schleierhaft, ob die Ministerin auch an die noch in Deutschland lagernden Atomwaffen gedacht hat."

Auf dem Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz sollen noch etwa 20 Atombomben lagern, die im Ernstfall von dort stationierten Kampfjets der Bundeswehr abgeworfen werden sollen. Die deutsche Beteiligung an der nuklearen Abschreckung der Nato wird Teil der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP. SPD und Grüne nehmen eine skeptische Haltung dazu ein.

Mützenich betonte, dass die Sicherheitspolitik in Deutschland sich bisher dadurch ausgezeichnet habe, noch verbliebene Chancen zur Entspannung auszuleuchten. Kramp-Karrenbauer missachte das mit ihren Äußerungen. "Ich appelliere an Frau Kramp-Karrenbauer, die Politik einer neuen Bundesregierung nicht zu belasten", sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Wochenende.

Am Montag hat Regierungssprecher Steffen Seibert die Kritik an den Aussagen von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer zurückgewiesen. Solange Nuklearwaffen von einigen Staaten als Mittel der militärischen Auseinandersetzung verstanden würden, bestehe "die Notwendigkeit zum Erhalt einer nuklearen Abschreckung im Rahmen der Nato", sagte Seibert.

Das stehe auch so im Koalitionsvertrag. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD heißt es dazu: "Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im Strategischen Konzept der Nato eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben."

Das russische Verteidigungsministerium bestellte indes den deutschen Militärattaché in Moskau zu einem Gespräch ein, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax am Montag meldete. Die Äußerungen von Kramp-Karrenbauer provozierten Spannungen in Europa und trügen nicht zu einer Normalisierung der Lage bei, hieß es.

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagte laut einem Bericht des staatlichen russischen Nachrichtendienstes Russia Today, dass "Sicherheit in Europa nur kollektiv sein kann, ohne die Interessen Russlands zu verletzen". Allerdings sei es derzeit die Nato, "die nicht zu einem gleichberechtigten Dialog in dieser Frage bereit ist".

"Unter dem Vorwand, Russland militärisch abzuschrecken, baut die NATO ihre Streitkräfte in der Nähe unserer Grenzen konsequent auf. Der deutsche Außenminister muss doch wissen, wie solche Aktionen in der Vergangenheit für Deutschland und Europa geendet haben", fügte Schoigu hinzu, was als Anspielung auf den Zweiten Weltkrieg interpretiert wurde.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kann Automatisierung die deutsche Industrie retten?
26.12.2024

Die deutsche Wirtschaft kämpft mit Fachkräftemangel und explodierenden Kosten. Wie können Automatisierung und Robotik diese...

DWN
Politik
Politik Wahlforscher Jung: Die Union hat ein "Merz-Problem" - und Habeck eine gute Chance
26.12.2024

Es sei sehr wahrscheinlich, dass Unionskandidat Merz der nächste deutsche Bundeskanzler wird, sagt Wahlforscher Matthias Jung. Doch er...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Fünf Jahre Corona: Als Covid-19 die Welt in den Stillstand zwang
26.12.2024

Lockdowns, Masken, Grenzschließungen: Fünf Jahre nach dem Auftauchen der ersten Covid-19-Fälle hat die Corona-Pandemie weltweit ihre...

DWN
Politik
Politik Chaos und Dutzende Tote in Mosambik nach Wahlergebnis
26.12.2024

Seit der Verkündung des Wahlsiegs der Regierungspartei kommt es zu immer blutigeren Unruhen. Demonstranten befreien Gefangene und...

DWN
Immobilien
Immobilien In Life-Science-Immobilien investieren: Tipps für den Einstieg in die neue Assetklasse
26.12.2024

Immobilien in der Life-Sciences-Branche sind höchst spezialisiert und komplex - und für Investoren ein besonders spannender...

DWN
Politik
Politik Biden setzt Zeichen: Todesurteile werden zu lebenslangen Haftstrafen umgewandelt
25.12.2024

Der scheidende US-Präsident Joe Biden positioniert sich klar gegen die Todesstrafe auf Bundesebene. Sein Nachfolger Donald Trump vertritt...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft DWN-Interview: Hat Deutschlands Bergbau eine Zukunft?
25.12.2024

Deutschlands Bergbau steckt in einer kritischen Phase: Das Land verfügt über wertvolle Rohstoffe und ist in Bergbautechnologien führend....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Klimaneutralität Deutschland: Wie der Ländervergleich die Fortschritte zeigt
25.12.2024

Deutschland muss seine Bemühungen zur Erreichung der Klimaziele des Pariser Abkommens intensivieren. Laut einer Bertelsmann-Studie...