Politik

Schwedens neue Ministerpräsidentin tritt kurz nach Ernennung wieder zurück

Die erste Frau an der Spitze einer schwedischen Regierung, die bisherige Finanzministerin Magdalena Andersson, ist nur wenige Stunden nach ihrer Ernennung zurückgetreten. Die Grünen hatten ihre Regierung verlassen.
24.11.2021 14:48
Aktualisiert: 24.11.2021 14:48
Lesezeit: 3 min
Schwedens neue Ministerpräsidentin tritt kurz nach Ernennung wieder zurück
Magdalena Andersson ist Schwedens neue Ministerpräsidentin. (Foto: dpa) Foto: Fredrik Persson

--- Update 17:55 Uhr

Nur wenige Stunden nach ihrer Ernennung als Schwedens neue Ministerpräsidentin hat Magdalena Andersson ihren Rücktritt angekündigt.

--- Update 17:28 Uhr

Wenige Stunden nach der Wahl der Sozialdemokratin Magdalena Andersson zur ersten Ministerpräsidentin Schwedens haben die Grünen angekündigt, die Regierung zu verlassen. Grund dafür ist, dass das Parlament in Stockholm am Mittwoch einen alternativen Haushaltsvorschlag der Opposition angenommen hat. Der Stockholmer Reichstag habe damit erstmals einen Staatshaushalt gebilligt, der «mit einer rechtsextremen Partei» verhandelt worden sei, sagte einer der beiden grünen Parteichefs, Per Bolund, auf einer Pressekonferenz.

Damit meinte er die rechtspopulistischen Schwedendemokraten, die zusammen mit den Moderaten und den Christdemokraten hinter dem alternativen Haushalt stehen. Bolunds Co-Vorsitzende Märta Stenevi sagte, ihre Partei sei sich einig, dass sie nicht in einer Regierung sitzen könne, die gezwungen werde, eine Politik zu verfolgen, die mit den Schwedendemokraten verhandelt worden sei. «Wir müssen unseren Wählern ins Auge sehen können», sagte sie.

Unklar ist nun, ob sich Andersson erneut einer Abstimmung im Parlament stellen muss. Sie war am Mittwochmorgen zur ersten Ministerpräsidentin Schwedens gewählt worden, weil sich keine Parlamentsmehrheit gegen sie bildete. Andersson wollte sich noch am Mittwochabend zur aktuellen Entwicklung äußern.

--- Ende Update

Schweden wird künftig erstmals in seiner Geschichte von einer Frau regiert. Die Sozialdemokratin Magdalena Andersson ist bei einer Abstimmung im Reichstag in Stockholm zur schwedischen Ministerpräsidentin gewählt worden. Dabei reichte der bisherigen Finanzministerin, dass sich keine Parlamentsmehrheit gegen sie aussprach. Die Abstimmung verlief denkbar knapp - nur eine Stimme fehlte für ein Votum gegen Andersson.

«Meine Antriebskraft ist es, Schweden zu verbessern. Meine Antriebskraft ist immer gewesen, gegen Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft zu kämpfen», sagte die 54-Jährige nach ihrer Wahl. Dass sie als erste Frau schwedische Regierungschefin werde, komme nur «on top of that», also noch oben drauf, ergänzte Andersson. Sie sagte aber auch: «Ich weiß, was das für Mädchen bedeutet, die in unserem Land aufwachsen.»

Die in Uppsala geborene Andersson folgt auf ihren Parteifreund Stefan Löfven, der Schweden in den vergangenen sieben Jahren mit einer rot-grünen Minderheitsregierung geführt hat. Andersson war in dieser Zeit durchgehend Finanzministerin. Die Löfven-Regierung bezeichnete sich immer wieder als feministisch und stellte die Gleichstellung von Mann und Frau ins Zentrum ihrer Arbeit gestellt.

Das änderte aber nichts daran, dass Schweden im Gegensatz zum Rest Skandinaviens und auch zu Deutschland nie von einer Frau regiert wurde - bis jetzt. «Das ist ein historischer Tag für Schweden», sagte die grüne Abgeordnete Annika Hirvonen bereits vor der Abstimmung. «Sie hat das Glasdach zerbrochen», schrieb die bisherige Außenministerin Ann Linde auf Twitter.

Es wird nun damit gerechnet, dass Andersson am Freitag ihre Regierungserklärung verlesen und die neue Regierung präsentieren wird. Im Anschluss wird die Regierung bei König Carl XVI. Gustaf vorstellig, wo sie formal ihre Ämter antreten wird.

Löfven hatte im August angekündigt, sich erst als Partei- und dann auch als Regierungschef zurückzuziehen. Anfang November reichte der 64-Jährige zunächst den Parteivorsitz an Andersson weiter, vor zwei Wochen reichte er auch seinen Rücktritt als Ministerpräsident ein.

Mit seinem Rückzug will Löfven seiner Nachfolgerin die Gelegenheit geben, sich vor der nächsten Parlamentswahl in Schweden im September 2022 besser positionieren zu können. Baustellen erbt Andersson dabei gleich mit: Zum einen ist die Corona-Pandemie, in der Schweden einen Sonderweg mit vergleichsweise lockereren Maßnahmen gewählt hatte, noch lange nicht durchgestanden - auch wenn die schwedischen Corona-Todeszahlen derzeit die niedrigsten in Europa sind. Zum anderen ringt das skandinavische EU-Land seit längerem mit grassierender Bandenkriminalität.

Was Andersson das Regieren wohl außerdem erschweren wird, sind die komplizierten Mehrheitsverhältnisse im Reichstag: Rot-Grün hat nur ein knappes Drittel der 349 Parlamentssitze inne, weshalb die Regierung bei Abstimmungen wie unter ihrem Vorgänger Löfven auf Stimmen anderer Parteien angewiesen sein wird. Andersson wurde am Mittwoch nur ins Amt gewählt, weil sich die Zentrumspartei und die Linken enthielten. Die restliche Opposition stimmte geschlossen gegen die Sozialdemokratin.

Ruhig wird es nun also nicht in Stockholm. Wie schwierig die Lage bleibt, zeigte sich am Mittwoch allein am Verhalten der Zentrumspartei: Die billigte die Kandidatin am Morgen zwar, kündigte aber auch an, am späteren Nachmittag gegen den von Andersson vorgelegten Staatshaushalt stimmen zu wollen. Rot-Grün sei mit einer in letzter Minute erreichten Vereinbarung mit den Linken zu weit nach links geraten, monierte Zentrum-Chefin Annie Lööf.

Andersson wird damit voraussichtlich mit einem von der Opposition vorgeschlagenen Haushalt regieren müssen, der unter anderem eine Senkung der Benzinsteuer vorsieht. Unruhe herrschte darüber, ob die Grünen aus diesem Grund aus der Regierung ausscheren werden - in solch einem Fall könnte möglicherweise eine neue Abstimmung über die Ministerpräsidentin notwendig werden. Andersson sagte dazu, sie glaube, dass Land auch mit der Budget-Alternative der Opposition regieren zu können. Die Grünen kündigten dagegen an, man werde auf die Optionen schauen, wenn der Oppositionshaushalt gebilligt werde.

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