Politik

Verfassungsgericht gibt grünes Licht für knallharte Corona-Maßnahmen

Unter hohem Zeitdruck sollen zusätzliche Auflagen und Vorgaben her, um die Corona-Ausbreitung unter Kontrolle zu bringen. So planen es Bund und Länder. Die obersten Richter geben grünes Licht.
30.11.2021 19:49
Aktualisiert: 30.11.2021 19:49
Lesezeit: 2 min

Für den Kampf gegen die immer bedrohliche Corona-Welle in Deutschland kommen schärfere Beschränkungen in der Adventszeit für Millionen Bürger und die Wirtschaft in Sicht. Neue Regelungen etwa zu „umfangreichen Kontaktbeschränkungen“ vor allem für Ungeimpfte sollen bis diesen Donnerstag erarbeitet werden. Das teilte Regierungssprecher Steffen Seibert nach Bund-Länder-Beratungen am Dienstag mit der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem designierten Nachfolger Olaf Scholz (SPD) mit. Klarheit für den Corona-Kurs schaffte auch das Bundesverfassungsgericht. Es wies Klagen gegen Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen aus dem Frühjahr ab.

Mehr zum Thema: Lockdown und Paranoia: Wie eine Prognose der DWN eins zu eins eintrifft

„Bund und Länder sind überzeugt, dass es zusätzlicher Maßnahmen bedarf, um die Zahl der täglichen Neuinfektionen zu senken und den Druck auf die Krankenhäuser möglichst bald wieder zu verringern“, teilte Seibert nach der Schaltkonferenz mit den Ministerpräsidenten mit. Gemeinsam entschieden werden soll demnach auch über einheitliche Linien für Einschränkungen bei Großveranstaltungen und die Ausweitung von 2G-Regeln auf den Einzelhandel - also Zugang nur für Geimpfte und Genesene. Neben einer geplanten Impfpflicht für Einrichtungen mit verwundbaren Menschen wie Pflegeheime solle auch „eine zeitnahe Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht“ vorbereitet werden.

Scholz sprach sich dafür aus, dass sie ab spätestens Anfang März gilt. „Mein Vorschlag ist ja, dass der Zeitpunkt, bis zu dem dann jeder und jede sich hat impfen lassen, auch nicht allzu fern liegt, also mein Vorschlag: Anfang Februar oder Anfang März“, sagte er im TV-Sender Bild. Er machte klar, dass die Entscheidung beim Bundestag liegt. Auch die Bundesärztekammer befürwortete eine Impfpflicht. Eine sehr hohe Impfquote stelle „die einzige Möglichkeit dar, aus der Lockdown-Endlosschleife“ mit massiven psychosozialen Nebeneffekten besonders für Kinder herauszukommen, heißt es in einem Schreiben.

Mehr zum Thema: Mit der neuen Bundesregierung ist der „Great Reset“ das Todesurteil für den deutschen Mittelstand

Bund und Länder bekräftigten zudem das Ziel, bis Weihnachten bis zu 30 Millionen Erst-, Zweit- und Auffrischungsimpfungen zu ermöglichen. Ein neuer Bund-Länder-Krisenstab im Kanzleramt soll die Koordinierung der Impfkampagne mit Lieferungen und Verteilung übernehmen. Scholz stellte Generalmajor Carsten Breuer als Leiter vor. Er führt das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr, das auch für die Zusammenarbeit mit zivilen Organisationen im Inland zuständig ist.

Die Corona-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts heizten die Debatte um verschärfte Maßnahmen weiter an. Die Karlsruher Richterinnen und Richter stellten fest, dass die zentralen Maßnahmen der sogenannten Bundesnotbremse aus der dritten Welle nicht zu beanstanden sind. Die Grundrechtseingriffe seien durch „überragend wichtige Gemeinwohlbelange“ gerechtfertigt. (Az. 1 BvR 781/21 u.a.)

Formal beziehen sich die Beschlüsse auf den Maßnahmenkatalog, der am 22. April als Bundesnotbremse ins Infektionsschutzgesetz eingefügt worden war und bis Ende Juni in Kraft blieb. Der Bund wollte damit sicherstellen, dass überall im Land dieselben Maßnahmen greifen. Das hatte eine Klagewelle ausgelöst. Im frisch überarbeiteten Gesetz der künftigen Ampel-Koalitionäre sieht der Paragraf anders aus und enthält nun zum Beispiel die 3G-Regel am Arbeitsplatz.

Mehr zum Thema: Digitale Impfpässe schaffen Grundlage für eine Gesellschaft ohne Bargeld

Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht nun Klarheit für weitere Krisenmaßnahmen. „Das sollte jetzt auch den Parteien Orientierung bieten, die wegen verfassungsrechtlicher Bedenken schärfere Maßnahmen bislang ausgeschlossen haben.“ Der Richterspruch sei jedoch auch kein Freibrief für willkürliche Eingriffe in Grundrechte. Bundesweite Einschränkungen des öffentlichen Lebens müssten zeitlich befristet sein, regional ausdifferenziert werden und sich am Pandemiegeschehen orientieren.

Mehrere Länder kündigten bereits zusätzliche Schritte an. So sollen Ungeimpfte in Hamburg von Samstag und im Saarland von Montag an weitgehend vom Einzelhandel ausgeschlossen sein. Sie können dann nur noch in Geschäften des täglichen Bedarfs einkaufen. Clubs müssen im Saarland schließen, in Hamburg gilt das 2G-plus-Modell - also zusätzlich zum Impf- oder Genesenen-Nachweis wird ein negativer Test nötig.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stellte ebenfalls Verschärfungen in Aussicht. Man werde „ziemlich sicher“ regeln, dass Fußballspiele und Sportgroßveranstaltungen nur ohne Publikum stattfinden können. Diskotheken und Clubs sollen schließen. Die Abgabe von Alkohol im öffentlichen Raum soll verboten werden, sofern sich die Lage auf den Intensivstationen nicht bessert.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kakao-Krise eskaliert: Warum Schokolade neu erfunden werden muss
23.12.2025

Schokolade wird teurer, kleiner und zunehmend anders zusammengesetzt. Hinter den Kulissen zwingt die Kakao-Krise Hersteller, Forscher und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen ZF verkauft Fahrerassistenzgeschäft: 3.750 Mitarbeiter wechseln
23.12.2025

ZF zieht die Reißleine. Mit dem Verkauf seines Fahrerassistenzgeschäfts an die Samsung-Tochter Harman trennt sich der angeschlagene...

DWN
Politik
Politik Autoindustrie im Umbruch: EU passt Emmissionsziele an und schafft neuen Spielraum für Hersteller
23.12.2025

Die EU lockert ihre Emissionsziele für neue Autos ab 2035 und eröffnet damit neue Spielräume für alternative Antriebskonzepte. Welche...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hilfsarbeitskraft: Deutschlands unterschätzte Welle zur Rettung bei Fachkräftemangel
23.12.2025

Die Krise im deutschen Mittelstand ist real: Der Fachkräftemangel lähmt das Wachstum. Die strategische Antwort darauf ist die...

DWN
Finanzen
Finanzen Dividenden 2025: Finanzsektor glänzt, Autobauer kürzen massiv
23.12.2025

Während die Autobranche unter Druck steht, feiern Banken und Versicherer Rekordzahlen. Für deutsche Aktionäre bedeutet das ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Gold und Silber auf Rekordkurs: Edelmetalle profitieren von Zinserwartungen und Geopolitik
23.12.2025

Edelmetalle rücken erneut in den Fokus der Finanzmärkte und markieren ungewöhnliche Preisbewegungen in einem zunehmend unsicheren...

DWN
Politik
Politik Mike Pompeo über China und Russland: Die wahre Bedrohung für den Westen
23.12.2025

Der frühere US-Außenminister Mike Pompeo entwirft ein Bild globaler Machtverschiebungen, in dem Abschreckung und strategische Klarheit...

DWN
Politik
Politik Nato-Chef Rutte: Wie sich ein Angriff Russlands verhindern lässt
23.12.2025

Ein Nato-Generalsekretär, der von Gefahr spricht, wählt seine Worte nicht leichtfertig. Mark Rutte zeichnet das Bild eines Russland, das...