Technologie

Fernablesung der Heizung wird Pflicht: Bürger werden der Mobilfunk-Strahlung ausgesetzt

DWN-Autor Prof. Dr. Werner Thiede analysiert die Folgen einer neuen Verordnung, die von den Medien ignoriert wurde und den meisten Bürgern unbekannt ist.
12.12.2021 12:15
Lesezeit: 4 min

Der Bundesrat hat am 5. November einer Verordnung zuge­stimmt, die eine ganz grundsätzliche Neuerung bringt: Erstmals wird die Anwendung von Fernab­lesung in Privatwohnungen verpflichtend ge­macht und dafür der Einsatz von Mobilfunktechnologie erlaubt. Das bedeutet einen Eingriff in wesentliche Grund­rechte. Die Rede ist von der neuen Heiz­kostenverordnung: Im Zuge nationaler Um­set­­zung der Emp­fehlungen einer EU-Richtlinie von 2018 wird da im Zusam­menhang mit dem Gebäude­ener­gie-Gesetz (GEG) Fern­ablesung vorgeschrieben, und zwar bei Wär­memess­zählern sowie bei Wohnungswasserzählern für ver­brauchs­abhängige Abrechnung in Mehrfami­lien­häusern und Miets­wohnungen. Bis spä­testens Ende 2026 muss alles auf diese technologische Praxis umgestellt sein.

Die Vorschrift zur Fernablesung ist zwar technikneutral gehalten; man kann insofern auch Kabel einsetzen, aber da das jedenfalls sehr teuer würde, dürfte es in der Praxis bei Funk­lösungen bleiben. Während jetzt viel um bürokratische Einzelheiten der gängelnden Verordnung diskutiert wird, kümmert jene disruptive Änderung in Sachen Mobilfunk offen­bar erstaunlich wenige Bürgerinnen und Bürger. Dabei deuten in den letzten Jahren immer mehr Stu­dien international darauf hin, dass Mobilfunkstrahlung durchaus ungute biologische Effekte zeitigen kann. Schon 2011 hatte die Weltgesundheits­organisation (WHO) ein potenzielles Krebsrisiko benannt. Zehn Jahre später – um hier nur ein aktu­elles Beispiel zu nennen – legten die Schweizer Forscher David Schuermann und Meike Mevissen im International Journal of Molecular Science dar, dass Strahlen-Exposition sogar schon im niedrigen Dosisbereich zu biologischen und ge­sund­heitlich bedenklichen Effekten führen kann. Dank diesem vom Umweltbundesamt der Schweiz finanzierten Studienüberblick lässt sich kaum mehr glaubwürdig in Abrede stellen, dass Mobil­funkstrahlung Ursache so mancher körperli­cher und nervöser Beschwerden durch die Auslösung von oxidativem Zellstress sein dürfte. Nicht von ungefähr hat im August ein US-Bundesgericht die dortige Regulie­rungsbe­hörde Federal Commu­ni­cation Commis­sion (FCC) verpflichtet, endlich darzulegen, warum sie wissenschaftliche Nachweise für Schä­den durch drahtlose Strahlung seit vie­len Jahren ignoriert habe – ein wegweisendes Urteil! Und trotzdem zwingt jetzt die neue Heizkostenverordnung den Mobilfunk - zumindest indirekt - in die Wohn-, Schlaf- und Kinder­zimmer von Millionen Men­schen in Deutschland hinein.

Der Umweltmediziner Joachim Mutter berichtete schon vor Jahren, dass manche seiner Patienten nach dem Einbau neuer Heizungsmesszähler auf Funkbasis vielerlei Beschwerden und Krank­heiten erworben hatten, und zwar auch, wenn sie gar nicht wussten, dass neue Strah­lungsquellen installiert worden waren. Es habe sich um das breite Spektrum des „Mikro­wellensyndroms“ gehandelt: Schlaflosigkeit, Kopf- und Kör­perschmerzen, Herz­palpi­tation, Blutdruckkrisen, Schwindel, Müdigkeit, Gedächtnis­schwäche, Augen­bren­nen, Hautbrennen, Tinnitus, Depressionen. Die Beschwerden hät­ten sich erst gebessert, nach­dem die elektronischen Wärmezähler gegen die alten Mess­röhrchen an den Heiz­körpern ausgetauscht wurden.

Betroffen von den neuen Vorschriften sind Messeinrichtungen für Wasser, Gas und Heizwärmeverteiler. Die so „praktischen“ Vorgaben bedeuten für viele Woh­nungsin­haber in ihrem Privatbereich eine unbemerkte, oft genug aber uner­wünschte Strahlung. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat deutlich gewarnt: „Personen in der Nähe von drahtlos kommunizierenden Smart Metern sind den elektromag­neti­schen Fel­dern der Geräte ausgesetzt und absorbieren einen Teil der ausgesendeten Strah­lungs­leistung.“ Besänftigend heißt es weiter, funkende Zähler oder Messsysteme seien ja in der Regel im Keller installiert, und mit dem Abstand zum Sender nähmen die Feld­stär­ken schnell ab. Doch gemäß der novellierten Verordnung werden Funkzähler in vielen Schlaf- und Kinderzimmern installiert werden, wobei sie sich häufig an Heizungen direkt neben dem Bett befinden. Und immer öfter werden sie mit einem hauszentralen Smart-Meter-Gate­way zu kommunizieren haben. Einst hatte das BfS noch formuliert: „Um dem Grundsatz des Strahlenschutzes zu entsprechen, Belastungen wenn möglich zu ver­meiden oder zu minimieren, können bevorzugt solche Smart Meter eingesetzt wer­den, die ihre Daten kabelgebunden übertragen“ – doch wenn nun zumindest indirekt Mobilfunk für die Heizmessung vorgeschrieben ist, sind Kabel weitestgehend passé, weil praktisch kaum oder nur mit hohem finanziellen Aufwand realisierbar. Folglich funkt‘s im Gebäude hin und her – frei nach dem zur Norm erhobenen Realitätsprinzip: „Das Ethi­sche ist in die Technik hinein ver­schwun­den; die Ethik ist nicht mehr da“ (Günter Rohrmoser).

Wer sich nun vielleicht durch Abschirmungsmaßnahmen vor den künstlich gepulsten, gezielt gebäudedurchdringenden Mobilfunk-Frequenzen schützen möch­te, dürfte es schwer haben – nicht zuletzt wegen der Kosten und möglichen Refle­xionen. Besonders betroffen wird die ohnehin schon viel geplagte Minderheit Elektro­hoch­sen­sibler sein, die selbst niedrigere Dosierungen der künstlich gepulsten Strahlung als kör­perliche Be­lästigung empfinden und „allergisch“ spüren. Die oft zu hörende, auch be­hördlich gän­gige Mei­nung, es hande­le sich bei ihren Empfindungen und Ängsten um rein psychi­sche Stö­rungen, lässt sich keinesfalls pauschalisieren: Zynisch ignoriert sie all jene Be­funde und Er­klärungsmodelle, denen zufolge Mobilfunk­strahlung eben nicht nur physi­kali­sche Wär­mewirkungen, sondern auch biologische Effekte unterhalb der geltenden Grenzwer­te zeitigen kann. Hier­über informieren näher die Verbraucherorganisation Diagno­se:Funk sowie die Broschüre „Elektrohy­per­sensibilität“ der Kompetenzinitiative e.V. (2018).

Obendrein fragt es sich, inwieweit die jetzt in Kraft tretende Vorschrift überhaupt der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung gerecht wird, die doch auf Datenspar­sam­keit zielt, statt auf Datenmultiplikation. Zwar wird versichert, fernablesbare Ver­brauchs­erfassungsgeräte würden Datenschutz und -Sicherheit nach dem Stand der Technik gewährleisten. Aber wie wenig der „Stand der Technik“ tatsächlich gewährleistet, haben gerade heuer zahlreiche internationale Meldungen über erfolg­reiche und schwerwie­gende Hackerangriffe bewiesen. Unerbittlich schreitet die digitale Trans­for­mation fort – ohne etwa zu fragen, ob angesichts zweifelhafter Cyber-Sicherheit im Blick auf Infra­strukturen nicht ein Ablassen von deren Digitalisierung ratsam wäre. Sollte man Zäh­lerstände künftig doch besser wieder wie bisher händisch ablesen oder per Postkarte festhalten lassen, und zwar jährlich statt monatlich? Das würde nicht nur die Strahlen­belastung in vielen Haushalten reduzieren, sondern auch der allenthalben um sich grei­fenden Überwachungs­men­talität einen gewissen Riegel vorschieben. Die Juristin Margit Krug macht in ihrer Broschüre „Lauschangriff durch smarte Zähler“ im pad-Ver­lag ein­dring­lich auf diese Problematik aufmerksam.

Sofern sich die novellierte Heizkos­tenverordnung übrigens auf verstärkte Möglich­kei­ten und Anregungen zur Energieein­sparung beruft, mutet diese Argumentation doch recht gesucht an – zumal ja das viele Funken und das geplante Weiterleiten der Daten per Smartmeter-Gateway in verschiedene Netzwerke seinerseits wieder Energie ver­braucht. Aber die gegen­wärtige Politik, zu deren größten ideologischen Zielen das For­cieren der Digitalisierung im Sinne eines neuen, gleichwohl naiven Fortschritts­glaubens zählt, dürfte kaum be­müht sein, die Grundrechte auf körperliche Un­ver­sehrtheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung in ihrer Reinheit und Deutlich­keit ernstzunehmen. Vielleicht wird ja bei der vom Bundesrat als Bedingung durchgesetzten Evaluierung in drei Jahren noch einmal ernsthaft nachgeschaut, wie es den Menschen mit der neuen Verordnung insgesamt geht.

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Werner Thiede

Dr. theol. habil. Werner Thiede ist außerplanmäßiger Professor für Systematische Theologie an der Universität Er­lan­gen-Nürnberg, Pfarrer i.R. und Publizist (www.werner-thiede.de). Zuletzt erschien von ihm „Unsterblichkeit der Seele? Interdisziplinäre Annäherungen an eine Menschheitsfrage“ (2. Auflage, Berlin 2022); im Druck befindet sich das Büchlein „Himmlisch wohnen. Auferstanden zu neuem Leben“ (Leipzig 2023).

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