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Droht der Ukraine eine Teilung entlang des Dnepr-Flusses?

Lesezeit: 4 min
11.12.2021 00:00  Aktualisiert: 11.12.2021 18:29
Für den Osten der Ukraine sind zwei militärische Szenarien denkbar. Während das eine Szenario wahrscheinlich nicht eintreten wird, ist das Eintreten des zweiten Szenarios durchaus denkbar.
Droht der Ukraine eine Teilung entlang des Dnepr-Flusses?
Wird der Dnepr-Fluss die künftige Grenze zwischen der West- und Ost-Ukraine? (Grafik: Google Maps/DWN/Cüneyt Yilmaz)

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Eine wesentliche Rolle bei internationalen Konflikten spielen die geographischen Beschaffenheiten von Ländern. Viele Länder sind durch natürliche Grenzen getrennt und setzen sich oftmals aus Flüssen und Gebirgen zusammen. Nach Angaben der „NASA“ machen Flüsse 23 Prozent der internationalen Grenzen, 17 Prozent der Staats- und Provinzgrenzen der Welt und 12 Prozent aller lokalen Grenzen auf Kreisebene aus.

So ist beispielsweise zu beobachten, dass die USA und Russland in Syrien dabei sind, das Land entlang einer natürlichen Grenze neu zu ordnen. Während sich die USA und ihre Verbündeten östlich des Euphrats festgesetzt haben, kontrollieren Russland und seine Verbündeten weite Gebiete westlich des Euphrats.

Der Ukraine könnte ein ähnliches Schicksal wie Syrien drohen. Der Dnepr-Fluss könnte sich in den kommenden Jahren als natürliche Grenze zwischen der West- und der Ostukraine herausbilden. Im Rahmen eines derartigen Szenarios müssten die pro-russischen Söldner und Separatisten bis zum östlichen Ufer des Dneprs vorstoßen, um den Fluss als Verteidigungslinie zu nutzen. Allerdings würde eine derartige Operation ein großes Truppenaufgebot erfordern, was ohne russische Truppen nicht möglich wäre. Bis zu 250.000 Soldaten würden benötigt werden, um die gesamte Ost-Ukraine bis zum Dnepr einzunehmen. Da Russland über mehrere Routen eindringen könnte, dürfte eine derartige Invasion innerhalb von zwei Wochen abgeschlossen sein.

An den meisten Stellen ist der Dnepr sehr breit. Er verfügt über wenige Stellen, die für taktische Überbrückungs-Operationen geeignet sind. Dass dieses Szenario auch wirklich eintritt, ist nicht sehr wahrscheinlich aber auch nicht wirklich unwahrscheinlich.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat kürzlich klar gemacht, dass Russland im Notfall entschlossen sei, zu handeln. Bei einer Sitzung des Menschenrechtsrats des Kremls sprach er von „Russenfeindlichkeit“ in der Ost-Ukraine, was „ein erster Schritt zu einem Völkermord“ sei. „Sie und ich wissen, was im Donbass passiert. Es ähnelt sicherlich einem Völkermord“, zitiert die Zeitung „New York Times“ Putin.

Das Stichwort „Völkermord“ fällt in der internationalen Politik immer dann, wenn eine unilaterale militärische Intervention oder eine Intervention mit UN-Mandat geplant wird, um in Wirklichkeit handfeste Interessen durchzusetzen.

Gemäß der russischen Militärdoktrin dürfen Militäroperationen auch immer dann ausgeführt werden, wenn diese dem Schutz russischer Staatsbürger dienen. Nach Angaben der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ („SWP“) hat Russland in den vergangenen Jahren zahlreiche Bürger der Ost-Ukraine gezielt eingebürgert.

Putins Hinweis auf einen bevorstehenden „Völkermord“ an Russen in der Ost-Ukraine ist im Moment nur als eine Warnung an Kiew gerichtet.

Zweites Szenario: Der Dnepr und die Krim werden verbunden

Eine wahrscheinlichere Variante eines bevorstehenden Konflikts könnte sich entlang der Küste der Ukraine ergeben. Die Halbinsel Krim leidet unter einem akuten Wassermangel. Seit 2017 ist sie vom Nord-Krim-Kanal weitgehend abgeschnitten. Am 1. März 2021 teilte der ukrainische Innenminister Arsen Awakow mit, dass „die Ukraine die Krim nicht mit Wasser versorgen wird, bis sie in die Ukraine zurückkehrt“, meldet die staatliche ukrainische Nachrichtenagentur „Ukrinform“.

Die „Financial Times“ berichtete zuvor von einem „Wasserkrieg“ zwischen Russland und der Ukraine, der der Krim zusetze. Doch ihre Wasserversorgung ließe sich sichern, wenn im Verlauf einer militärischen Operation das Wasser über den Dnepr sichergestellt werden könnte.

Einem denkbaren Szenario zufolge könnten die pro-russischen Söldner und Separatisten versuchen, eine Landverbindung zwischen den „Volksrepubliken Donezk und Lugansk“ und der Krim zu schaffen, indem sie entlang des 47. Breitengrads vom Osten im Donbass-Gebiet nach Westen vorrücken, bis sie den Dnepr erreichen. Von dort aus müssten die Söldner etwa 251 Kilometer entlang der östlichen Seite des Dneprs bis nach Nowa Kachowka vordringen – und zwar über die Europastraße 105 (E 105).

Von Nowa Kachowka aus könnten Truppen und Kriegsgeräte über die Autobahn T2206 nach Hola Prystan transportiert werden. Die Stadt Hola Prystan stellt einen Mündungsarm des Dneprs dar. Die Verteidigungslinien der pro-russischen Söldner und Separatisten müssten am Fluss verankert sein, da dieser eine hohe Verteidigungsfähigkeit aufweist. Oder es müsste ein direkter Vorstoß von der Krim in Richtung des Dneprs erfolgen. Für eine derartige Operation würden zwischen 50.000 und 70.000 Soldaten benötigt werden. Ein Eingreifen der regulären russischen Truppen wäre nicht nötig.

Schlussendlich würden die Städte Mariupol, Berdjansk, Prymorsk, Kyryliwka, Henitschesk und Skadowsk, die sich entweder am Asowschen Meer oder am Schwarzen Meer befinden, in die Hände der pro-russischen Söldner und Separatisten fallen.

Eine Ausweitung der Operation bis in die strategisch wichtige Hafenstadt Odessa (Transnistrien eingeschlossen) ist ebenfalls denkbar, doch riskant, weil man durch eine derartige Aktion die Ukraine komplett vom Zugang zum Schwarzen Meer abschneiden würde. Eine derart starre Position würde Russland aus taktischen Gründen nicht einnehmen, um das Lager seiner internationalen Gegner im Verlauf eines derartigen Konflikts nicht zu vergrößern, zumal der Hafen nicht nur für die Ukraine, sondern für den internationalen Containerhandel äußerst wichtig ist – auch wegen seiner guten Eisenbahnanbindung.

Diese militärisch-strategischen und militärisch-taktischen Ausführungen müssen in das geopolitische Umfeld eingebettet werden.

Dazu ist abschließend folgendes zu sagen:

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist eine widersprüchliche Persönlichkeit. Er will China dazu verhelfen, die Ukraine als wirtschaftliches Sprungbrett nach Europa zu nutzen. Dazu möchte er den Chinesen ukrainische Böden, Häfen und die Infrastruktur zur Verfügung stellen.

Gleichzeitig möchte er, dass sein Land der NATO beitritt, wobei er auch eine EU-Mitgliedschaft seines Landes in Erwägung zieht.

Selenskyj, der früher auch als Komiker tätig gewesen ist, ist nicht bewusst, dass sowohl die USA als auch Russland eine Expansion Chinas über die Ukraine als Dreh- und Angelpunkt unter allen Umständen verhindern wollen/werden.

Einen Zusammenstoß zwischen den USA/NATO und Russland in der Ukraine wird es nicht geben.

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Cüneyt Yilmaz ist Absolvent der oberfränkischen Universität Bayreuth. Er lebt und arbeitet in Berlin.


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