Trotz des bahnbrechenden Friedensabkommens von 2016 zwischen der kolumbianischen Regierung und der größten Guerillagruppe, den „Revolutionären Streitkräften Kolumbiens“ („FARC“), gibt es Befürchtungen, dass der Konflikt erneut eskaliert. Kolumbien, der drittgrößte Erdölproduzent Lateinamerikas und der weltweit größte Kokainproduzent seit fast einem Jahrhundert, befindet sich in einen schwelenden asymmetrischen Konflikt mit geringer Intensität, der in den 1980er Jahren ihren Siedepunkt erreichte.
Der Hauptbrennpunkt für den Bürgerkrieg war die Ermordung des Führers der Liberalen Partei, Jorge Gaitan, im April 1948 in Bogotá. Das löste den „Bogotázo“ aus, Tage gewaltsamer Ausschreitungen, die über Bogotá hinwegfegten und bis zu 3.000 Tote forderten, so „Oilrprice.com“.
Danach kam es zu einem zehnjährigen Bürgerkrieg zwischen den Liberalen und Konservativen im Land, der 1958 in einem Abkommen zur Machtteilung zwischen den führenden politischen Parteien Kolumbiens mündete. 1964 gründete die kolumbianische Kommunistische Partei die „FARC“. Später profitierte Kolumbien wirtschaftlich durch die Ölproduktion. Im Jahr 2003, als Öl der richtungsweisenden Nordseesorte Brent durchschnittlich 28,83 US-Dollar pro Barrel kostete, was einem Anstieg von 15 Prozent gegenüber 2002 entsprach, förderte Kolumbien durchschnittlich 550.000 Barrel Rohöl pro Tag. Als Brent 2008 auf über 140 US-Dollar pro Barrel gestiegen war, betrug die jährliche Erdölproduktion durchschnittlich 600.000 Barrel pro Tag und erreichte bis 2013 einen Jahresrekord von etwas mehr als einer Million Barrel pro Tag. Doch die ansteigende Gewalt und die Corona-Pandemie führte zu einem drastischen Rückgang der Produktion.
Selbst die Demobilisierung der größten linken Guerilla-Gruppe „FARC“ im Jahr 2017, nachdem 2016 mit der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos ein Friedensabkommen geschlossen wurde, hat wenig, dazu beigetragen, den Produktionsrückgang Kolumbiens aufzuhalten.
Im Jahr 2020 pumpte Kolumbien durchschnittlich nur 781.300 Barrel Rohöl pro Tag, da die Corona-Pandemie, die damit verbundene nationale Quarantänesperre und stark schwächere Ölpreise sowohl die Investitionen als auch die Produktion beeinträchtigten.
Noch besorgniserregender ist, dass die durchschnittliche Erdölförderung in den ersten zehn Monaten des Jahres 2021 trotz des Endes des Lockdowns bis September 2020 und steigender Energieinvestitionen nur 734.231 Barrel pro Tag erreichte. Von Ende April bis Mai 2021 kam es im Land zu schweren Unruhen. Doch die eigentliche Ursache für die innenpolitische Unsicherheit stellt der Kokainhandel dar. Die enormen Gewinne, die aus dem Kokain-Handel herrühren, sind dafür verantwortlich, politische Konflikte anzuheizen. Es kommt durchgehend zu Verteilungskämpfen zwischen rivalisierenden Gruppen.
Nach Angaben der Vereinten Nationen stieg die Kokainproduktion Kolumbiens im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent, obwohl die für den Kokaanbau genutzte Fläche um sieben Prozent zurückgegangen und die Beschlagnahmungen um 18 Prozent gestiegen sind.
Die Schätzung des ehemaligen Finanzministers Juan Carlos Echeverry unterstreicht das Ausmaß der massiven Gewinne durch Kokain. Durch den Drogenhandel werden jährlich acht bis zwölf Milliarden US-Dollar generiert, was vier bis fünf Prozent des kolumbianischen BIP entspricht. Echeverry zufolge trägt der Kokainhandel nahezu den gleichen Betrag zum kolumbianischen BIP bei wie die Ölindustrie.
Steigende Sicherheitsrisiken und ländliche Gewalt, die vor allem durch die enormen Gewinne aus dem Kokainhandel angeheizt werden, sind ein Haupthindernis dafür, Onshore-Ölinvestitionen in Kolumbien anzuziehen. Eine Kombination aus Sicherheitsrisiken und ausgereiften Vermögenswerten führte dazu, dass Occidental Petroleum im Oktober 2020 seine kolumbianischen Onshore-Erdölanlagen im Rahmen eines 825-Millionen-Dollar-Deals verkaufte, obwohl das Unternehmen seine Offshore-Explorationsblöcke behielt, berichtet „Oilprice.com“.
Es ist nahezu ausgeschlossen, dass der Kokainhandel in Kolumbien eingedämmt wird, um Investitionen in die Ölindustrie anzukurbeln. Das Land steuert auf eine unsichere Zukunft zu.