Annalena Baerbock hat Anfang Februar kurzerhand einen neuen Posten im Auswärtigen Amt geschaffen: Deutschlands höchste Diplomatin hat Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan zu ihrer „Klima-Sonderbeauftragten“ ernannt - im Rang einer Staatssekretärin.
Da Morgan US-Amerikanerin ist, kann sie ihre Staatsekretärinnen-Stelle zwar erst antreten, wenn sie die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hat (der Antrag auf Einbürgerung läuft). Ihrem Job als „Klima-Sonderbeauftragte“ nimmt die 55-jährige Verehrerin von Grünen-Mitbegründerin Petra Kelly († 1992) aber bereits am 1. März auf. Finanzielle Einbußen braucht Morgan nicht zu befürchten: Nach Angaben des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ wird sie ab dem 1. März 2022 zusätzlich zu ihrem außertariflichen Monatsgehalt in Höhe von 10.289 Euro solange die Differenz zu ihrem Staatssekretärinnen-Gehalt von etwa 4.500 Euro erhalten, bis sie dann tatsächlich auch Staatssekretärin ist.
„Jennifer Morgan wird das Gesicht der deutschen Klimadiplomatie“, sagte Baerbock bei der Vorstellung von Morgan am 8. Februar, sparte nicht mit Komplimenten und sprach von „weltweiter Reputation und Strahlkraft“ sowie von einer „Traumbesetzung“.
Klima-Agenda wird politisiert und ökonomisiert
Wesentlich aufschlussreicher als das überbordende Lob waren Baerbocks Äußerung „Klimapolitik ist auch Geopolitik, deshalb gehört sie ins Auswärtige Amt“ sowie die Ankündigung, dass Morgans Rolle sich nicht aufs Außenministerium beschränken soll. Ziel sei es, wie es die zukünftige Klimabeauftragte selbst formulierte, ein "ressortübergreifendes Team Deutschland" zu bilden, um sich für "echte Klimaneutralität und globale Klimagerechtigkeit" einzusetzen.
Hinter diesen Worten verbirgt sich mehr als nur die Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes im Rahmen der Vorbereitungen für die kommenden vier Jahre, in denen Rot-Grün-Gelb Deutschland regiert. Nein, die Ampelkoalition ist gerade dabei, eine komplette strategische und personelle Neuausrichtung in Klimafragen vorzunehmen. Vorbild dafür ist die Biden-Administration in den USA, die mit Ex-Außenminister John Kerry einen "Sondergesandten des Präsidenten fürs Klima" eingeführt und um ihm herum ein neues Ressort aufgebaut hat.
Ähnliches geschieht derzeit auch im Auswärtigen Amt. Es werden vier neue Referate geschaffen, so dass es in Zukunft insgesamt sechs statt wie bisher zwei Referate gibt, die sich mit Fragen der Klima- und Energiepolitik beschäftigen. Zugleich wird die alte Abteilung für Klimaschutz im Bundesumweltministerium, das jetzt von der Grünen Steffi Lemke geführt wird, aufgelöst. Die bisher dort angesiedelten sechzehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wechseln samt und sonders ins Außenministerium, der Rest der Belegschaft geht in die Abteilung Naturschutz über.
Auch die bisher vom Umweltministerium allein betreute Internationale Klimaschutzinitiative (IKI) zur Förderung von Klimaprojekten in Entwicklungs- und Schwellenländern (Finanzvolumen: 600 Millionen Euro) wird Lemke entzogen und in Zukunft vom Außenministerium in Zusammenarbeit mit dem von Robert Habeck geleiteten Bundeswirtschaftsministerium geführt.
All diese Maßnahmen zeigen vor allem eines: Die neue Regierung sieht den Klimaschutz nicht wie ihre Vorgängerinnen als ökologisches, sondern in erster Linie als politisches und dazu als ökonomisches Problem. Umso mehr verwundert Morgans Berufung, denn sie ist bisher eher als Aktivistin in Erscheinung getreten und verfügt über keinerlei volks- oder betriebswirtschaftliche Referenzen. Wer also ist diese Frau und wieso wird gerade für sie dieser Posten geschaffen?
Die Widersprüche im Leben einer „Aktivistin“
Schaut man sich Jennifer Morgans Twitter-Account an, so erhält man rasch den Eindruck, es hier nicht nur mit einer Vorkämpferin für den Klimaschutz, sondern auch mit einer leidenschaftlichen Vertreterin des Kampfes gegen den ungezügelten, schrankenlosen Kapitalismus und die weltweite soziale Ungleichheit zu tun zu haben. In ihren Tweets wird jede denkbare Statistik von Oxfam und anderen NGO’s herbeigezogen, um der Forderung „Tax the rich!“ („Besteuert die Reichen!“) Nachdruck zu verleihen.
Dort finden sich Aussagen wie: „Superreiche Einzelpersonen und ihre Konzerne zerstören unsere Demokratien, schränken den Zugang zu öffentlichen Gütern ein und gefährden die Fähigkeit unseres Planeten, Leben zu erhalten.“ Oder: „Der Hyperkapitalismus bringt uns um. Die 10 reichsten Männer der Welt haben ihren Reichtum während dieser Pandemie verdoppelt - während 99 Prozent der Menschen Einkommenseinbußen hinnehmen mussten.“
Nicht unbedingt Aussagen, die zu kritisieren sind - im Gegenteil. Aber: Sieht man sich Morgans Werdegang und ihre bisherigen Aktivitäten an, so stellt man schnell fest, dass sie - anders, als diese Aussagen es vermuten lassen sollten, - sehr häufig die Nähe zu den Ultrareichen und deren Interessensvertretern gesucht hat.
So wird sie zum Beispiel vom World Economic Forum (WEF), dem weltweit mächtigsten Netzwerk der Ultrareichen und Mächtigen, als „Agenda Contributor” (Beitragende zur Agenda) geführt.[1] Das WEF hat sie mehrmals zu seinen Treffen in Davos eingeladen, wo sie Vorträge gehalten und an Podiumsdiskussionen teilgenommen hat.
Mit WEF-Gründer Klaus Schwab teilt Morgan zudem die Einschätzung der aktuellen Weltlage. Im April 2020 publizierten die beiden zusammen in mehreren Sprachen einen Artikel, der Corona als “nicht zu verpassende Chance” einstuft. Weiter heißt es darin: „So wie unsere Antwort auf Covid-19 global, wissenschafts-basiert, gemeinschaftlich und gesamtheitlich sein muss, so müssen wir auch eine Welt erschaffen, die der nächsten Pandemie und anderen globalen Krisen wie dem Klimanotfall effizient und effektiv begegnet.”
Der Satz könnte Klaus Schwabs Buch „The Great Reset“ entnommen sein und verrät, dass Jennifer Morgans Zukunftsvorstellungen sich zu einem großen Teil mit denen der globalen Elite decken. Wie aber kommt dieser offensichtliche Bruch zwischen dem öffentlichen Bild von der antikapitalistischen, um die Armen besorgten Aktivistin und der tatsächlichen Interessensvertreterin der globalen Elite zustande?
Ein steiler Aufstieg – finanziert von der Elite
Jennifer Morgan, 1966 in New Jersey geboren, machte zunächst ihren Bachelor in Politikwissenschaft und Germanistik und studierte anschließend Internationale Beziehungen. Inspiriert durch Petra Kelly, eine der Gründerinnen der Grünen, wandte sie sich der Umweltpolitik zu.
Von 1994 bis 1996 arbeitete sie als Koordinatorin der US-Sektion von Climate Action Network. Von 1996 bis 1997 ging sie mit einem Stipendium der Robert-Bosch-Stiftung ein Jahr lang nach Deutschland, arbeitete im Bundesumweltministerium und entwarf unter anderem die Reden der damaligen Ministerin - niemand anders als Angela Merkel.
Von 1998 bis 2006 leitete sie das Global Climate Change Program (Programm zum weltweiten Klimawandel) des WWF, bis 2009 war sie als Direktorin für Globalen Klimawandel für die Denkfabrik E3G (Third Generation Environmentalism) tätig.
Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft arbeitete sie 2007 im Beratergremium der Bundesregierung unter der Leitung des Klimaforschers Hans Joachim Schellnhuber und unterstützt seit 2008 die Initiative Breaking the Climate Deadlock des früheren britischen Premierministers Tony Blair. Nach ihrer Tätigkeit als Direktorin des Klimaprogramms beim World Resources Institute leitete sie ab 2016 als Geschäftsführerin zusammen mit Bunny McDiarmid Greenpeace International.
Ein Phänomen unserer Zeit: Die Opposition einverleiben, statt sie zu bekämpfen
Schaut man sich die Finanzierung der Organisationen an, für die Morgen gearbeitet hat, so stellt man schnell fest, dass die Gelder häufig aus Stiftungen stammen. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung, diese dienten philanthropischen Zwecken, haben Stiftungen fast immer zwei ganz andere Ziele: Steuervermeidung und Einflussnahme.
So wird E3G unter anderem von der Rockefeller-Stiftung und George Soros‘ Open-Society-Stiftung finanziert, während das World Resources Institute einen Teil seines Geldes von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung erhält. Tony Blairs Stiftung Institute for Global Change bekommt seine Spenden unter anderem von Microsoft Philanthropies, der Rockefeller-Stiftung, der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung sowie vom US-Außenministerium und dem saudischen Königshaus.
Wie aber passt es zusammen, dass vehemente Kritiker der Politik, die von genau diesen Stiftungen gefördert wird, von diesen Stiftungen, nicht abgelehnt werden, sondern - im Gegenteil - von ihnen sogar unterstützt werden? Die Antwort lautet: Auf Grund einer neuen Strategie der Elite, die da heißt: Kooperation statt Konfrontation.
Begonnen hat alles in den 1990er Jahren. Bis dahin hatten sehr viele Kritiker des Systems einen starken Hang oder zumindest eine gewisse Sympathie für die Ideen von Sozialismus und Planwirtschaft, während die Elite in diesen ein klares Feindbild sah.
Mit dem Fall der Sowjetunion und des Ostblocks entstand dann jedoch eine Art ideologisches Vakuum, das die Elite auf geschickte Weise für sich nutzte. Statt systemkritische Organisationen weiter zu bekämpfen, begann man, sie zu fördern und so durch die Hintertür Einfluss auf sie zu nehmen - oder gar selbst neue Organisationen zu gründen.
Ob Amnesty International, Greenpeace oder später auch Bewegungen wie Occupy Wall Street, Extinction Rebellion oder Fridays for Future – sie alle wurden auf diese Weise neutralisiert, dem Willen der Elite unterworfen und damit in die bestehenden Herrschaftsstrukturen integriert. Zu den bekanntesten von der Elite selbst gegründeten Organisationen zählen die in den 1990er Jahren entstandenen Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, die Open Society Foundations von George Soros sowie die Clinton-Stiftung.
Parallel zu dieser Entwicklung haben die Grünen eine ähnliche Wandlung durchgemacht. Waren sie in den 1980er Jahren noch glühende Pazifisten und erbitterte Gegner der NATO, so haben sie in den 1990er Jahren im Jugoslawienkrieg alle einstigen Prinzipien über Bord geworfen, sind zur Kriegspartei mutiert und gehören heute zu den leidenschaftlichsten Befürwortern einer aggressiven Außenpolitik.
Mit Annalena Baerbock und Jennifer Morgan haben nun zwei der Ikonen dieser fundamentalen politischen Umorientierung und - man kann es nicht anders sagen -dieser schamlosen Täuschung der Öffentlichkeit zueinander gefunden. Was wir von ihnen erwarten können, ist eine knallharte Politik zugunsten der Elite und eine Fortsetzung des Frontalangriffs auf den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Mittelstand – alles natürlich unter dem Vorwand des Kampfes fürs Klima und für soziale Gerechtigkeit.