Wirtschaft

Stromerzeugung: Globale Mächte setzen auf Atomkraft – Deutschland schaltet AKW ab

Während Frankreich, China, Russland, Indien und weitere Mächte auf die Atomkraft setzen, um ihre Stromversorgung zu sichern, schaltet Deutschland seine AKW ab.
12.03.2022 13:17
Aktualisiert: 12.03.2022 13:17
Lesezeit: 2 min

Derzeit sind etwa 440 Kernkraftwerke in 32 Ländern plus Taiwan mit einer Gesamtkapazität von etwa 390 „Gigawatt elektrisch“ (GWe) in Betrieb. 1 GWe entspricht 1.000 Megawatt elektrisch (MWe).

Im Jahr 2020 lieferten diese 2553 TWh, etwa 10 Prozent des weltweiten Stroms. Etwa 55 Leistungsreaktoren werden derzeit in 19 Ländern gebaut, insbesondere in China, Indien, Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Doch auch Frankreich setzt auf neue Reaktoren. „Ende letzter Woche kündigte Präsident Macron bis zu vierzehn neue Atomkraftwerke (AKW) für Frankreich an. Sechs Druckwasserreaktoren der neuesten Generation (EPR) sollen bis 2050 fertig gestellt werden, weitere acht Bauvorhaben werden geprüft, berichtete das ZDF. Zusätzlich sollen die Laufzeiten alter Atommeiler über 50 Jahre hinaus verlängert werden“, so die Webseite „energiezukunft“.

Die Internationale Energieagentur (IEA) der OECD veröffentlicht jedes einen aktualisierten Bericht mit dem Titel „World Energy Outlook“ (WEO). In der Ausgabe 2021 (WEO 2021) sieht das „Stated Policies Scenario“ der IEA von 2020 bis 2050 ein Wachstum der installierten nuklearen Kapazität von über 26 Prozent vor.

Das Szenario sieht eine Gesamterzeugungskapazität von 17.844 GWe bis 2050 vor, wobei sich der Ausbau stark auf Asien und insbesondere Indien und China konzentriert. In diesem Szenario beträgt der Beitrag der Kernkraft zur globalen Stromerzeugung im Jahr 2050 etwa 8 Prozent.

Die IEA schätzt in „WEO 2021“, dass die kumulierten Auswirkungen der genannten Maßnahmen dazu führen würden, dass die weltweiten Kohlendioxidemissionen bis 2050 um weniger als ein Prozent zurückgehen würden.

Viele Länder mit bestehenden Atomkraftprogrammen planen oder bauen neue Leistungsreaktoren. Etwa 30 Länder erwägen, planen oder starten Kernkraftprogramme, berichtet die „World Nuclear Association“.

In Deutschland sieht die Lage anders aus. Längere Laufzeiten für die noch verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland sind für das Wirtschafts- sowie Umweltministerium vom Tisch. Die beiden Häuser hatten mit Blick auf den Ukraine-Krieg und für den Fall eines Ausfalls russischer Energielieferungen geprüft, ob die Kraftwerke weiter genutzt werden sollten. Das Ergebnis: Längere Laufzeiten seien weder sinnvoll noch vertretbar, sagte Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) am Dienstag. „Einem kleinen Beitrag zur Energieversorgung stünden große wirtschaftliche, rechtliche und sicherheitstechnische Risiken entgegen.“

In einem gemeinsamen Prüfvermerk des Wirtschafts- und Umweltministeriums heißt es: „Im Ergebnis einer Abwägung von Nutzen und Risiken ist eine Laufzeitverlängerung der drei noch bestehenden Atomkraftwerke auch angesichts der aktuellen Gaskrise nicht zu empfehlen.“ Eine Verlängerung könnte nur einen sehr begrenzten Beitrag zur Lösung des Problems leisten, und dies zu sehr hohen wirtschaftlichen Kosten. Der Staat müsste in großem Umfang Risiken übernehmen. Dies stehe in keinem Verhältnis.

Lemke sagte, auch aus Sicherheitsgründen wäre die Laufzeit-Verlängerung für eine Hochrisikotechnologie nicht verantwortbar. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sagte im RTL/ntv „Frühstart“ auf die Frage, ob längere Laufzeiten für die Atomkraftwerke vom Tisch seien: „Das würde ich sagen: ja.“ Für den nächsten Winter würden längere Laufzeiten nicht helfen: „Und für den langfristigen Bereich nur dann, wenn wir bereit sind, massive Sicherheitsabstriche zu machen.“

Zuvor hatte etwa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gefordert, zur Sicherheit der Energieversorgung angesichts des Kriegs in der Ukraine die Laufzeiten von Atomkraftwerken zu verlängern. Der beschleunigte Atomausstieg wurde 2011 gesetzlich beschlossen. Als letzte Meiler abgeschaltet werden nach dem Atomgesetz spätestens am 31. Dezember die Kraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Halbleiter-Förderung: Dresden und Erfurt erhalten grünes Licht
11.12.2025

Europa hängt bei Chips weiter an Asien – nun greift die EU zu einem Milliardenhebel. Deutschland darf zwei neue Werke in Dresden und...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB erhöht Druck: Vereinfachte Regeln für Europas Banken
11.12.2025

Die EZB drängt auf einfachere EU-Bankenvorschriften und will kleinere Institute entlasten. Doch wie weit darf eine Reform gehen, ohne...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Institut korrigiert Wirtschaftsprognose: Deutschlands Aufschwung bleibt schwach
11.12.2025

Die neue Wirtschaftsprognose des Ifo-Instituts dämpft Hoffnungen auf einen kräftigen Aufschwung. Trotz Milliardeninvestitionen und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klimarisiken: Unternehmen gefährden ihre Umsätze durch schwaches Risikomanagement
11.12.2025

Unternehmen geraten weltweit unter Druck, ihre Klimarisiken präziser zu bewerten und belastbare Strategien für den Übergang in eine...

DWN
Politik
Politik Trump warnt die Ukraine und verspottet Europa. „Am Ende gewinnt der Stärkere“
11.12.2025

US-Präsident Donald Trump erhöht den Druck auf die Ukraine und attackiert gleichzeitig europäische Staatschefs. Seine Aussagen im...

DWN
Politik
Politik EU erzielt Kompromiss über Nachhaltigkeitsberichterstattung - was das konkret bedeutet
11.12.2025

Nach zähen Verhandlungen einigt sich die EU auf weitreichende Entlastungen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Doch der Kompromiss...

DWN
Politik
Politik Finanzielle Lage von Eltern: Alleinerziehende sind trotz Vollzeitjob armutsgefährdet
11.12.2025

Sie arbeiten, kümmern sich um ihre Kinder, doch ihre finanzielle Lage ist prekär und führt immer mehr in Armut. Die Folge: Deutschland...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Weniger Azubi-Stellen: Ausbildungszahlen sinken weiter, zweiter Rückgang in Folge
11.12.2025

Für junge Menschen wird es im Zuge der Wirtschaftsflaute schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden. Angesichts der Konjunkturschwäche...