Finanzen

Inflation droht aus dem Ruder zu laufen - verzweifelte Appelle an die EZB

Die Inflation nimmt weiter zu. Bei der Bundesbank und anderen Notenbanken schrillen die Alarmglocken. Jetzt kommt es darauf an, ob - und wenn ja wie - die EZB reagiert.
01.04.2022 13:00
Aktualisiert: 01.04.2022 13:22
Lesezeit: 2 min

Die Inflation im Euroraum steigt infolge des Ukraine-Krieges auf ein neues Rekordhoch und lässt bei der Bundesbank Alarmglocken schrillen. Dienstleistungen und Waren kosteten im März durchschnittlich 7,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag mitteilte. Die Inflation liegt nun weit über dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von 2,0 Prozent und bringt die weiter auf Niedrigzinskurs steuernden Währungshüter in Erklärungsnöte. Bundesbankchef Joachim Nagel zeigte sich von der Wucht des Preisauftriebs überrascht: "Die Inflationsdaten sprechen eine deutliche Sprache. Die Geldpolitik darf nicht die Gelegenheit verpassen, rechtzeitig gegenzusteuern."

Auch Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer sieht Handlungsbedarf: "Jetzt kommt es darauf an, dass die EZB endlich den Fuß vom Gas nimmt. Ansonsten steigen die Inflationserwartungen weiter, und die hohe Inflation setzt sich dauerhaft fest", warnte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer.

Haupttreiber sind die stark gestiegenen Preise für Energie, die im Zuge der Corona-Lockdowns, der Energiewende und des Ukraine-Kriegs noch weiter anzogen. Sie legten auf Jahressicht um 44,7 Prozent zu, nachdem es im Februar bereits 32,0 Prozent waren. Unverarbeitete Lebensmittel verteuerten sich um 7,8 Prozent. Die EZB stellt sich auf kurze Sicht auf noch weiter steigende Verbraucherpreise im Euroraum ein. EZB-Vizechef Luis de Guindos rechnet erst in einigen Monaten mit dem Höhepunkt der Inflationswelle. In der zweiten Jahreshälfte soll sie sich dann angeblich abflachen - warum de Guindos zu dieser Einschätzung kommt, ist unklar.

RUFE NACH ZINSERHÖHUNG

Zugleich dürfte die Wirtschaft nach dem Ukraine-Schock vorerst nur noch vor sich hindümpeln, wenn der Spanier mit seiner Prognose recht behält. Für das erste Quartal ist demnach nur ein geringes Wachstum zu erwarten und für das zweite Quartal ein Wert nahe null. Die EZB will im dritten Quartal ihre milliardenschweren Anleihenkäufe beenden, wenn es die Inflationsaussichten zulassen. Das Aus des Bond-Programms gilt als Vorstufe einer Zinserhöhung, die "einige Zeit" nach Ende der Anleihen-Zukäufe vollzogen werden soll. Einige Währungshüter dringen darauf, dass die Wende zügig eingeleitet wird. Der österreichische Notenbankchef Robert Holzmann brachte bereits den September als Termin für eine Zinswende ins Gespräch.

Sein Mantra: Wenn die Inflation steige, sei es die Aufgabe der Zentralbank, die Zinsen zu erhöhen. Die EZB hatte 2014 den Einlagensatz erstmals auf unter null Prozent gesenkt. Er liegt derzeit bei minus 0,5 Prozent. Holzmann dringt auf eine Abschaffung dieser Strafzinsen für Banken, die Geld bei der EZB parken. Auch der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot hatte unlängst zwei Zinserhöhungen im laufenden Jahr nicht ausgeschlossen.

"Der Ukraine-Krieg und die Rückkehr der Corona-Pandemie in China werden den Preisdruck hochhalten, die Inflation wird zum Dauergast", prophezeit Chefökonom Alexander Krüger von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe. In der aktuellen Situation habe die EZB keine andere Wahl, als die geldpolitische Straffung in Angriff zu nehmen, sagte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Mit Blick auf den auf Flexibilität angelegten Kurs der Währungshüter fügte sie hinzu: "Daraus könnte auch folgen, die Zinsen etwas schneller als zuvor geplant anzuheben."

Es bleibt abzuwarten, wie die EZB auf den verstärkten Preisauftrieb reagieren wird. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass die Notenbank nicht aktiv werden wird.

EZB-Chefökonom Philip Lane hat dafür plädiert, geldpolitisch nicht übereilt zu reagieren. Es sei wichtig, dass sich die Europäische Zentralbank Zeit nehme, sagte der Ire am Freitag dem Sender CNBC. Es gelte die nächsten Sitzungen und die in diesem Quartal anstehenden Prognosen zu nutzen, um sich ein umfassendes Lagebild zu verschaffen. "Das ist eine sehr hohe Zahl", räumte Lane mit Blick auf die März-Inflation ein. Nun müssten die Auswirkungen der hohen Energiepreise auf die Tarifrunden und die Folgen der Teuerung für die Haushalte und Firmen analysiert werden.

Die EZB trifft sich am 14. April zu ihrer nächsten Sitzung.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeitsmarkt: Sieben Wege wie Unternehmen Fachkräfte finden und halten
09.12.2025

Qualifizierte Fachkräfte werden knapp – das spüren Unternehmen bei der Personalsuche immer deutlicher. Die Folgen: Engpässe,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Milan Nedeljkovic folgt auf Oliver Zipse bei BMW
09.12.2025

BMW bekommt einen neuen Chef: Milan Nedeljkovic übernimmt das Ruder von Oliver Zipse. Der Produktionsvorstand bringt Erfahrung aus fast...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie im Fokus: Allianz-Kooperation mit Oaktree – was der Syndikat-Pakt für Anleger bedeutet
09.12.2025

Ein neuer Deal in London, ein bestätigtes Top-Rating und höhere Gewinnziele treiben die Allianz-Aktie bis an das Jahreshoch. Doch hinter...

DWN
Politik
Politik Merz fordert Abschaffung: EU-Lieferkettengesetz wird deutlich gelockert
09.12.2025

Das EU-Lieferkettengesetz sollte Unternehmen weltweit verpflichten, Menschenrechte zu achten. Doch bevor es überhaupt greift, haben sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kosten für Wohnen und Essen fressen geringere Einkommen auf
09.12.2025

Wohnen und Lebensmittel werden teurer – doch die Härte trifft nicht alle gleich. Neue Daten der Statistiker zeigen, wie stark vor allem...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putins Besuch in Indien zeigt die gefesselten Hände des Kreml
09.12.2025

Wladimir Putins Besuch in Indien sollte Stärke demonstrieren, doch die Realität wirkt gegenteilig. Der Kreml ist stark von Ölexporten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Thyssenkrupp-Aktie: Rückkehr in die Gewinnzone trotz Sanierungsdruck
09.12.2025

Thyssenkrupp meldet wieder Gewinn, doch der Preis dafür ist hoch. Der Konzern kämpft mit sinkender Nachfrage, Sanierungsrückstellungen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Butterpreis im Sturzflug: Milchbauern schlagen Alarm – "wirtschaftliches Desaster"
09.12.2025

Der Butterpreis rutscht auf 99 Cent je 250 Gramm und jubelnde Kunden treffen auf alarmierte Milchbauern. Hinter dem Preisschub steckt der...