Weltwirtschaft

US-Angriff auf OPEC-Kartell droht Ölpreis auf 300 Dollar zu treiben

Lesezeit: 4 min
13.05.2022 15:41  Aktualisiert: 13.05.2022 15:41
Ein Gesetzentwurf soll kartellrechtliche Ermittlungen gegen das Kartell OPEC+ ermöglichen. Doch der Widerstand formiert sich, denn die Folgen wären dramatisch.
US-Angriff auf OPEC-Kartell droht Ölpreis auf 300 Dollar zu treiben
Die USA setzen OPEC+ unter Druck. Als Reaktion droht das Kartell mit einem dramatischen Anstieg des Ölpreises. (Foto: dpa)

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Wenn die USA das sogenannte NOPEC-Gesetz verabschieden, das Klagen gegen OPEC-Mitglieder wegen Marktmanipulation ermöglichen soll, droht der Ölpreis weiter stark zu steigen. Denn die Energieminister der einflussreichsten OPEC-Staaten haben dringend vor der Verabschiedung des Gesetzes gewarnt. Solche Bemühungen würden die Energiemärkte noch mehr ins Chaos stürzen.

Der Energieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, Suhail Al Mazrouei, sagte am Dienstag gegenüber CNBC, dass die OPEC wegen der Energiekrise zu Unrecht ins Visier genommen werde und dass die Bemühungen der USA, das etablierte Fördersystem zu stören, die Ölpreise um bis zu 300 Prozent in die Höhe schnellen lassen könnten.

"Wenn man dieses System behindert, muss man aufpassen, was man verlangt, denn ein chaotischer Markt würde zu einem Preisanstieg von 200 oder 300 Prozent führen, den die Welt nicht verkraften kann", erklärte Al Mazrouei gegenüber Dan Murphy von CNBC während einer Podiumsdiskussion auf dem World Utilities Congress in Abu Dhabi.

Hintergrund ist, dass der Justizausschusses des US-Senats in der vergangenen Woche mit klarer Mehrheit den überparteilichen Gesetzentwurf S. 977 verabschiedet hatte, der den Titel "No Oil Producing and Exporting Cartels" oder kurz NOPEC trug (deutsch etwa: keine Kartelle bei der Förderung und beim Export von Öl). Einen entsprechenden Entwurf hat man auf Ausschussebene bereits seit zwei Jahrzehnten diskutiert.

Der nun verabschiedete Gesetzentwurf zielt darauf ab, Verbraucher und Unternehmen in den USA vor künstlich herbeigeführten Energiepreisspitzen zu schützen. Er würde die OPEC für kartellrechtliche Klagen öffnen, wenn sie Lieferkürzungen vereinbaren. Damit das Gesetz in Kraft treten kann, muss es nun noch von Senat und Repräsentantenhaus verabschiedet werden und vom US-Präsidenten unterzeichnet werden.

Die OPEC und ihre Partner stehen unter dem Druck der USA und anderer Verbraucherländer, weil sie trotz stark steigender Preise kein zusätzliches Rohöl fördern. Am Freitag handelte Brent-Öl mit rund 109 Dollar pro Barrel. Von den hohen Ölpreise profitieren nicht nur die OPEC-Staaten, sondern auch Russland, dessen Erlöse aus dem Ölgeschäft zuletzt so hoch waren wie nie zuvor.

Energieminister der Vereinigten Arabischen Emirate Al Mazrouei räumte ein, dass einige Mitglieder ihre Förderquoten nicht erreicht hätten. Er fügte jedoch hinzu, dass die Allianz ihren Teil dazu beitrage, die weltweite Nachfrage angesichts des anhaltenden geopolitischen Drucks, insbesondere des Krieges in der Ukraine, zu decken.

Der OPEC gehören derzeit 13 Staaten an: Algerien, Angola, Äquatorialguinea, Gabun, Iran, Irak, die Republik Kongo, Kuwait, Libyen, Nigeria, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Venezuela. Da der Weltmarktanteil der OPEC-Länder kontinuierlich sinkt, kooperiert die Organisation zunehmend mit Staaten wie Russland, Kasachstan, Mexiko und Oman. Diese Kooperation wird als OPEC+ bezeichnet.

"Wir, die OPEC+, können nicht den gesamten Weltbedarf zu 100 Prozent decken", sagt VAE-Energieminister Al Mazrouei . "Wir produzieren unseren Anteil. Und eigentlich würde ich wetten, dass wir viel mehr tun." Laut der jüngsten Erhebung von S&P Global Commodity Insights verfehlte die aus insgesamt 23 Staaten bestehende Allianz OPEC+ ihre Quoten im April um 2,59 Millionen Barrel pro Tag.

Al Mazrouei wurde auf dem Podium vom saudischen Energieminister Prinz Abdulaziz bin Salman unterstützt, der sagte, dass die OPEC- und Nicht-OPEC-Mitglieder zusammenarbeiten sollten, um die anhaltende Energiekrise zu bewältigen. "Ich bin sehr besorgt über das heute bestehende ganzheitliche Energiesystem", sagte er auf die Frage nach dem NOPEC-Gesetzentwurf in den USA.

Die mächtigste Öl-Lobby in den USA, das American Petroleum Institute (API), ist ebenfalls gegen ein solches Gesetz, da es auch der amerikanischen Öl- und Gasindustrie und den amerikanischen Interessen in der Welt Schaden zufügen würde, wie Reuters berichtete. Auch die US-Handelskammer ist dagegen, während das Weiße Haus "Bedenken" im Hinblick auf die möglichen Auswirkungen eines solchen Gesetzes äußerte.

Formen von Kartellgesetzen, die sich gegen die OPEC richten, wurden bereits zu verschiedenen Zeiten unter den Präsidenten George W. Bush und Barack Obama diskutiert, aber beide drohten mit einem Veto gegen solche Gesetze. Auch diesmal ist unklar, ob Präsident Joe Biden ein solches Gesetz unterzeichnen würde, wenn es überhaupt durch die beiden Kammern des US-Kongress kommt.

Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sagte letzte Woche im Hinblick auf den NOPEC-Gesetzentwurf: "Ich habe im Moment keine offizielle Position zu dieser Gesetzgebung, aber wir glauben, dass dieses Potenzial - die möglichen Auswirkungen und unbeabsichtigten Folgen dieser Gesetzgebung - weitere Untersuchungen und Überlegungen erfordern."

Im Jahr 2019, unter Präsident Donald Trump, sagte das American Petroleum Institute gegenüber den Justizausschüssen von Senat und Repräsentantenhaus: "Wir sind der Ansicht, dass diese Gesetzgebung ein erhebliches negatives Risiko für die diplomatischen, militärischen und geschäftlichen Interessen der USA darstellt."

"Die Gesetzgebung droht mit ernsten, unbeabsichtigten Folgen für die US-amerikanische Erdgas- und Erdölindustrie. Sie stellt einen politischen Akt dar, der darauf abzielt, die Immunität eines souveränen Staates gegenüber bestimmten US-Gesetzen aufzuheben, und eröffnet die Möglichkeit für gegenseitige oder sogar zusätzliche Maßnahmen seitens der betroffenen Länder", so das API vor mehr als zwei Jahren.

Letzte Woche wandte sich die US-Handelskammer an den Justizausschuss des Senats und sprach sich gegen den Gesetzentwurf aus. Der Ausschuss solle sich vor dem Präzedenzfall hüten, den er schaffen würde. "Sobald die souveräne Immunität für eine Handlung eines Staates oder seiner Vertreter aufgehoben wurde, kann sie für alle staatlichen Handlungen und die Handlungen der Vertreter des Staates aufgehoben werden."

"Unter wechselseitigen Rechtssystemen könnten die Vereinigten Staaten und ihre Vertreter in der ganzen Welt vor ausländischen Gerichten - vielleicht einschließlich des Militärs - für jede Aktivität angeklagt werden, die der ausländische Staat zu einem Vergehen machen möchte", so die US-Handelskammer.


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