Technologie

Neuer KI-Algorithmus kann Sterberisiko von Corona-Patienten einschätzen

Forscher haben einen Algorithmus entwickelt, der unter anderem in der Lage ist, Überleben oder Tod eines Corona-Patienten vorherzusagen.
19.06.2022 09:00
Lesezeit: 2 min
Neuer KI-Algorithmus kann Sterberisiko von Corona-Patienten einschätzen
Nicht umsonst wird die Künstliche Intelligenz den "disruptiven" Technologien zugeordnet: Oftmals sind die langfristigen Auswirkungen solcher Erfindungen auf das Leben der Menschen noch gar nicht einzuschätzen. (Foto: dpa)

Forschern des "Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften" und der Universität Wien ist es in Zusammenarbeit gelungen, einen Algorithmus zu entwickeln, der vorhersagen kann, welche Corona-Patienten das höchste Sterberisiko haben und intensivmedizinisch behandelt werden müssen, unabhängig von Immunschutzstatus und Virusvariante.

"Werden immer wieder einen Anstieg der Infektionen und Krankenhausaufenthalte erleben."

Das von einem internationalen Team um David Gómez-Varela programmierte Tool setzt dafür Künstliche Intelligenz (KI) ein. Der Algorithmus trägt den Namen "Covid-19 Disease Outcome Predictor" (CODOP) und könnte zukünftig dabei helfen, jenen Patienten eine intensivmedizinische Behandlung zuteil werden zu lassen, die sie am dringendsten benötigen.

„Das Auftreten neuer Sars-CoV-2-Varianten, der nachlassende Immunschutz und die Lockerung der Schutzmaßnahmen bedeuten, dass wir wahrscheinlich immer wieder einen Anstieg der Infektionen und Krankenhausaufenthalte erleben werden“, erklärt David Gómez-Varela, ehemaliger Max-Planck-Gruppenleiter und derzeitiger Senior Scientist an der Division für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien.

Forscher sammelten Daten aus Blutabnahmen von etwa 30 000 Patienten

Es bestünde, betont Gómez-Varela, ein Bedarf an klinisch relevanten und verallgemeinerbaren Triage-Tools, um die Zuweisung von Krankenhausressourcen für Covid-19-Patienten sinnvoll zu managen. Das gelte besonders an Orten, an denen die Ressourcen knapp seien. "Diese Instrumente müssen jedoch dem sich ständig ändernden Szenario einer globalen Pandemie gerecht werden und einfach zu implementieren sein.“

Um das Programm auf die Beine zu stellen, mussten Forscher Daten aus routinemäßigen Blutabnahmen von etwa 30 000 Patienten im Laufe knapp eines Jahres sammeln, in über 150 Krankenhäusern in Spanien, den USA, Honduras, Bolivien und Argentinien. So gelang es den Wissenschaftlern, Daten sowohl von Menschen mit unterschiedlichem Immunstatus zu erfassen als auch von Erkrankten, die mit unterschiedlichen Sars-CoV-2-Varianten infiziert waren.

Algorithmus kann Überleben oder Tod vorhersagen

„Die Variabilität eines so vielfältigen Datensatzes ist eine große Herausforderung für AI-basierte Vorhersagemodelle“, heißt es von Seiten der Forscher. Der frei zugängliche Algorithmus verwendet Messungen von zwölf Blutmolekülen, die standardmäßig bei der Aufnahme in das Krankenhaus erhoben werden.

So könne das Vorhersageinstrument laut einer Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft leicht in die klinische Versorgung eines jeden Krankenhauses integriert werden. Als die Forscher prüften, ob der Zeitpunkt der Blutentnahme die Leistung des Programms beeinflusst, fanden sie heraus: Der Algorithmus kann das Überleben oder den Tod von Krankenhauspatienten mit hoher Genauigkeit bis neun Tage vor dem Eintreten eines der beiden Ergebnisse vorhersagen.

Ärzte können zwischen zwei Versionen wählen

So habe das Forscherteam sich dazu entschlossen, zwei verschiedene Versionen des Instruments für den Einsatz unter verschiedenen Bedingungen zu erstellen. Bei normaler operativer Belastung könnten sich die Ärzte für eine „Overtriage“-Version entscheiden, die mit hoher Empfindlichkeit Patienten mit erhöhtem Sterberisiko aufspürt, allerdings auf Kosten der Erkennung einiger Patienten, die keine kritische Versorgung benötigen.

Das alternative „Undertriage“-Modell wiederum verringert die Möglichkeit, fälschlicherweise Patienten mit einem geringeren Sterberisiko auszuwählen, und gibt den Ärzten die Gewissheit, dass sie in Zeiten knapper Ressourcen genau die Patienten mit dem höchsten Risiko behandeln. Darüber hinaus soll das Programm die Notwendigkeit einer Krankenhauseinweisung innerhalb von 24 Stunden für Patienten in der Primärversorgung und Verlegung auf die Intensivstation innerhalb von 48 Stunden für bereits hospitalisierte Personen vorhersagen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank: Deutsche Exportwirtschaft verliert deutlich an globaler Stärke
14.07.2025

Die deutsche Exportwirtschaft steht laut einer aktuellen Analyse der Bundesbank zunehmend unter Druck. Branchen wie Maschinenbau, Chemie...

DWN
Immobilien
Immobilien Gebäudeenergiegesetz: Milliardenprojekt für 1,4 Billionen Euro – hohe Belastung, unklare Wirkung, politisches Chaos
14.07.2025

Die kommende Gebäudesanierung in Deutschland kostet laut Studie rund 1,4 Billionen Euro. Ziel ist eine Reduktion der CO₂-Emissionen im...

DWN
Politik
Politik EU plant 18. Sanktionspaket gegen Russland: Ölpreisobergrenze im Visier
14.07.2025

Die EU verschärft den Druck auf Moskau – mit einer neuen Preisgrenze für russisches Öl. Doch wirkt die Maßnahme überhaupt? Und was...

DWN
Technologie
Technologie Datenschutzstreit um DeepSeek: Deutschland will China-KI aus App-Stores verbannen
14.07.2025

Die chinesische KI-App DeepSeek steht in Deutschland unter Druck. Wegen schwerwiegender Datenschutzbedenken fordert die...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 unter Druck – Sommerkrise nicht ausgeschlossen
14.07.2025

Donald Trump droht mit neuen Zöllen, Analysten warnen vor einer Sommerkrise – und die Prognosen für den S&P 500 könnten nicht...

DWN
Politik
Politik Wenn der Staat lahmt: Warum die Demokratie leidet
14.07.2025

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt eindringlich vor den Folgen staatlicher Handlungsunfähigkeit. Ob kaputte Brücken,...

DWN
Politik
Politik Fluchtgrund Gewalt: Neue Angriffe in Syrien verstärken Ruf nach Schutz
14.07.2025

Trotz Versprechen auf nationale Einheit eskaliert in Syrien erneut die Gewalt. Im Süden des Landes kommt es zu schweren Zusammenstößen...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut nach 45 Beitragsjahren: Jeder Vierte bekommt weniger als 1300 Euro Rente
14.07.2025

Auch wer sein Leben lang gearbeitet hat, kann oft nicht von seiner Rente leben. Dabei gibt es enorme regionale Unterschiede und ein starkes...