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"In Deutschland werden künftig keine Containerschiffe mehr gebaut"

Lesezeit: 5 min
08.06.2022 13:18  Aktualisiert: 08.06.2022 13:18
Im Interview mit den DWN erläutert Dr. Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), die größten Herausforderungen für die deutsche Handelsschifffahrt.
"In Deutschland werden künftig keine Containerschiffe mehr gebaut"
Container-Riesen wie die 399 Meter lange und 58 Meter breite "Mumbai Maersk", die 20.000 Container transportieren kann, werden in Deutschland schon lange nicht mehr gebaut. (Foto: dpa)

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Dr. Martin Kröger ist seit dem 01.05.2022 Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Reeder (VDR). Zuvor war er bereits zehn Jahre als Geschäftsführer für den VDR tätig und betreute in dieser Funktion die Bereiche internationale Schifffahrtspolitik, den Schifffahrtsort Deutschland sowie den Umwelt- und Klimaschutz. Die DWN sprachen mit ihm über die großen Herausforderungen der deutschen Handelsschifffahrt in unsicheren Zeiten der Pandemie, des Ukraine-Konflikts und des Klimawandels.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was sind die größten Herausforderungen für die deutschen Reeder im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt?

Martin Kröger: Es bereitet uns große Sorgen, dass wir drei Schiffe unserer Handelsflotte nicht aus ukrainischen Häfen rausbekommen. Damit liegen enorme Vermögenswerte brach. Zumindest ist es uns gelungen, die Crew von Bord zu nehmen. Jetzt ist noch eine Rumpf-Crew von ukrainischen Seeleuten an Bord, die falls möglich, die Schiffe aus den Häfen bringen sollen. Allerdings ist das sehr gefährlich. Die Seewege sind vermint, Russland hat bereits Handelsschiffe beschossen und klar kommuniziert, dass sie keinen zivilen Verkehr dulden.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie hat sich der Ukraine-Konflikt auf die Crew-Mitglieder der deutschen Handelsschiffe ausgewirkt?

Martin Kröger: Mit Kriegsbeginn standen wir vor einer großen Herausforderung, da die deutsche Handelsflotte insgesamt 3.000 russische und 2.000 ukrainische Seeleute beschäftigt. Wir mussten zuallererst gewährleisten, dass sie sich nicht in die Quere kommen, und die Besatzungen entsprechend aufteilen. Auch schauen wir darauf, dass kein Schiff mit ukrainischer Besatzung einen russischen Hafen anläuft. Zudem können wir ukrainischen Seeleuten, die ein Bankkonto in Russland haben, oftmals kein Geld mehr überweisen. Stattdessen müssen wir sie in bar oder mit Geldkarten bezahlen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was glauben Sie, wird aufgrund des Ukraine-Konflikts künftig noch auf sie zukommen?

Martin Kröger: Mit dem sechsten noch nicht in Kraft getretenen EU-Sanktionspaket werden wir keinen europäischen Hafen mehr ansteuern können, wenn wir russisches Öl an Bord haben. Bei Kohle ist das bereits der Fall. Allerdings sei dazu gesagt, dass wir die europäische Sanktionspolitik unterstützen. Für uns ist nur wichtig, dass die Sanktionen klar formuliert werden, damit wir sie leichter umsetzen können.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Gibt es Bestrebungen der deutschen Handelsflotte, ukrainischen Weizen exportiert zu bekommen?

Martin Kröger: Ja, wir sind derzeit mit den Vereinten Nationen im regen Austausch, um eine Möglichkeit zu finden, im Rahmen des Welternährungsprogramms Weizen nach Afrika exportieren zu können.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Und vor welchen Herausforderungen stellt sie die Corona-Pandemie?

Martin Kröger: In erster Linie machen uns die gestörten Lieferketten zu schaffen. In Shanghai konnten zum Beispiel in den vergangenen Wochen nur 60 Prozent des Exportvolumens den Hafen verlassen. Hinzu kommt, dass teilweise Fabriken geschlossen waren und rund 40 Prozent der

chinesischen LKW-Fahrer zu Hause bleiben mussten. Das heißt, dass es bestimmte Waren nicht einmal bis zum Hafen geschafft haben. Gleichzeitig stauten sich die Schiffe vor den Häfen und mussten eine Woche warten, bis sie beladen wurden. Mittlerweile dauert es nur mehr zwischen 24 und 48 Stunden. Allerdings hat sich das Problem jetzt in die deutsche Bucht verlagert. Bei der Masse von Gütern, die sie an Bord haben, kommt es jetzt hier zu Staus. Derzeit sind es rund ein Dutzend Schiffe, die allein in Hamburg darauf warten, gelöscht zu werden.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Warum halten sich die deutschen Reeder zurück, wenn es um die Neubaubestellung von Containerschiffen geht?

Martin Kröger: Dafür gibt es mehrere Gründe. Einerseits weiß noch niemand genau, wie die neue Antriebstechnologie aussehen wird. Es kann sich dabei um Wasserstoff-, Ammoniak-, oder Methanol betriebene Technologien handeln.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Und andererseits?

Martin Kröger: muss eine solche Investition für einen Mittelständler, wie es die deutschen Reeder mehrheitlich sind, genau abgewogen werden.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was muss dabei alles berücksichtigt werden?

Martin Kröger: Sie müssen bedenken, dass die Lebensdauer eines Schiffes zwischen zwanzig und dreißig Jahre beträgt. Die deutsche Handelsflotte hat derzeit im Durschnitt zehn bis fünfzehn Dienstjahre auf dem Buckel. Der Bau eines Schiffes beansprucht drei Jahre. Erschwerend kommt hinzu, dass alle Schiffe ab 2050 klimaneutral unterwegs sein müssen. Das heißt, ein Reeder muss nicht nur für sich selbst eine Konjunkturprognose stellen, sondern in seiner Planung auch die von ihm geforderte Nachhaltigkeit berücksichtigen. Ein äußerst schwieriger Balanceakt, der die deutschen Reeder erst einmal dazu veranlasst, konservativ mit dem Thema Neubaubestellung umzugehen. Aber natürlich muss die deutsche Handelsflotte sukzessive erneuert werden. Daran geht kein Weg vorbei.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie viele Seemeilen muss ein Schiff zurücklegen können, damit sich eine alternative Antriebsform ohne Ausstoß von Kohlenstoffdioxid für die Reedereien rechnet?

Martin Kröger: Ob sich ein alternativer Treibstoff rechnet oder nicht, hängt nicht von der Anzahl der Seemeilen ab, sondern vielmehr von der Verteuerung fossiler Treibstoffe. Mit dem Jahr 2023 greift das europäische Emissionshandelsgesetz auch auf die Schifffahrt über. Dann wird sich herausstellen, um wie viel sich fossile Antriebskraft über eine zusätzliche Besteuerung verteuern wird.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie sehen sie die massive Verlagerung des Schiffbaues nach China? Wie steht der Verband Deutscher Reeder dazu?

Martin Kröger: Im Grunde haben China und Südkorea in der Containerschifffahrt schon seit mehr als einem Jahrzehnt die Nase vorn, und dabei eine enorme Expertise aufgebaut. Deshalb gehe ich davon aus, dass in Deutschland künftig keine Containerschiffe mehr gebaut werden. Übrigens: Das letzte Containerschiff, das von einer deutschen Werft ausgelaufen ist, wurde vor einigen Jahren gebaut. Dagegen sehe ich noch einiges Potential in der Kreuzschifffahrt und in der Spezialschifffahrt.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Ist es für deutsche Reedereien ein großer Standort-Nachteil, mit Bremerhaven und Wilhelmshaven nur zwei Tiefwasserhäfen anfahren zu können?

Martin Kröger: Nein, grundsätzlich ist es für uns kein Problem. Wir steuern ohnehin die Häfen an, die uns von der jeweiligen Fracht auferlegt werden. Aber natürlich spielen die deutschen Häfen ansonsten eine wichtige Rolle für uns. Hamburg etwa, um ein Beispiel zu nennen, weil die Eisenbahnbindung nach Ost-Europa und an die Ostsee sehr gut ist.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie stehen die Deutschen Reeder einer Fusion zwischen der Hamburger Hafen- und Logistik AG (HHLA) und dem Bremer Container-Unternehmen Eurogate gegenüber?

Martin Kröger: Dazu haben wir als Verband keine Meinung. Wir begrüßen Kooperationen und unterstützen sie, sofern sich daraus vorteilhafte Synergien ergeben. Aber grundsätzlich ist das nicht unser Geschäft. Wir betrieben Schiffe, keine Häfen, und nehmen auch keinen Einfluss auf die Organisation einzelner Häfen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Denken Sie, dass die Containerschiffe künftig noch größer werden?

Martin Kröger: Nein. Ich denke, dass bei den Containerschiffen mit 400 Metern die Maximallänge erreicht ist. Noch Spielraum gibt es vielleicht in der Breite.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wären noch größere Schiffe ein Sicherheitsrisiko?

Martin Kröger: Nein, das glaube ich nicht. Die großen Containerschiffe sind stabiler als die kleinen. Das Problem ist eher, dass schon jetzt die weltgrößten Häfen zwischen Asien und Europa aufgrund ihrer Struktur keine größeren Schiffe mehr zulassen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Aber die MV Ever Given, die quer im Suezkanal feststeckte, hat doch gezeigt, dass die größten Containerschiffe der Welt erheblichen Schaden anrichten können!

Martin Kröger: Das kann ich so nicht stehen lassen. Wenn ein Containerschiff eine Wasserstraße blockiert, dann hängt das in erster Linie nicht von der Größe der Schiffe ab, sondern von der Beschaffenheit der jeweiligen Seestraße. Denn: Ob das Schiff nun 400 Meter oder 300 Meter lang ist, spielt keine Rolle. Wenn es auf Grund läuft, kann es unabhängig von seiner Größe einen Wasserweg blockieren. Das ist bei der Weser oder der Elbe nicht anders. Das Problem ist doch, dass die Breite der Wasserstraßen begrenzt ist, und es keine Ausweichmöglichkeiten gibt.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Und wenn ein auf Grund gelaufenes Schiff in der Mitte auseinanderbricht?

Martin Kröger: Das halte ich für völlig ausgeschlossen.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Also sehen sie keine spezielle Gefahr, die von großen Containerschiffen ausgeht!

Martin Kröger: Nein. Schon eher könnten die Sicherheitssysteme auf den Schiffen verbessert werden. Denn bei bestimmten Wellenbewegungen auf hoher See kommt es häufig zu höheren Schwingungen auf dem Schiff, und der Gefahr, dass Container Schaden nehmen oder über Bord gehen. Hier, würde ich sagen, kann noch im Detail gearbeitet werden.

 



 

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