Politik

Die tickende Zeitbombe für unseren Wohlstand

Lesezeit: 3 min
15.07.2022 15:11  Aktualisiert: 15.07.2022 15:11
Die demografische Schieflage birgt für unsere Wirtschaft und für unseren Wohlstand viel Sprengstoff - und könnte das politische System destabilisieren.
Die tickende Zeitbombe für unseren Wohlstand
Die demografische Schieflage wirkt wie eine tickende Zeitbombe. (Foto:dpa)
Foto: Jens Büttner

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Liebe Leserinnen und Leser,

die problematische demografische Entwicklung gehört seit Jahrzehnten zum Repertoire der großen und viel diskutierten Zukunftsthemen in Deutschland. Während es anderen Megatrends wie dem Klimawandel oder der Digitalisierung aber zuletzt gelang, einen wachsenden Raum in der medialen Berichterstattung einzunehmen – und im Falle des Klimawandels darüber hinaus auch noch, die Politik zu tiefgreifenden und folgenschweren Maßnahmen zu bewegen – rückte die Demografie zuletzt in den Hintergrund.

Dabei gerät leicht aus den Augen, welchen Sprengstoff die Entwicklung für unseren Wohlstand und unsere Wirtschaft, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die politische Stabilität in Deutschland birgt. „Doch die Folgen des demografischen Niedergangs machen nicht beim Rentensystem halt. Der Bevölkerungsschwund wird zunehmend auch zum Bremsklotz für wirtschaftliches Wachstum. Das wiederum wird auf gesellschaftlicher Ebene für Verteilungskonflikte sorgen. Und so dürfte die derzeitige – noch vergleichsweise harmlose – Debatte um die Erhöhung des Renteneintrittsalters lediglich ein düsterer Vorbote für zukünftige viel härtere Auseinandersetzungen sein“, schreibt Marco Fetke in seinem Artikel zur Familienpolitik in unserem neuen Magazin, dass sich mit Deutschlands demografischer Schieflage beschäftigt.

Arbeiten bis 70?

Tatsächlich wird der Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge das umlagefinanzierte System schon in den kommenden Jahren unter Druck setzen. Die überragende Bedeutung dieser Entwicklung für die Zukunft des Landes muss die Suche nach Lösungsansätzen und Reformen antreiben. Hier tauchen aber viele praktische Probleme auf: wie weit kann der Renteneintritt noch nach hinten verschoben werden? Wie kann die zahlenmäßige Lücke zwischen Rentnerinnen und Rentnern auf der einen und jungen Erwerbstätigen und Heranwachsenden auf der anderen Seite geschlossen werden und welchen Beitrag kann die Einwanderung dabei spielen? Was sind Fachkräfte und welche davon brauchen wir eigentlich wirklich?

Oder ist alles ganz einfach und der technologisch-digitale Fortschritt wird uns all diese lästigen Fragen künftig in Form von Algorithmen und Robotern in Industrie, Kreativberufen und Pflegeeinrichtungen beantworten. Solche Hoffnungen enttäuscht der Experte für Demografischen Wandel und Zukunftsforschung des Berliner Beratungsunternehmens VDI/VDE-IT, Marc Bovenschulte, im Interview mit Moritz Enders: Technologischer Fortschritt sei kein Schicksal und auch kein Selbstläufer, sondern er muss aktiv gestaltet werden.

Die kommende demografische Lücke ist auch deshalb so folgenschwer, weil sie mit Projekten und Entwicklungen der anderen Megatrends in Wechselwirkung steht, wobei sich kritische Faktoren gegenseitig verstärken. „Wir haben es hier ja mit einer 3D-Transformation zu tun: Demografie, Digitalisierung und Dekarbonisierung. Um diese auch nur halbwegs stemmen zu können, sind alle Arbeitskräfte nötig, die irgendwie verfügbar sind“, so Bovenschulte im Interview.

Prognosen sind stets mit großer Unsicherheit behaftet, so viel steht fest. Fest steht aber auch, dass der demografische Umschwung in unmittelbarer Zukunft für die meisten Menschen ganz konkret in ihrem Alltag spürbar sein wird – etwa, weil Mittelständler auf dem Land den Betrieb einstellen oder Arztpraxen schließen müssen.

Für ausschweifende Diskussionen ist es dann allerdings zu spät, weswegen sich eine Beschäftigung mit dem Phänomen schon heute im Sinne von morgen lohnt.

Eine erkenntnisreiche und spannende Lektüre mit unserem Magazin wünscht Ihnen,

Nicolas Dvorak

stellvertretender Chefredakteur


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Die Ampel auf Rot: Warum die deutsche Wirtschaft abwandert
08.05.2024

Der Frust des deutschen Mittelstands ist gewaltig. Immer mehr Unternehmer denken über Verlagerung ihrer Produktionsbetriebe nach. Nach...

DWN
Finanzen
Finanzen KfW: Deutlich weniger Förder-Kredite, aber mehr Gewinn zum Jahresauftakt
08.05.2024

Nach mehreren Krisenjahren hat sich das Kreditgeschäft der staatlichen Förderbank wieder normalisiert. Gleichwohl verdient die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Insolvenzen in Deutschland steigen weiter dramatisch an - Zukunftsaussichten bleiben düster
08.05.2024

Im April verzeichnete Deutschland erneut einen starken Anstieg der Firmeninsolvenzen - ein bedenklicher Trend, der bereits seit 10 Monaten...

DWN
Technologie
Technologie Abzocke an der Ladesäule? E-Auto laden unterwegs teurer als Benzin E10
08.05.2024

Die Begeisterung für Stromer hat in Deutschland schon arg gelitten. Die Ampel gewährt keine Zuschüsse mehr bei der Anschaffung - und nun...

DWN
Unternehmen
Unternehmen BMW mit Gewinnrückgang - Konzernchef Zipse bleibt extrem optimistisch
08.05.2024

Der Autobauer BMW musste im ersten Quartal trotz des florierenden Luxussegments Gewinneinbußen verbuchen. Konzernchef Oliver Zipse bleibt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Siemens Energy beendet Misere und startet Sanierungsplan für Windkraftsparte Gamesa
08.05.2024

Beim kriselnden Energietechnikkonzern Siemens Energy scheint sich der Wind zu drehen. Nach einem guten zweiten Quartal mit schwarzen Zahlen...

DWN
Finanzen
Finanzen Anlagevermögen in Deutschland 2023 um 10 Prozent gewachsen
08.05.2024

Deutsche Kapitalanleger sind trotz schwacher Weltkonjunktur reicher geworden. Eine erfreuliche Nachricht für die Vermögensverwalter, die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft LNG: EU-Sanktionen bedrohen Russlands Energiegeschäfte
08.05.2024

Russland steht vor möglichen schmerzhaften EU-Sanktionen im Zusammenhang mit seinen Geschäften im Bereich Flüssigerdgas (LNG). Die...