US-Finanzministerin Janet Yellen hat für neue Sanktionen gegen Russland auf dem Ölmarkt geworben. Sie wolle sich beim anstehenden G20-Treffen auf Bali für eine Preis-Obergrenze auf russisches Öl einsetzen. Yellen sagte, China und Indien würden hoffentlich sehen, dass dies in ihrem eigenen Interesse liege. „Russland würde es eine Möglichkeit geben, weiter Öl zu exportieren.“ Gleichzeitig könnten aber größere Preissprünge vermieden werden.
US-Vorstellungen zufolge sollen Finanzdienstleistungen, Versicherungen und der Transport von Öl-Ladungen zusammengefasst werden. Ein Cargo-Unternehmen oder Importeur soll diese Dienstleistungen dann nur bekommen, wenn sie sich an eine Obergrenze für russisches Öl halten. Diese soll zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden - auf einem Niveau, das Russland noch einen Anreiz für Exporte bietet, aber auch nicht zu hoch, um den Krieg in der Ukraine zu finanzieren. US-Regierungsvertretern zufolge könnten es in etwa 40 bis 60 Dollar pro Fass werden. Russland soll also faktisch dazu gezwungen werden, Öl künftig für einen deutlich niedrigeren Preis zu verkaufen.
Mit der Obergrenze sollte einerseits dafür gesorgt werden, dass Russland nicht länger von Preisanstiegen auf dem Energiemarkt profitiert - es handelt sich also um eine Sanktion. Anderseits sollte sie weltweit zu einer Entspannung auf den Ölmärkten und sinkenden Preisen beitragen. Nicht nur in der EU, sondern auch in den USA sind die hohen Spritpreise derzeit ein großes Thema - und könnten für die regierenden Demokraten des im historischen Vergleich äußerst unbeliebten Joe Biden bei den im Herbst anstehenden Zwischenwahlen zum Problem werden.
Yellens Idee dürfte genau das bleiben - eine Idee. Denn um verwirklicht zu werden, bedarf es einer international abgestimmten Kooperation praktisch aller maßgeblichen Staaten, Ölgesellschaften, Förderländer und Transportfirmen.
Dies ist absolut illusorisch, weil sich gezeigt hat, dass sich die Mehrheit der Staaten weltweit nicht an den gegen Russland gerichteten westlichen Sanktionen beteiligt. Vielmehr versuchen viele maßgebliche Staaten, den Handel mit Russland sogar auszubauen. So forcieren Indien oder Länder im Nahen Osten ihre Energie-Importe aus Russland und Brasilien will in großem Stil russischen Diesel-Treibstoff kaufen.
Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums sagte, Versuche, den Ölpreis zu deckeln, könnten am Ende zum Gegenteil führen. „Diese Pläne sind gegen den Markt gerichtet und riskant.“ Russisches Öl wird bereits mit einem deutlichen Rabatt gegenüber Produkten aus anderen Ölländern gehandelt - trotz Problemen bei der Finanzierung und in der Logistik.
Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Idee Ende Juni als Gastgeber des G7-Gipfels auf dem bayerischen Schloss Elmau folglich als „ein sehr ambitioniertes und sehr voraussetzungsvolles Vorhaben.“ So ist beispielsweise äußerst fraglich, wer die Obergrenze bestimmen darf und auf welcher Grundlage diese berechnet wird.
Hauke Reimer kommentiert in der Wirtschaftswoche:
„Um eine Obergrenze durchzusetzen, muss die Drohung, dass Produzenten bei höheren Preisen auf ihrem Öl sitzen bleiben, glaubwürdig sein. Schon das Angebotskartell der Opec handelt selten geschlossen, ein Kartell der Ölnachfrager, von denen es viel mehr gibt als Anbieter, wird erst recht nicht funktionieren. Nie im Leben wird der Westen alle großen Ölverbraucher der Welt dazu bringen, sich einem Quasi-Boykott teuren Öls anzuschließen.
Wenn nicht mal die Europäische Union es geschafft hat, alle ihre Mitglieder auf einen gemeinsamen Ölboykott einzuschwören, wie soll ein Käuferkartell mit China und Indien gelingen? Sie werden den Förderländern signalisieren, etwas mehr zu zahlen als den vom Westen festgelegten Preis - und werden ihr Öl bekommen. Schon jetzt lenkt Russland seine Ölexporte zunehmend um in Richtung Asien. Zusätzlich ist es wahrscheinlich, dass einige Ölproduzenten ihr Angebot erst mal verknappen, in der Hoffnung auf später wieder höhere Preise.“