Panorama

Vorbild für Europa? Wie Japan nach Fukushima Strom sparen lernte

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima musste Japan sofort Maßnahmen zum Energiesparen ergreifen. Kann das ein Vorbild für Europa sein?
01.08.2022 16:34
Aktualisiert: 01.08.2022 16:34
Lesezeit: 2 min
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Vorbild für Europa? Wie Japan nach Fukushima Strom sparen lernte
Arbeiter in Schutzanzügen arbeiten im Jahr 2018 im Hauptkontrollraum der Reaktoren 3 und 4 im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi. Die japanische Provinz Fukushima war 2011 von einem verheerenden Erdbeben und Tsunami heimgesucht worden. In dem Atomkraftwerk Fukushima Daiichi kam es daraufhin damals zum Super-Gau. (Foto: dpa) Foto: ---

Die japanische Energiekrise nach der Atomkatastrophe von Fukushima könnte Lehren für Europa bieten in Zeiten der knappen Gasbestände. „Die Einstellung vieler Japaner war damals: Wir müssen etwas tun, sonst kommt eine Katastrophe“, sagt Koichiro Tanaka vom japanischen Institut für Energiewirtschaft. Die Folge war eine Fülle von Maßnahmen zum Energiesparen: Einkaufszentren schalteten Rolltreppen ab, Fabriken verkürzten die Fließbandzeiten, und Pachinko-Glücksspielsalons – berühmt für ihre blinkenden Lichter – wurden erst einmal geschlossen.

Der Fukushima-Betreiber Tokyo Electric Power verlor im März 2011 etwa 40 Prozent seiner Stromerzeugungskapazität nach der Kernschmelze in Folge eines Erdbebens und Tsunamis. Unmittelbar nach dem Unfall kündigte er den ersten planmäßigen Stromausfall und Unterbrechungen der Stromversorgung in Japans Hauptstadt an. Energiesparen in Japan wurde zu einem nationalen Projekt – dem „Setsuden“. Dabei spielte auch sozialer Druck – wie bei der Einhaltung der Maskenpflicht während der Corona-Pandemie – eine Rolle.

Im Mai forderte die Regierung dann die Bürger und Unternehmen in Tokio und dem Norden des Landes auf, den Stromverbrauch zu Spitzenzeiten um 15 Prozent zu drosseln. Die meisten japanischen Unternehmen wechselten allerdings schon sofort nach der Katastrophe in den Sparmodus und schalteten Lichter sowie Aufzüge aus. Das Umweltministerium strebte später eine noch stärkere Reduzierung um 25 Prozent an. Die Mitarbeiter sollten beispielsweise mehr als die Hälfte der Drucker herunterfahren und ihre eigenen Kaltgetränke mitbringen, damit man die Verkaufsautomaten abschalten konnte. Manager stellten die Thermostate um und baten ihre Mitarbeiter, die „Cool Biz“-Kampagne der Regierung zu befolgen und im Sommer leichtere Kleidung zu tragen.

„Es gibt nur uns“

Auch in anderen Lebensbereichen griff „Setsuden“ um sich. Professionelle Baseball- und Fußballmannschaften verlegten ihre Nachtspiele auf den Nachmittag, um den Bedarf an Beleuchtung zu senken. Der Autobauer Nissan Motor änderte die Schichtzeiten in seinen Fabriken, um das Stromnetz in den Spitzenzeiten zu entlasten, und die Supermarktkette Lawson stellte auf LED-Glühbirnen um und installierte Solarmodule in vielen Geschäften. Das Bruttoinlandsprodukt Japans ging zwar während des Unfallquartals um 0,9 Prozent zurück, blieb aber für den Rest des Jahres 2011 stabil.

Die Maßnahmen fanden in einem Land statt, das bis dahin sehr auf Atomkraft gesetzt hatte. Hier wandelt sich die öffentliche Meinung: Bis Ende 2013 wurden die 54 japanischen AKWs vom Netz genommen, die bis dahin etwa ein Viertel des Strombedarfs gedeckt hatten. Einige dieser Reaktoren sind inzwischen wieder angefahren worden. Es gab auch andere Probleme, erklärt Tanaka. Sogar die Stromverteilung zwischen den östlichen und westlichen Teilen des Landes sei schwierig wegen der unterschiedlichen Spannungsnormen. „Da die Europäer durch ihre Stromnetze miteinander verbunden sind, haben sie vielleicht noch das Gefühl, Hilfe kommt immer von irgendwoher“, sagt er. „Hier in Japan haben wir diesen Luxus nicht. Es gibt nur uns.“

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