Seit Juni ist die Zahl der Herzinfarkte in Japan stark angestiegen. So wurden in der Woche vom 27. Juni bis zum 3. Juli insgesamt 14.353 Fälle verzeichnet, mehr als dreimal so viel wie in der Vorwoche und mehr als zehnmal so viel wie in den Wochen davor, wie Bloomberg berichtet.
Die Versicherer haben darauf reagiert. Sompo Holdings und Sumitomo Life Insurance, zwei der größten japanischen Versicherer, bieten nun Policen an, die speziell für die Deckung der medizinischen Kosten konzipiert sind, die sich aus Herzinfarkten ergeben.
Bloomberg begründet den Anstieg der Herzinfarkte mit dem Wetter: "Japan ist von dem brutalen Sommer, der die nördliche Hemisphäre heimsucht, nicht verschont geblieben. Im Juni - einem Monat, der normalerweise für eine relativ kühle Regenzeit bekannt ist - überstiegen die Temperaturen in Tokio an sechs aufeinander folgenden Tagen die 35-Grad-Marke."
Bereits im April hat Sumitomo Life eine Versicherung gegen Hitzschlag eingeführt, die nur 100 Yen (73 Cent) für einen Tag kostet. Wenn die Versicherung vor 9 Uhr morgens abgeschlossen wird, kann sie ab 10 Uhr des gleichen Tages in Kraft treten und deckt Krankenhausaufenthalte und andere durch Hitze und Sonne verursachte medizinische Kosten ab.
Nach Angaben eines Unternehmenssprechers ist dies die erste Versicherung dieser Art in der japanischen Branche. Die Zahl der bei Sumitomo Life verkauften Versicherungspolicen gegen Hitzschlag stieg am 29. Juni sprunghaft auf etwa 6.900 an, verglichen mit einem Maximum von etwa 400 pro Tag davor, wie die Zeitung Yomiuri letzten Monat berichtete.
Hitzeschlagversicherung
Die im Juli eingeführte Hitzschlagversicherung von Sompo zahlt Leistungen im Zusammenhang mit Krankenhausaufenthalten, chirurgischen Eingriffen und sogar Todesfällen, die durch Sonnen- oder Hitzeeinwirkung verursacht werden, sagt das Unternehmen in einer Erklärung.
Ursprünglich war die Versicherung nur für Kinder erhältlich, aber aufgrund des steigenden Hitzeschlagrisikos durch häufigere Hitzewellen und das Tragen von Masken infolge der Pandemie hat das Unternehmen das Produkt für eine breitere Altersgruppe zugänglich gemacht, so eine Sprecherin. Die Nachfrage nach dem Plan sei größer als erwartet gewesen.
"Diese Policen sind nicht dazu gedacht, rentabel zu sein", sagte Steven Lam, Analyst bei Bloomberg Intelligence. Vielmehr gehe es darum, auf diese Weise neue Kunden zu binden. "Wenn die Erfahrungen mit der Schadensregulierung insgesamt gut sind, könnte dies zu anderen Verkaufsmöglichkeiten führen", so Lam.
Auch Leo Lewis macht in der Financial Times das Wetter für den starken Anstieg der Herzinfarkte verantwortlich. Die diesjährige Regenzeit sei die kürzeste seit Beginn vergleichbarer Aufzeichnungen im Jahr 1951 gewesen. Für Juni hätten 37 Prozent der Beobachtungsstationen der japanischen Meteorologiebehörde Rekordwerte gemeldet.
Im Juni wurde eine Rekordzahl von 15.657 Menschen mit Hitzschlag oder Hitzeerschöpfung ins Krankenhaus eingeliefert, doppelt so viele wie auf dem bisherigen Höchststand vor etwas mehr als einem Jahrzehnt, so Lewis. Seit dem 1. Juli sparen Haushalte und Unternehmen Energie, um Stromausfälle zu vermeiden.
Schon 2018 wurden in einem Regierungsbericht Bereiche genannt, in denen der Klimawandel Japan besonders hart treffen würde. In nicht allzu ferner Zukunft sei mit "massiven Schäden" in Produktion, Handel und Baugewerbe zu rechnen, ebenso wie mit einem langfristigen Anstieg hitzebedingter Krankheiten.
Die Hitzschlagversicherung betrachtet Lewis als eine "pfiffige Innovation". Fünf der größten japanischen Versicherungskonzerne bieten diese schon seit April an. Unter den Versicherungsnehmern seien viele Eltern, die vor Sportveranstaltungen und anderen Ereignissen, bei denen Kinder häufig umkippen, Policen kaufen.
In erster Linie wurde das Produkt aber für Personen über 65 Jahren gekauft. Dies Gruppe macht heute 29,1 Prozent der japanischen Bevölkerung aus. "Allein dieses Verhältnis zeigt das Ausmaß des Problems, mit dem Japan konfrontiert ist, da die Sommer immer heißer und die Einwohner immer anfälliger werden", schreibt Lewis.
Aber diese demografischen Daten allein erklären seiner Ansicht nach nicht die Geschwindigkeit, mit der die Hitzschlagversicherung in Anspruch genommen wird. Das Problem sei vielmehr, dass mehr als 9 Millionen eigentlichen Rentner immer noch arbeiten. "Oft im Freien und oft in Uniform", so Lewis
Im Jahr 2011 arbeiteten 36 Prozent der 65- bis 69-Jährigen und 23 Prozent der 70- bis 74-Jährigen noch, wobei viele von ihnen wahrscheinlich befürchteten, dass ihre Rente keine ausreichende Garantie für ein menschenwürdiges Leben darstellt. Bis zum vergangenen Jahr sind diese Anteile auf 50 Prozent beziehungsweise auf 32 Prozent gestiegen.
"Dies sind die Menschen, die wissen - oder deren nervöse Kinder wissen - dass sie einem Hitzschlagrisiko ausgesetzt sind, auch wenn sie sich einreden, dass sie zur Mittelschicht einer der reichsten Nationen der Welt gehören", schreibt Lewis und sieht die Entwicklung in Japan als Warnung für den Rest der Welt.