Politik

Wahlkampf in Italien: „Gott, Vaterland und Familie“

Lesezeit: 3 min
09.08.2022 16:57  Aktualisiert: 09.08.2022 16:57
In Italien hat mittlerweile nach dem Sturz der Regierung von Mario Draghi der Wahlkampf begonnen. Schon jetzt zeigt sich, dass schwere Geschütze aufgefahren werden.
Wahlkampf in Italien: „Gott, Vaterland und Familie“
Verstehen sich: Die Parteivorsitzende der neofaschistischen Partei Fratelli d`Italia Giorgia Meloni und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Von Cicero und religiösen Lippen-Bekenntnissen für populistische Zwecke: Während internationale Beobachter und Analysten immer noch darüber rätseln, warum die Regierung Draghi von drei mitregierenden Parteien gestürzt wurde, obwohl das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal dieses Jahres immerhin um einen Prozentsatz gegenüber dem ersten Quartal anstieg, hat der italienische Wahlkampf für die Parlamentswahlen am 25. September bereits begonnen.

Typisch dabei: Nach nur fünf Tagen ist eine gemeinsame Koalition im Mitte-links Spektrum zwischen der demokratischen Partei Partito Democratico (Pd) von Ex-Premier Enrico Letta und der Partei Azione von Carlo Calenda, der derzeit im europäischen Parlament sitzt, schon wieder Geschichte.

Der ehemalige Minister für wirtschaftliche Entwicklung Calenda will nun das Gespräch mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Matteo Renzi und seiner im September 2019 gegründeten Partei Italia Viva suchen. Die Frage, ob nun derartige politische Auf- und Absprünge seriös sind, scheint sich dabei niemand zu stellen.

Schwerpunkte einzelner Parteien

Da sind sich die Parteien des Mitte-rechts Bündnisses schon eher einig. Allesamt fahren sie schwere populistische Geschütze auf. Allen voran, die Vorsitzende der neufaschistischen Partei Fratelli d´Italia, aber auch Matteo Salvini, Parteivorsitzender der Lega und Silvio Berlusconi und seine Partei Forza Italia wissen genau, welche emotionalen Tasten sie zu drücken haben, um bei ihren potenziellen Wählern Gehör zu finden.

Wenn man in ihren Twitter-Accounts stöbert, so kristallisieren sich bereits in den Anfängen der Wahlkampagne ihre Schwerpunkte heraus. So setzt Giorgia Meloni in erster Linie auf die Begriffe Italien und die Italiener, Matteo Salvinis Gedanken finden vor allem in den Worten Sicherheit und illegale Einwanderung ihren Ausdruck. Während Silvio Berlusconis Ansprache - selbst im fortgeschrittenen Alter von fast 86 Jahren ein nicht zu bändigendes Chamäleon - in erster Linie den Senioren, den Omas und Müttern Italiens gilt.

Mit dem Versprechen, die Mindestrente für alle Rentner auf 1.000 Euro anzuheben und für Unternehmen und Arbeitnehmer einen einstufigen Steuersatz von 23 Prozent einzuführen. Allerdings: Salvini packt da noch einen obendrauf, und erklärt für Arbeitnehmer gar nur einen einstufigen Steuersatz von 15 Prozent verlangen zu wollen.

Im Grunde nichts Neues. Es war zu erwarten, dass die Mitte-rechts-Parteien mit großen Beteuerungen die Werbetrommel schlagen würden. Unabhängig davon, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen vorhanden sind, solche ambitionierten Projekte auch durchzuführen.

Aber besonders tief in die Trickkiste greift Giorgia Meloni, die Vorsitzende von Fratelli d `Italia, die sich selbst als die zukünftige Ministerpräsidentin Italiens sieht.

Ein Slogan aus der Vergangenheit

Dabei beschwört sie die Wurzeln ihrer Politik in Ciceros „pro Aris et Focis“, was so viel bedeutet, wie „für Gott und das Vaterland.“ Sie selbst sieht sich als eine Hüterin christlicher Werte, mit Gott, Vaterland und der Familie als die tragenden Pfeiler der westlichen Zivilisation. Und bezieht sich dabei auf einen 1931 vom damaligen Generalsekretär der Faschistischen Partei Giovanni Giuriati geprägten Slogan, der sich damals an militante Jugendliche der Partei richtete, um für Werte wie Ordnung, Disziplin, Gehorsam und der Opferbereitschaft gegenüber dem eigenen Land und seinen Führer zu werben. Mit der Familie als den Kern der Fortpflanzung.

Bei aller Liebe für traditionelle Werte, ist es ein gefährlicher Rückfall in eine faschistische Ideologie, die wie ein Wolf im Schafspelz daherkommt, und sich alles reißt, was sich eine moderne Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten an Rechten erkämpft hat. Sie richtet sich letztendlich gegen eine tolerante Gesellschaft in deren Reihen unter anderem das dritte Geschlecht, gleichgeschlechtliche Partnerschaften oder ethnische Minderheiten auch ihre Heimat finden können.

Noch aber reicht es nach den jüngsten Umfragen für das Mitte-rechts-Bündnis nicht, um im Parlament mit ihren derzeit rund 48 Prozent eine absolute Mehrheit zu erzielen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Italiener nach Christi Himmelfahrt am 15. August, der Tag kennzeichnet auch den Wendepunkt des Sommers, mit einem kühlen Kopf aus ihrem Urlaub zurückkehren und auf eine fortschrittliche Politik setzen, die die wirtschaftlichen Probleme des Landes pragmatisch und nüchtern anpackt. Und imstande ist, der Komplexität der heutigen Gesellschaft Rechnung zu tragen, ohne eines der dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte heraufzubeschwören oder bestimmte gesellschaftliche Gruppen auszugrenzen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik Steinmeier unter Feuer: Kontroverse um Ukraine-Hilfen und Taurus-Lieferungen
30.04.2024

Bundespräsident Steinmeier steht wegen seiner Aussagen zur Ukraine-Hilfe in der Kritik. Politiker werfen ihm vor, seine Rolle nicht...

DWN
Unternehmen
Unternehmen SAP Stellenabbau: Abfindungsangebote stehen, 2600 Jobs sollen wegfallen
30.04.2024

Im Rahmen der weltweiten Umstrukturierung von SAP sollen 2600 Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut werden. Nun wurden...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Ukraine-Krieg: So ist die Lage
30.04.2024

Ukraine ruft nach dringender Militärhilfe, während tägliche Raketenangriffe weiterhin zivile Opfer fordern. Selenskyj und Stoltenberg...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Massenprotest bei Thyssenkrupp: Beschäftigte fordern Arbeitsplatzerhalt
30.04.2024

Bei Deutschlands größtem Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel ist viel im Umbruch. Arbeitnehmervertreter fordern Standortgarantien und...

DWN
Immobilien
Immobilien Vonovia dreht das Blatt: Gewinn nach Milliardenverlust
30.04.2024

Nach einem harten Jahr meldet Deutschlands Immobiliengigant Vonovia einen beeindruckenden Gewinn – ein Wendepunkt. Seine Aktie springt...

DWN
Finanzen
Finanzen Einzelhandel erlebt Umsatzsprung: Hoffnung auf Konsumaufschwung wächst
30.04.2024

Deutschlands Einzelhandel verzeichnet den stärksten Umsatzanstieg seit über zwei Jahren, mit realen Zuwächsen und positiven Aussichten...

DWN
Technologie
Technologie Rakete eines deutschen Start-ups soll in den nächsten Tagen ins Weltall starten
30.04.2024

Elon Musk hat auch klein angefangen: Erstmals seit Jahrzehnten soll nun eine kommerzielle Trägerrakete eines deutschen Unternehmens...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschlands Wirtschaft trotzt Erwartungen: Wachstum statt Rezession im ersten Quartal
30.04.2024

Deutschlands Wirtschaft wächst trotz düsterer Prognosen: 0,2 Prozent Wachstum im ersten Quartal. Auch der Einzelhandel gibt Anlass zur...