Der russische Energieriese Gazprom liefert bis auf weiteres kein Gas mehr über die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Deutschland und in andere europäische Staaten.
Grund sei, dass bei Wartungsarbeiten ein Öl-Leck entdeckt wurde, teilte das mehrheitlich dem Staat gehörende Unternehmen am Freitagabend mit. Eine Gasturbine könne wegen des Schadens nicht sicher betrieben werden. Die Pumpen in der Verdichterstation Portowaja seien daher gestoppt worden, es werde kein Gas mehr zur Pipeline Nord Stream 1 transportiert.
Angaben über die Dauer des Ausfalls machte Gazprom zunächst nicht. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, die Versorgungssicherheit sei gewährleistet.
Die deutsche Firma Siemens Energy, die Turbinen an Gazprom geliefert hat, teilte zu den vom russischen Konzern monierten Defekten mit: "Als Hersteller der Turbinen können wir lediglich feststellen, dass ein derartiger Befund keinen technischen Grund für eine Einstellung des Betriebs darstellt." Leckagen beinträchtigten im Normalfall den Betrieb einer Turbine nicht. "Unabhängig davon, haben wir bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass in der Verdichterstation Portowaja genügend weitere Turbinen für einen Betrieb von Nord Stream 1 zur Verfügung stehen", erklärte das Unternehmen.
Eigentlich sollte der Gastransport nach einer dreitägigen Wartungspause am Samstag wieder aufgenommen werden. Dies hatten zwei Insider Reuters noch am Freitag bestätigt. Russland hatte den Betrieb der Pipeline schon zum zweiten Mal für Reparaturarbeiten gestoppt. Im Juni waren die Gaslieferungen über die Ostsee-Pipeline auf 40 Prozent und im Juli auf 20 Prozent der Kapazität verringert worden. Russland begründet diese Schritte mit Wartungsproblemen und Sanktionen, die der Westen gegen das Land wegen des Einmarschs in die Ukraine verhängt hat.
Der Westen wirft der Führung in Moskau dagegen vor, die Gasversorgung als Kriegswaffe einzusetzen. Wegen der Unsicherheit über die Gasversorgung hat die Bundesregierung die Füllung der Gasspeicher durch alternative Lieferanten forciert und die Bevölkerung zum Energiesparen aufgerufen.
"Die Unzuverlässigkeit Russlands haben wir in den vergangenen Wochen bereits gesehen und entsprechend haben wir unsere Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit von russischen Energieimporten unbeirrt und konsequent fortgesetzt", erklärte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. "Dadurch sind wir jetzt wesentlich besser gerüstet als noch vor einigen Monaten." Es seien weiter große Anstrengungen nötig, "aber wir sind auf einem guten Weg, um die Lage zu bewältigen."
BUNDESNETZAGENTUR - JETZT KOMMT ES AUF JEDEN AN
Angesichts der russischen Entscheidung, vorerst kein Gas über Nord Stream 1 fließen zu lassen, gewinnen die Bemühungen Deutschlands nach der Einschätzung von Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller an Bedeutung. Gut sei, dass Deutschland inzwischen besser vorbereitet sei, twitterte er. "Jetzt kommt es aber auf jede/n an".
Der Streit über Sanktionen hatte sich vor der Ankündigung von Gazprom, die Gas-Lieferungen über die Ostseepipeline zunächst nicht wieder aufzunehmen, zugespitzt. Die sieben führenden Industrienationen (G7) kündigten am Freitag eine Preisobergrenze für russisches Öl an. Im Abschlussdokument zu den virtuellen Beratungen der G7-Finanzminister wurde allerdings noch keine genaue Höhe dafür genannt und auch kein Zeitplan. Russland hatte umgehend mit Vergeltungsmaßnahmen und einer Destabilisierung der Energiemärkte gedroht.
Die Lieferkürzungen Russlands haben mit dazu beigetragen, dass die Gaspreise in die Höhe geschossen sind. Importeure wie der Düsseldorfer Uniper-Konzern können nur mit Milliardenhilfen des Staates für Ersatz sorgen. Haushaltskunden drohen Rechnungen, die um ein vielfaches höher sind als zuletzt. Die Sorge ist groß, dass Russland die Lage noch weiter verschärft und Gaslieferungen für längere Zeit komplett einstellt. Schon jetzt haben die hohen Energiepreise wesentlich dafür gesorgt, dass die Inflation in Deutschland auf den höchsten Stand seit fast 50 Jahren gestiegen ist.
UPDATE 09.30 Uhr - Der russische Gasriese Gazprom kündigt an, am Samstag 42,7 Millionen Kubikmeter Erdgas durch eine Pipeline, die über die Ukraine führt, nach Europa zu pumpen. Am Freitag waren an der Einfüll-Stelle Sudscha 41,3 Millionen Kubikmeter Gas registriert worden, die durch die Pipeline geliefert wurden. (rtr)