Unterregulierte und übermächtige Banken schwächen die globale Wirtschaft und führen zu größerem Ungleichgewicht, warnt der Nobelpreisträger und ehemalige Chefökonom der Weltbank Joseph Stieglitz. Wie man bei dem derzeitigen Libor-Skandal sieht, in die unter anderem die britischen Banken Barclays und die Royal Bank of Scotland verwickelt sind, ist die Reform der Finanzmärkte das dringendste Problem der Weltwirtschaft.
„Ein Großteil des Ungleichgewichts, insbesondere an der Spitze, kommt nicht von Leuten, die die Größe des Kuchens erweitern, so dass unsere Wirtschaft besser wird“, sagte Joseph Stieglitz in einem Interview mit dem US-Sender CNBC: „Es kommt von denen, die wir Rent-seeking nennen, die ein größeres Stück des Kuchens durch Handlungen nehmen, die eigentlich unsere Wirtschaft schwächen.“ Als Rent-Seekung wird dasjenige Verhalten von Marktakteuren bezeichnet, das darauf abzielt, über den Einsatz von Ressourcen wie Geld die Staatsgewalt so zu beeinflussen, dass der Marktakteur zusätzliche Geschäfte machen kann. Aus ökonomischer Sicht werden diese eingesetzten Ressourcen verschwendet, da nicht die gesamte Konsumenten- und Produzentenrente wächst, sondern auf Kosten des Konsumenten nur die Rente des Produzenten.
Joseph Stieglitz betont, dass es einer „viel stärkeren“ Reform der Finanzmarkt-Regulierung bedarf. Mittels der man die Branche zwingt, sich auf die Kernaufgabe, die Kreditvergabe, zu konzentrieren. Man sollte den Banken sagen, „Sie können nicht in die spekulative Art der Aktivitäten investieren, das ist nicht Ihr Geschäft“, so Stieglitz. Übermächtige Banken verzerren nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Politik. Auch die Aufhebung des US-Glass-Steagal Acts, also die wirkungsvolle Trennung von Investment-Banking-Aktivitäten und Geschäftsbank-Aktivitäten, war durch Lobby-Arbeit des Finanzsektors gelungen, erklärt der Nobelpreisträger. „Sie verloren eine Menge Geld auf ihre eigentlichen finanziellen Investitionen, aber ihre politische Investition“ habe sich wirklich gelohnt. Zwar „nicht für die Aktionäre und Anleihegläubiger, aber für die Bank-Manager, denen es in den letzten Jahren sehr gut ging ", fügte Stieglitz hinzu.
Ohne Reform des Finanzsektors werden die europäische Wirtschaft und die Weltwirtschaft in fünf bis zehn Jahren schwach sein, so Stieglitz. „Wenn wir den aktuellen Kurs fortsetzen, (…) wird es größere Ungleichheit geben und wir werden einen sehr hohen Preis für diese Ungleichheit zahlen“. Nicht nur werde es der Wirtschaft schaden, sondern auch die „Politik werde im Ungleichgewicht sein, mit einem Finanzsektor, der sowohl unsere Wirtschaft als auch unsere Demokratie deformiert“, warnte er.