Politik

Frankreich: Hollande will öffentliche Finanzen durch höhere Steuern sanieren

Lesezeit: 2 min
02.07.2012 11:23
Um das diesjährige Defizitziel zu erreichen, will der französische Präsident deutlich die Steuern erhöhen und zieht damit den Zorn der Unternehmen und Reichen auf sich. Gleichzeitig will er 65.000 neue Beamte einstellen. Den Vorstellungen der EU-Kommission entspricht das allerdings nicht.
Frankreich: Hollande will öffentliche Finanzen durch höhere Steuern sanieren

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Der französische Präsident Francois Hollande fühlt sich nach den Ergebnissen des EU-Gipfels als klarer Sieger gegenüber Merkel. Er war nicht wie Nicolas Sarkozy versucht, Schulter an Schulter mit der Kanzlerin aufzutreten. Das ist kein Wunder, schließlich muss er den Franzosen einen starken, durchsetzungsfähigen Präsidenten präsentieren, um die dringend notwendige Sanierung des eigenen Haushalts umsetzen zu können. Doch die Art und Weise, wie die französische Regierung dies zu tun gedenkt, ist höchst fragwürdig – und zwar nicht nur unter den besser betuchten Franzosen.

Die Verschuldung des Landes stieg im ersten Quartal um 72,4 Milliarden Euro auf 89,3 Prozent des BIP. Und am Sonntagabend teilte der französische Finanzminister Pierre Moscovici mit, dass die Regierung ihre Wachstumsprognosen von 0,7 auf 0,4 Prozent in diesem Jahr und von 1,7 auf 1 bis 1,3 Prozent im kommenden Jahr gesenkt hat. Angesichts dieser Entwicklung könnte Frankreich das nächste Land in der Schusslinie der Finanzmärkte sein – vor allem mit Blick auf das Engagement französischer Banken in Italien und Spanien. Dies im Hinterkopf kann Francois Hollande das Zugeständnis Angela Merkel zur direkten Rekapitalisierung der Banken durch den ESM und den Kauf von Anleihen über den ESM nur recht sein.

Bis zu 10 Milliarden Euro muss die französische Regierung noch in diesem Jahr einsparen um das Defizitziel von 4,5 Prozent zu erreichen. Der Nachtragshaushalt, der die Wege dorthin aufzeigen soll, wird für Mittwoch erwartet. „Es ist der Moment, um die großen Strukturreformen, die Frankreich benötigt, durchzusetzen“, sagte der neue Premier Jean-Marc Ayrault der Zeitung Journal du Dimanche. „Wir werden nicht drei Jahre warten, um das zu tun“.

Die geplanten Maßnahmen zur Stopfung des Finanzlochs sind jedoch alles andere als allgemein willkommen. Die französische Regierung will eine Reihe von Steuererhöhungen durchsetzen, die vor allem die großen Unternehmen und die reichen Franzosen treffen sollen. So soll es eine dreiprozentige Steuer auf Dividenden geben, eine Erhöhung der Vermögens- und Erbschaftssteuer, höhere Sozialabgaben auf Boni und beispielsweise extra Steuern für Banken. Gleichzeitig jedoch erhöhte die Regierung den Mindestlohn für bestimmte Branchen. Darüber hinaus will Francois Hollande notwendige Stellenkürzungen bei Beamten in einigen Branchen durch Neueinstellungen in der Justiz, bei der Sicherheit und der Bildung ausgleichen – ein interessanter Weg der Ausgabenkürzung. 65.000 Neueinstellungen sollen in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden.

Den Vorstellungen zur Ausgabenkürzung und Umsetzung von erforderlichen Strukturreformen der Europäischen Kommission entsprechen diese Maßnahmen in jedem Falle nicht. Vielmehr verlangt die Kommission von Frankreich, die hohen Arbeitskosten zu senken und die stark regulierten Arbeits- und Produktmärkte zu liberalisieren. Eine Erhöhung der Steuer und des Mindestlohns, die Neueinstellungen in staatlichen Organisationen und eine Stärkung der Arbeitnehmerrechte, wie sie die französischen Minister vorantreiben wollen, dürfte Konfliktmaterial bereit halten.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Panorama
Panorama Vollgas in die Hölle: Arzt gab sich als Islamkritiker und Musk-Fan - wirr, widersprüchlich!
21.12.2024

Er galt bei den Behörden nicht als Islamist, präsentierte sich als scharfer Kritiker des Islams. Er kämpfte für Frauenrechte und...

DWN
Panorama
Panorama Magdeburg: Anschlag auf Weihnachtsmarkt - fünf Tote, 200 Verletzte - Verdächtiger ist verwirrter Islam-Gegner
21.12.2024

Einen Tag nach der tödlichen Attacke auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg sitzt der Schock tief. Erste Details zum Tatverdächtigen werden...

DWN
Immobilien
Immobilien Grundsteuer 2025: Alles rund um die Neuerung
21.12.2024

Ab Januar 2025 kommt die neue Grundsteuer in Deutschland zum Einsatz. Viele Hausbesitzer und künftige Käufer sind besorgt. Und das...

DWN
Immobilien
Immobilien Förderung jetzt auch für Kauf denkmalgeschützter Häuser
21.12.2024

Wer ein altes Haus kauft und klimafreundlich saniert, bekommt oft Hilfe vom Staat. Das gilt künftig auch für Denkmäler.

DWN
Politik
Politik So wollen die Schweiz und die EU enger zusammenarbeiten
21.12.2024

Die Schweiz ist nicht in der EU, aber es gibt etliche Abkommen. Doch die sind teils veraltet. Das soll sich nun ändern. Was bedeutet das...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Eine Erinnerung an ausreichend Risikokontrolle
21.12.2024

Die vergangene Woche brachte einen deutlichen Ausverkauf an den Aktienmärkten, der von Experten als gesunde Entwicklung gewertet wird....

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Kampf gegen Monopole: Europas Schlüsselrolle im Kampf gegen Big Tech und für den Klimaschutz
21.12.2024

Teresa Ribera steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Die sozialistische Vizepremierministerin Spaniens wurde im September von der...

DWN
Finanzen
Finanzen Nach Trumps missglücktem Finanztrick: Stillstand der US-Regierung doch noch abgewendet
21.12.2024

Der US-Kongress hat einen drohenden Stillstand der Regierungsgeschäfte im letzten Moment abgewendet. Nach dem Repräsentantenhaus...