Deutschland

Große Koalition hebelt Grundgesetz aus: Super-Ausschuss statt Regierung

Lesezeit: 1 min
21.11.2013 17:47
Noch nie hat die Bildung einer Regierung in der Bundesrepublik so lange gedauert. SPD und Union verweigern die Einrichtung der regulären Ausschüsse des Bundestags. Statt dessen ersetzen sie die verfassungsmäßigen Gremien durch einen so genannten Super-Ausschuss. Dieses Vorgehen ist im Grundgesetz nicht vorgesehen.
Große Koalition hebelt Grundgesetz aus: Super-Ausschuss statt Regierung

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Politik  

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wird ein provisorischer so genannter Super-Ausschuss eingerichtet. Er soll alle anderen Fachausschüsse des Bundestags ersetzen, bis sich Union und SPD darüber geeinigt haben, wer in der künftigen Regierung welches Ministerium bekommt. Noch nie hat eine Regierungsbildung in der Bundesrepublik so lange gedauert.

Am Donnerstag nächster Woche soll der Super-Ausschuss eingesetzt werden. Etwa 40 Politiker aller Parteien des Parlaments sollen in das Gremium einziehen. Die Idee dazu kam von Union und SPD. „Der jetzt gefundene Weg erscheint mir ein vertretbarer und auch zumutbarer“, zitiert Die Welt Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).

Seit Juni ist der Bundestag nur zu seiner konstituierenden Sitzung nach der Bundestagwahl und zu Sondersitzungen zusammengekommen. Die übliche Parlamentsarbeit ist nicht möglich.

Acht Wochen nach der Bundestagwahl gibt es noch immer keine neue Regierung. Daher werden auch die Fachausschüsse nicht berufen. Einzige Ausnahme ist das parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste, das in seiner bisherigen Form bestehen bleibt.

In den mehr als 20 Ausschüssen des Bundestags prüfen Fachpolitiker Gesetzesvorlagen und geben dann dem Plenum üblicherweise eine Abstimmungsempfehlung. Da der künftige Ministerien-Zuschnitt aber noch nicht klar ist, haben Union und SPD die Berufung von Fachausschüssen bisher verhindert.

Der Super-Ausschuss soll zunächst bis zum Jahreswechsel arbeiten. Die Wiederwahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin wird für den 17. Dezember erwartet. Der reguläre Parlamentsbetrieb in den Fachausschüssen wird voraussichtlich erst Anfang Januar starten.

Der Linken-Fraktionschef und künftige Oppositionsführer Gregor Gysi kritisierte das Vorgehen von Union und SPD. Die Wähler hätten „ein Recht darauf, dass ihre Volksvertretung arbeitet“, zitiert ihn die SZ.

Am Montag scheiterte die Linkspartei mit einem Antrag auf Einsetzung von neun Bundestagsausschüssen, berichtet Abgeordnetenwatch. Union und SPD stimmten dagegen.

Da es keine Ausschüsse gibt, steckt etwa der Antrag der Grünen über die Aufnahme von Edward Snowden in Deutschland fest. Rund 7.500 Petitionen von Bürgern warten auf Bearbeitung. Denn es gibt derzeit keinen Petitionsausschuss, der sich darum kümmern könnte.

Doch auch ohne funktionierende Ausschüsse kann der Bundestag Entscheidungen treffen. Über die Einführung von je einem zweiten Vizepräsidentenposten wurde ohne Verzögerung abgestimmt.

Einen Super-Ausschuss kennt weder das Grundgesetz noch die Geschäftsordnung des Bundestags. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, sagte, Union und SPD machten „das Parlament zum Abnick-Verein, statt ordentliche parlamentarische Beratung zu ermöglichen“. Statt des Super-Ausschuss müsse „mindestens die im Grundgesetz vorgesehenen Ausschüsse“ eingesetzt werden.

Union und SPD verfügen im Bundestag über 80 Prozent der Mandate.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Russlands hohe Öl-Exporte riskieren Streit mit OPEC
07.06.2023

Russland hat eigentlich eine Drosselung seiner Rohöl-Förderung angekündigt. Doch die Exporte auf dem Seeweg sind weiter stark. Nun...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitaler Euro: Rechtsrahmen steht noch in diesem Monat
07.06.2023

Die Einführung eines digitalen Euro nimmt immer mehr an Fahrt auf. Dabei will die Europäische Kommission noch in diesem Monat Vorschläge...

DWN
Politik
Politik EU-Kommission geht gegen neues polnisches Gesetz vor
07.06.2023

Der Ton aus Brüssel nach Warschau wird schärfer. Die EU-Kommission will nun gegen ein neues Gesetz in Polen vorgehen.

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank-Vorstand: Europa hat bei Digitalgeld-Projekt die Nase vorn
07.06.2023

Laut Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling hat Europa bei der Einführung einer digitalen Währung einen Vorsprung vor China und den USA....

DWN
Politik
Politik Dublin-Abkommen vor dem Aus: EU plant verschärfte Regeln für Asylbewerber
07.06.2023

Am Donnerstag sollen die EU-Innenminister in der Frage der strittigen Reform des EU-Asylsystems zusammenkommen. Noch kurz vor den...

DWN
Politik
Politik „Air Defender 2023“: Nato startet größtes Luft-Manöver seiner Geschichte
07.06.2023

Das westliche Militärbündnis startet das größte Luftmanöver seiner Geschichte. Deutschland fällt dabei eine Schlüsselrolle zu.

DWN
Politik
Politik ARD-Chef Gniffke: „Wir werden für eine Erhöhung der Rundfunkbeiträge kämpfen“
06.06.2023

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk will den Beitrag ab 2024 erhöhen – trotz Gesamteinnahmen von über 8 Milliarden Euro im Jahr....

DWN
Immobilien
Immobilien US-Banken verkaufen eilig Gewerbeimmobilien-Kredite
06.06.2023

Auch wenn Kreditnehmer ihre Rückzahlungen pünktlich geleistet haben, wollen große US-Banken Hunderte von Millionen Dollar an...