Seit einer Woche wird in London vor dem High Court der Fall JP Morgan gegen die Berliner Verkehrsbetriebe verhandelt. Über 200 Millionen Dollar schuldet die BVG der Bank, will diese aber nicht zahlen. Aus den Gerichtsakten geht hervor, dass die BVG sich keiner Schuld bewusst ist. Vielmehr seien JP Morgan und die Anwaltskanzlei Cliffors Chance an allem Schuld. JP Morgan „wusste“ bzw. „hätte wissen müssen“, als sie damals den Deal mit der BVG machte, dass eine deutsche Verkehrsbehörde „in der Welt der komplexen Kreditderivate naiv sei“, zitiert die FT die Berliner Verkehrsbetriebe aus den Gerichtsdokumenten. Der Investmentbank „war es klar, dass die BVG grundlegende Aspekte der Transaktion nicht verstanden hatte“ und, dass der damals bei der BVG zuständige Matthias Meier „den Verlustausfall der Transaktion grundlegend falsch verstanden hatte“, so die BVG weiter. „Die von JP Morgan der BVG gegebenen Präsentationen waren in einer Reihe von Punkten irreführend, das wusste JP Morgan“, heißt es weiter in den Gerichtserläuterungen der Berliner Verkehrsbetriebe.
Kanzlei als Schuldiger
Unter anderem hatte die BVG mit JP Morgan vereinbart, der US-Bank 220 Millionen Dollar zu zahlen, falls bestimmte Drittunternehmen in Zahlungsverzug geraten sollten. Für diese Absicherung hatte JP Morgan der BVG 7,8 Millionen Dollar gezahlt. Nach der Finanzkrise 2008 gerieten tatsächlich einige der Drittunternehmen in Zahlungsverzug. Die BVG weigert sich jedoch, die Forderungen JP Morgans zu erfüllen (hier).
JP Morgan hingegen bestreitet die Vorwürfe der BVG und behauptet, die BVG suche schon seit jeher nach einem Schuldigen. Neben JP Morgan steht auch die Anwaltskanzlei Clifford Chance von Seiten der Berliner Verkehrsbetriebe unter Beschuss – die BVG hatte Clifford Chance als Drittbeklagte in das neue Verfahren hineingezogen. „Wir sind der Auffassung, dass die BVG uns nicht als Drittbeklagte in diesem Verfahren hätte benennen dürfen“, sagte die Sprecherin von Clifford Chance den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. „Wir glauben, dass die Ansprüche gegen uns auf falschen Annahmen beruhen und völlig unbegründet sind.“ Man sei nicht für die BVG tätig gewesen, sondern habe „ein Drittgutachten im Auftrag unseres langjährigen Mandanten JP Morgan“ erstellt. „Die BVG hat zu keinem Zeitpunkt dem Inhalt dieses Gutachtens widersprochen“, so die Kanzlei.
BVG-Argumente fragwürdig
Nur, so Laurence Rabinowitz von JP Morgan, weil das Risiko für die BVG aus den CDO-Deals von einer großen Ratingagentur als „verschwindend gering“ bewertet wurde, habe das nie geheißen, dass „es kein Risiko gäbe“. Die Wahrscheinlichkeit, dass über den Transaktions-Zeitraum von zehn Jahren eine Pleite eintrete, lag bei 0,19 Prozent. Allerdings hätte der Deal eine „unglückliche“ Wende genommen, da es bereits zum Zeitpunkt des Deals im Sommer 2007 „ernste Risse in den globalen Finanzmärkten gab, die in kurzer Zeit zur weltweiten Krise geführt hatten“, so Rabinowitz.
Doch die BVG wollte dies nicht akzeptieren und habe „beschlossen, alles zu tun, was getan werden kann, um nicht zahlen zu müssen und einen anderen Schuldigen zu finden“. Die Vorwürfe gegenüber JP Morgan seien aber „völlig unbegründet“. JP Morgan zufolge gebe „es nicht den geringsten Beweis“, der die Behauptungen der Berliner Verkehrsbetriebe stütze.