Politik

US-Think Tank: Deutschland soll sich nicht in Weltpolitik einmischen

Lesezeit: 2 min
09.02.2014 00:18
Die Strategen der US-Denkfabrik Stratfor bezeichnen die neue aktive Außenpolitik Deutschlands als „schamlos“. Das neue Streben Deutschlands nach einer führenden Rolle in der Welt wecke alte Ängste vor dem Nationalismus und der Aggression der Deutschen.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die private US-Geheimdienst und Think Tank Stratfor hält Deutschlands Einmischung in die Innenpolitik der Ukraine für unangemessen - und zieht daraus Schlussfolgerungen für eine nicht angemessene Entwicklung.

In einem aktuellen Artikel schreiben Stratfor-Chef George Friedman und Stratfor-Analyst Marc Lanthemann, dass die Staatskrise in der Ukraine eine wichtige Entwicklung sei. Deutschland habe den direkten Kampf gegen Präsident Janukowitsch aufgenommen. Der Präsident der Ukraine hatte sich zuvor dagegen gesträubt, die Beziehungen der Ukraine mit der EU zu festigen.

Deutschlands direkte Einmischung sei untypisch. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs habe Berlin eine vorsichtige Außenpolitik betrieben. Doch nun betreibe Berlin eine „schamlose“ Außenpolitik. Diese „Schamlosigkeit“ wirke sich auch negativ auf die Beziehungen mit Russland aus. Dieses Verhältnis bezeichnen Friedman und Lanthemann als „komplex“, „nötig“ aber auch „gefährlich“.

Eine ausländische Macht, die eine hegemoniale Position in der Ukraine einnimmt, gefährde die nationale Sicherheit Russlands. Doch Russlands Hegemonie über die Ukraine sei keine Gefahr für Europa. Aufgrund der Karpaten in Rumänien sei eine Invasion von Ost nach West nur schwer umzusetzen. Der Zweite Weltkrieg sei eine Ausnahme.

Auch energiepolitisch sei die Ukraine wichtiger für Russland als für Deutschland oder die EU. Denn die Ukraine diene den Russen als Transitland. Die EU-Integration der Ukraine sei „irrational“. Die EU kämpfe mit einer hohen Arbeitslosigkeit in Südeuropa und die politische Kluft zwischen Frankreich und Deutschland werde immer größer. Zudem seien sich die Osteuropäer nicht mehr sicher, ob sie der Währungsunion und dem EU-Bankensystem beitreten wollen.

Deshalb sei es unklar, warum die EU und Deutschland sich im Fall der Ukraine derart „streitsüchtig“ zeigen. Doch Berlins aktive Einmischung habe auch Gründe, die auf einen Selbstbehauptungs-Willen zurückgehen.

Neuauflage der deutschen Ostpolitik

Hinter jener neuen Außenpolitik stünden neben Merkel und Gauck auch Steinmeier und van der Leyen. Es bestehe ein Konsens innerhalb der Regierung. Alle seien Träger dieser Politik. Die werde sich nicht nur auf die Ukraine beschränken, sondern sei Teil einer großangelegten Agenda. Sie alle wollen, dass sich ihr Land sowohl militärisch als auch politisch weltweit betätigt.

Deutschland sei nun einmal die führende Nation innerhalb der EU. „Wenn nicht Deutschland agiert, wer soll es dann tun?“, fragen Friedman und Lanthemann. Die Umgestaltung der deutschen Außenpolitik zeige, dass die Deutschen ihre eigenen National-Interessen haben. Diese müssen nicht immer mit den Interessen seiner Alliierten übereinstimmen. Für viele andere Nationen sei das selbstverständlich. Doch im Falle Deutschlands sei das angesichts der Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs eine „radikale Position“. Denn dieser neue Einschnitt erwecke alte Ängste vor dem deutschen Nationalismus und der deutschen Aggression wieder. Die Deutschen scheinen das nicht in dieser Art und Weise wahrzunehmen, so Friedman und Lanthemann.

Im schlechtesten Fall könnte es Deutschland mit einem feindseligen Russland, einer distanzierten USA und einer zersplitterten EU zu tun bekommen.

Angesichts der Krise in der Ukraine habe die Bundesregierung positive Reaktionen aus dem Ausland erhalten. Doch Deutschlands stärkeres und bestimmteres Auftreten auf dem europäischen Kontinent werde Spannungen auslösen. Das sei zu erwarten. Fürs Erste habe Merkel ohnehin keine Wahl mehr.

Offenbar bereiten sich die Stratfor-Analysten darauf vor, die aktuellen Tragödien in der Ukraine und auch weitere Tragödien auf Deutschland abzuschieben. Die Bundesregierung spielt in der Ukraine tatsächlich eine destruktive Vorreiter-Rolle.

Doch die neue aktive Außenpolitik Deutschlands könnte insgesamt damit enden, dass den Deutschen der schwarze Peter zugeschoben wird.

Von dieser Einsicht ist die Große Koalition offenbar weit entfernt. Andernfalls hätten sich ihre Politiker niemals derart plump und auffällig in der Ukraine eingebracht.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...