Politik

Papiertiger in Brüssel: Die EU braucht die Schweiz – nicht umgekehrt

Lesezeit: 2 min
11.02.2014 00:21
Die zahlreichen Drohungen von EU-Funktionären gegen die Schweiz sind reiner Theater-Donner: Die EU exportiert Güter im Wert von 108 Milliarden Euro in die Schweiz. Damit ist die Schweiz einer der besten Kunden der EU. Brüssel kann die Schweiz mit nichts erpressen. Die EU fürchtet allerdings, dass die Europäer anhand des Schweizer Beispiels die Einführung der Demokratie auf EU-Ebene fordern könnten. Das wäre eine echte Bedrohung für das aktuelle System.
Papiertiger in Brüssel: Die EU braucht die Schweiz – nicht umgekehrt

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die EU hat im Streit mit der Schweiz um die Freizügigkeit des Personenverkehrs wenig Spielraum. Denn obwohl die EU-Funktionäre im ersten Überschwang die Schweiz attackierten und ihr schwere wirtschaftliche Nachteile androhten, haben die EU-Staaten mehr zu verlieren als die Schweizer: Die Schweiz ist eines der weniger Länder, mit denen die EU einen Handelsüberschuss erwirtschaftet. Schweizer Unternehmen kauften im Jahr 2013 Güter im Wert von 108 Milliarden Euro von EU-Staaten – 74 Prozent aller Einfuhren. Über 30 Milliarden Euro gehen davon allein an Deutschland. Die Eidgenossen exportierten dagegen nur 90 Milliarden Euro in die EU – das sind 55 Prozent aller Schweizer Exporte. Im Jahr 2000 waren es noch 63 Prozent gewesen.

Die EU hat also das allergrößte Interesse, dass sich die Lage in der Schweiz weiter gedeihlich entwickelt: Sollten sich die Schweizer entschließen, künftig mehr aus Asien zu importieren als aus der EU, brächte dies bedeutende Nachteile für die EU.

Nach den USA, China und Russland ist die Schweiz der viertwichtigste Handelspartner der EU. Für die Exporteure war die Alpen-Republik von Januar bis Oktober 2013 sogar hinter den USA der größte Absatzmarkt für Waren. Auf der Rangliste der EU-Importländer steht die schweizerische Wirtschaft auf Platz vier. Anders als mit dem Energie-Lieferanten Russland und China als Hersteller von eher billigen Gütern hat die EU mit derSchweiz einen Handelsüberschuss - die Exporte sind also höher als die Importe.

Daher sind alle Aktionen der EU von rein symbolischem Charakter – oder die EU schneidet sich ins eigene Fleisch: Denn die zentrale Lage der Schweiz macht das Land in logistischen Fragen unverzichtbar für die EU. Das gilt etwa für den Strommarkt. Hier hat die EU in einer heldenhaften Geste die Verhandlungen über einen grenzüberschreitenden Stromhandel ausgesetzt. Neue Verhandlungen seien gegenwärtig nicht abzusehen, sagte eine EU-Sprecherin am Montag.

Das weitere Vorgehen müsse im größeren Kontext der bilateralen Beziehungen analysiert werden. Das Abkommen mit der Schweiz soll einen geplanten Energie-Binnenmarkt der 28 EU-Staaten ergänzen. Die Teilnahme des Alpenstaates wäre wichtig für die Anbindung von Staaten wie Italien.

Die Aufregung in Brüssel ist in der Tat auch nicht wirtschaftlich, sondern ausschließlich politisch begründet: Die EU fürchtet, dass andere europäische Staaten auf die Idee kommen könnten, ihre Völker stärker in politische Entscheidungen einzubeziehen.

Das läuft jedoch dem Grundprinzip der EU in ihrer aktuellen Form zuwider: Gesetzesvorlagen kommen ausschließlich von der in Hinterzimmern zusammengewürfelten EU-Kommission. Es gibt keine direkte Demokratie auf EU-Ebene. Das Mittel der Petition ist ein höfisches Instrument, in dem die Bürger Stimmen sammeln dürfen, die dann in Brüssel wohlwollend in den Mülleimer wandern. Wichtige Entscheidungen wie Freihandels-Abkommen werden aus Prinzip ohne demokratische Mitwirkung und ohne jegliche Transparenz geschlossen.

Ein solches System fürchtet die Mitwirkung des Volkes wie der Gessler den Hut. In den europäischen Staaten will man vor der EU-Wahl keine Grundsatz-Diskussion über die verkorkste EU-Struktur. Die etablierten Parteien haben jede Menge Altpolitiker zu versorgen – deren sicher geglaubte Pfründe Listenplätze will keiner gefährden.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Finanzen
Finanzen Private Pflegezusatzversicherungen: Wichtige Absicherung mit vielen Varianten
01.05.2024

Die gesetzliche Pflegeversicherung reicht oft nicht aus, um die Kosten im Pflegefall zu decken. Welche privaten Zusatzversicherungen bieten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen 22-Prozent unbezahlte Überstunden: Wenn Spitzenkräfte gratis arbeiten!
01.05.2024

Arbeitszeit am Limit: Wer leistet in Deutschland die meisten Überstunden – oft ohne finanziellen Ausgleich? Eine Analyse zeigt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Die größten Kostenfallen: So sparen Sie bei Fonds, Aktien und Co.
01.05.2024

Viele Anleger unterschätzen die Wirkung von Anlagekosten. Dabei sind Fondsgebühren, Orderkosten und Co. auf lange Sicht enorm...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Konsumstimmung steigt: Die Deutschen shoppen wieder
01.05.2024

Laut aktuellen Erhebungen der GfK steigt die Konsumstimmung in Deutschland für den Mai auf ein Zwei-Jahres-Hoch. Ausschlaggebend sind...

DWN
Politik
Politik Steinmeier unter Feuer: Kontroverse um Ukraine-Hilfen und Taurus-Lieferungen
30.04.2024

Bundespräsident Steinmeier steht wegen seiner Aussagen zur Ukraine-Hilfe in der Kritik. Politiker werfen ihm vor, seine Rolle nicht...

DWN
Unternehmen
Unternehmen SAP Stellenabbau: Abfindungsangebote stehen, 2600 Jobs sollen wegfallen
30.04.2024

Im Rahmen der weltweiten Umstrukturierung von SAP sollen 2600 Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut werden. Nun wurden...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Ukraine-Krieg: So ist die Lage
30.04.2024

Ukraine ruft nach dringender Militärhilfe, während tägliche Raketenangriffe weiterhin zivile Opfer fordern. Selenskyj und Stoltenberg...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Massenprotest bei Thyssenkrupp: Beschäftigte fordern Arbeitsplatzerhalt
30.04.2024

Bei Deutschlands größtem Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel ist viel im Umbruch. Arbeitnehmervertreter fordern Standortgarantien und...