Politik

Brüssel unterläuft nationale Gerichte mit EU-Staatsanwalt

Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments unterstützt die Kommission bei der Errichtung einer europaweiten Staatsanwaltschaft. Brüssel ignoriert dabei den Widerstand aus elf Mitgliedsstaaten. Die neue Behörde soll Telefone überwachen und auf Bank-Konten der Bürger zugreifen können.
13.02.2014 00:01
Lesezeit: 2 min

Die EU drängt trotz massivem Widerstand aus den Mitgliedsländern auf eine schnelle Einsetzung der EU-Staatsanwaltschaft. Im vergangenen Jahr hatten elf Mitgliedsstaaten der Kommission für diesen Vorschlag die „Gelbe Karte“ gezeigt. Nun aber bekommt die Kommission Unterstützung für den Vorschlag vom Rechtsausschuss des EU-Parlaments.

Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments (JURI) spricht sich für die Umsetzung einer EU-Staatsanwaltschaft aus, wie aus einer Presse-Erklärung hervorgeht. Darin heißt es, dass der Vorschlag der Kommission zur Errichtung der neuen Behörde mehrheitlich angenommen wurde.

Die EU-Staatsanwaltschaft soll offiziell die Aufgabe einer grenzüberschreitenden Strafverfolgung bei Verbrechen wie Terrorismus, Menschenhandel, organisiertem Verbrechen sowie der Veruntreuung von Steuergeldern übernehmen. Dafür soll der Behörde jedes Mittel erlaubt werden, auch das Abhören von Telefonen, Hausdurchsuchungen, das Beschlagnahmen von Computern und das Einfrieren von Bank-Konten (mehr hier).

„Der Rechtsausschuss unterstützt uneingeschränkt den Vorschlag der EU-Kommission, die europaweite Strafverfolgung von Kriminellen, die EU-Steuergelder veruntreuen, zu verbessern“, so ein Sprecher des Rechtsausschusses.

Der Vorstoß des Rechtsausschusses ist insofern überraschend als sich im vergangenen Jahr elf Mitgliedsstaaten eindeutig gegen den Vorschlag der EU-Kommission ausgesprochen haben, wie Open Europe berichtet. Der Lissabon Vertrag verlangt bei der Errichtung einer neuen Behörde wie der EU-Staatsanwaltschaft Einstimmigkeit der Mitgliedsländer. Bei einem Drittel an Gegenstimmen spricht man auch von einer „Gelben Karte“ für die EU-Kommission.

Das letzte Mal hatten die Mitgliedsstaaten der Kommission die „Gelbe Karte“ gezeigt, als sie versuchte die Streikrechte in der EU abzuschaffen, wie EurActiv berichtete. Damals ließ die Kommission daraufhin von ihrem Vorhaben ab. Dieses Mal scheint sie sich mit Hilfe der ständigen Ausschüsse des EU-Parlaments darüber hinweg zu setzen.

Der Rechtsausschuss ist einer von zwanzig ständigen Ausschüssen des EU-Parlaments. Er gibt Empfehlungen zum Abstimmverhalten der Abgeordneten in juristischen Fragen. Der Ausschussvorsitzende ist der Deutsche Klaus-Heiner Lehne von der CDU. Er gehört zudem zu den Unterzeichner des Spinelli-Manifests.

Die Spinelli-Gruppe will nach eigener Aussage „[…] ein Netzwerk von Personen sein, die das Europäische Interesse über das Nationale stellen und dazu bereit sind, ein föderalistisches Projekt auch in ihrem jeweiligen Umfeld zu verteidigen. So wie Altiero Spinelli gezeigt hat, möchten wir durch das Europäische Parlament agieren, aber nicht nur durch das Europäische Parlament.”

Die Spinelli-Gruppe hat es sich zum Ziel gesetzt, die Krise zur Errichtung der Vereinigten Staaten von Europa zu nutzen. Dazu kann sich die Gruppe auf die Unterstützung von 110 Abgeordneten im EU-Parlament verlassen, unter ihnen auch Klaus-Heiner Lehne. Zum harten Kern der Gruppe, dem 33-köpfigen Lenkungsausschuss, gehören unter anderem Joschka Fischer, Mario Monti, Gesine Schwan und Daniel Cohn-Bendit.

Die Auseinandersetzung zwischen den Vertretern der Nationalstaaten und den Verfechtern eines europäischen Superstaats geht bei der Debatte um einen EU-Staatsanwalt in eine entscheidende Phase. Justiz-Kommissarin Reding und Kommissions-Chef Barroso fordern mittlerweile ganz offen die Abschaffung der Nationalstaaten (hier). Auch bei der neuen Behörde des EU-Staatsanwaltes geht es in Wahrheit um einen Angriff auf eine tragende Säule der Nationalstaaten – die Gerichtsbarkeit. Sollten sich die EU-Kommission und die Spinelli-Gruppe am Ende durchsetzen, bewegt sich die EU einen Schritt weiter in Richtung der Vereinigten Staaten von Europa.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.

DWN
Finanzen
Finanzen Warren Buffett: Was wir von seinem Rückzug wirklich lernen müssen
10.05.2025

Nach sechs Jahrzehnten an der Spitze von Berkshire Hathaway verabschiedet sich Warren Buffett aus dem aktiven Management – und mit ihm...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber kaufen: Was Sie über Silber als Geldanlage wissen sollten
10.05.2025

Als Sachwert ist Silber nicht beliebig vermehrbar, kann nicht entwertet werden und verfügt über einen realen Gegenwert. Warum Silber als...