Deutschland

Fall Edathy: Parteien stellen sich über Recht und Gesetz

Die undurchsichtigen Vorgänge im Fall Edathy stürzen die Große Koalition in eine schwere Krise. Sie demonstrieren, dass SPD und Union für einen politischen Pakt alles aufgeben – auch die Treue zu Recht und Gesetz.
14.02.2014 03:00
Lesezeit: 2 min

Der Fall Edathy stürzt die Große Koalition in eine substantielle Krise. Offen ist bloß, ob die Regierung das überhaupt bemerkt. Denn Recht und Gesetz, so hat es den Anschein, bedeuten den Parteien weniger als die Macht.

Und um die ging es bei der „vertraulichen“ Gesprächen, die die Parteiführer Sigmar Gabriel und Thomas Oppermann mit dem damaligen Innenminister Hans-Peter Friedrich geführt hatten: Um die Koalitionsbildung nicht zu gefährden, soll Friedrich Gabriel gewarnt haben, dass gegen das mögliche Kabinetts-Mitglied Sebastian Edathy Vorwürfe des Besitzes von kinderpornografischem Material im Raum standen.

Es würde ja schon reichen, dass ein Spitzenpolitiker der SPD bei den kanadischen Ermittlungen um einen Kinderporno-Ring ins Visier der Fahnder geraten war.

Doch jeder Verfassungsjurist wird bestätigen, dass der Innenminister ohne gesetzliche Grundlage keine Privatperson über Ermittlungen informieren darf: Gabriel war zu dem Zeitpunkt der Information Parteiführer, mehr nicht – und als solcher Privatperson.

Die widersprüchlichen Aussagen des BKA-Chefs Zielke und jene von Oppermann führen zwingend zu dem Schluss, dass einer der beiden die Unwahrheit sagt. Das ist weder im Fall des BKA-Chefs noch für den SPD-Fraktionschef eine Petitesse.

Man fragt sich, was die nunmehrigen Regierungspolitiker eigentlich erwartet hatten – dass das Ganze unter der Decke bleibt? Die Heuchelei von Oppermann, als dieser noch am Montag seine Überraschung vorgaukelte, dass Edathy „erkrankt“ sei und deshalb sein Mandat zurücklegt, lässt tief blicken: Den Bürgern wird ein Theater vorgespielt, in dem die Partei alles, der Staat nichts ist.

Die zerstörten Festplatten, die die Staatsanwaltschaft bei Edathy gefunden hat, stärken nicht gerade den Eindruck, das der SPD-Politiker nichts zu verbergen hatte.

Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) war bereits Ende Oktober 2013 über Ermittlungen gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy informiert. Göttingens Polizeipräsident Robert Kruse habe den Minister damals über ein bundesweit laufendes Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Kinderpornographie informiert, in das möglicherweise auch der aus Niedersachsen stammende Edathy involviert sei, sagte ein Sprecher des Ministeriums am Donnerstagabend. Pistorius habe die Information zur Kenntnis genommen, ansonsten aber mit niemandem darüber gesprochen. Das Polizeipräsidium Göttingen ist auch für Nienburg zuständig, wo Edathy eine Wohnung und Büros hat.

Edathys Anwalt soll im Dezember erstaunlich gut informiert bei verschiedenen Staatsanwaltschaften nachgefragt haben, ob etwas gegen seinen Mandanten vorliege. Ist er ein Hellseher – oder war er Edathy unter der Hand informiert worden?

Von den Bürgern wird erwartet, dass sie sich peinlich an Recht und Gesetz halten. Übertreten sie das Gesetz, müssen sie sich verantworten.

Das politische Berlin dagegen versinkt in einem Sumpf von Lügen, unappetitlichen Verdächtigungen, Kungelei und Rechtsbruch.

Die deutsche Politik präsentiert sich mit den abenteuerlichen Vorfällen um einen Fall, bei dem es um Kinderpornografie geht, als eine Bananenrepublik.

In dieser Situation wiegt die faktisch unbegrenzte Macht, die SPD und Union haben, als besonders schädlich.

Man fühlt sich an Mafia-Szenen erinnert – wo Paten und ihre Gefolgsleute das Recht biegen und brechen, wo sie es brauchen.

Die krakenhaften Auswüchse der Parteien, die sich eben erst große Gehaltserhöhungen genehmigt hatten, zersetzen die Demokratie in Deutschland.

In Berlin herrscht Endzeitstimmung.

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