Unternehmen

Drohende Stromausfälle gefährden das Funktionieren von Europas Banken

Wegen möglicher Stromausfälle stehen die Banken in Europa derzeit unter Zugzwang. Denn im Ernstfall müssen zum Beispiel Transaktionen rückwirkend protokolliert werden.
08.09.2022 10:50
Aktualisiert: 08.09.2022 10:50
Lesezeit: 2 min

Wegen der Bedeutung von Zahlungen und Transaktionen für die europäische Wirtschaft, die durch Inflation und Energiekrise ohnehin belastet ist, ist der Handlungsdruck für Finanzunternehmen hoch. Aufsichtsbehörden sind in höchster Alarmbereitschaft. Die Europäische Zentralbank und die britische Prudential Regulation Authority (PRA) verlangen von den Kreditinstituten Notfallpläne zur Bewältigung möglicher Stromengpässe.

Experten befürchten, dass kaum ein Institut auf längere Stromausfälle von mehr als ein paar Tagen vorbereitet ist. "Dies stellt eine ernsthafte Lücke in der Resilienzplanung dar", sagt Avi Schnurr, Vorstand von Electric Infrastructure Security Council, einer Denkfabrik, die beim Thema Vorbereitungen auf solche Gefahren berät. Banken müssten Vorkehrungen treffen, um sicherzustellen, dass sie auch bei einem längeren Stromausfall zurechtkommen. So sollten sie etwa Vereinbarungen treffen, dass Transaktionen rückwirkend protokolliert werden, sobald die Systeme wieder online sind, sagte er.

"Das Bankensystem ist Teil anderer Systeme", erläutert Gianluca Pescaroli, Professor für Betriebskontinuität und Katastrophenresilienz am University College London, der die Behörden in London beraten hat. "Meine Hauptsorge sind die kaskadierenden Auswirkungen von Ausfällen an Geldautomaten oder bargeldlosen Transaktionen auf die Gesellschaft, ebenso die Abhängigkeiten der Banken von anderen Diensten wie dem Internet."

Der Krieg in der Ukraine und die von Russland gedrosselten Gaslieferungen haben die Energiepreise europaweit in die Höhe schießen lassen. Erschwerend kommt hinzu, dass in Frankreich etliche Atomkraftwerke wegen Reparaturen abgeschaltet sind und das Land auf Stromimporte angewiesen ist. Daher wächst die Furcht vor einer Stromknappheit oder Stromausfällen im Winter. Alle sind aufgefordert, Energie zu sparen.

Banken schalten das Licht aus

Auch die Banken machen mit und testen, wie sie mit einer Stromknappheit zurecht kommen könnten. Sie installieren für den Notfall alternative Energiequellen wie Generatoren, damit Geldautomaten und Online-Banking nicht ausfallen, und ergreifen Sparmaßnahmen. Die US-Bank JPMorgan mit tausenden Beschäftigten in London und Frankfurt hat bereits Stromausfälle simuliert, sagt eine mit der Angelegenheit vertraute Person Reuters. Je nach Schwere könnte die Bank auf Dieselgeneratoren umsteigen, die wichtige Bürostandorte mehrere Tage lang am Laufen halten könnten.

Italiens zweitgrößte Bank UniCredit hat in diesem Sommer ebenfalls ihre operative Belastbarkeit getestet, wie ein Insider erzählt. Dabei habe das Institut vor allem die Datenverarbeitung. Die beiden zentralen Rechenzentren der Bank würden von zwei unabhängigen Kraftwerken mit Strom versorgt. Unklar ist, wie lange sie halten. Euronext, das die französischen und italienischen Börsen betreibt hat den Energieverbrauch seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ebenfalls überprüft. Es seien Backup-Generatoren installiert worden, erklärte der Börsenbetreiber ohne nähere Angaben.

Derweil drosselt die Deutsche Bank ihren Energieverbrauch. Es seien eine Reihe von Energiesparmaßnahmen in den 1400 Gebäuden in Deutschland eingeführt worden, erklärte Deutschlands größtes Geldhaus. Ziel sei es, jährlich 4,9 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom einzusparen – genug, um etwa 49.000 Glühbirnen eine Stunde lang zu betreiben. Das Kreditinstitut hat warmes Wasser in den Waschräumen abgestellt, die Temperaturen an den Arbeitsplätzen angepasst und schaltet die Filialbeleuchtung im Innenbereich und die beleuchtete Außenwerbung über Nacht aus. Auch der Brunnen vor der Hauptverwaltung in Frankfurt wird ebenfalls abgeschaltet.

Auch die französische Großbank BNP Paribas hat den Stromverbrauch in den rund 2750 Filialen, Büros und Rechenzentren, die sie in Frankreich, Belgien und Italien betreibt, unter die Lupe genommen, wie ein Insider erzählt. Zudem würden die Möglichkeit von Stromausfällen "genau überwacht." Der Schweizer Versicherer Zurich will Maßnahmen zum Energiesparen so ergreifen, dass es die Kunden möglichst nicht merken. Dann könnten zum Beispiel nur noch bestimmte Stockwerke in den Gebäuden benutzt werden, erklärte der Konzern. Nur bestimmte Angebote würden beendet - "etwa der Fitnessraum für die Beschäftigten." (rtr)

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Wie schützt man seine Krypto-Wallet? CLS Mining ermöglicht Nutzern eine stabile tägliche Rendite von 6.300 €.

Der Kryptowährungsmarkt erholte sich heute umfassend, die Stimmung verbesserte sich deutlich. Meme-Coins führten den Markt erneut an....

 

DWN
Politik
Politik EU plant Anpassungen an der DSGVO: Mehr Spielraum für KI zu Lasten des Datenschutzes?
19.11.2025

Die Europäische Union plant umfassende Änderungen ihrer Digital- und Datenschutzregeln, um Innovationen im Bereich künstlicher...

DWN
Politik
Politik Russisches Geld soll nach Kiew fließen - trotz Korruptionsskandals: Von der Leyen schreibt Merz & Co.
19.11.2025

Für die Nutzung der russischen Gelder werben insbesondere Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und von der Leyen. Ihr Plan sieht vor, der...

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall-Aktie rutscht ab: Friedenspläne der USA zum Ukraine-Krieg belasten den Rheinmetall-Aktienkurs
19.11.2025

Die Rheinmetall-Aktie gerät nach frischen US-Friedenssignalen erneut in turbulentes Fahrwasser. Analysten bleiben optimistisch, doch die...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen im Fokus: Anleger reagieren auf überhitzte KI-Aktien und reduzieren ihre Positionen
19.11.2025

Investoren an den US-Börsen beobachten derzeit starke Bewegungen im KI-Sektor, während große Akteure gleichzeitig ihr Portfolio neu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Nach Exportbeschränkungen für Nexperia-Chips: Niederlande geben Kontrolle über Chip-Firma Nexperia ab
19.11.2025

Ende September hatte die niederländische Regierung die Kontrolle über Nexperia übernommen. China reagierte kurz darauf mit einem...

DWN
Finanzen
Finanzen Verbraucherumfrage: Debitkarten und Smartphones verdrängen Bargeld in Deutschland
19.11.2025

Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass in Deutschland das Bezahlen mit Debitkarte und Smartphone zunehmend das Bargeld verdrängt. Fast die...

DWN
Finanzen
Finanzen Rentenplus 2026? Wann Ruheständler steuerpflichtig werden
19.11.2025

Rentner aufgepasst: Kommendes Jahr könnten die Renten in Deutschland erneut steigen. Was einerseits erfreulich ist, kann andererseits dazu...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktienstrategie: Wie Profis erkennen, wann es Zeit zum Ausstieg ist
19.11.2025

Der perfekte Verkaufszeitpunkt an der Börse ist selten. Doch wer Gewinne nicht rechtzeitig realisiert, riskiert, sie wieder zu verlieren....