Zwei Jahre nach dem Grenzkonflikt zwischen Indien und China im westlichen Himalaya entflechten beide Staaten die Truppen in der entlegenen Bergregion Ladakh zur Vermeidung künftiger Zusammenstöße. Dem Abzug voangegangen warnen insgesamt 16 Verhandlungsrunden, berichtet die South China Morning Post.
Die indischen Truppen würden bis kommenden Dienstag aus dem Gebiet abgezogen, teilte das Außenministerium in Neu Delhi am Freitag mit. Am Donnerstag hatten beide Staaten mit dem Rückzug der Truppen begonnen. Beide Seiten hätten sich darauf verständigt, den Abzug der Truppen zu koordinieren und zu überprüfen, teilte das Ministerium weiter mit. Alle von Militärs errichteten Bauten im Grenzgebiet würden eingeebnet.
Kommende Woche dürften sich auch Präsident Xi Jinping und Premierminister Narendra Modi bei einem Gipfel der Shanghai Cooperation Organisation in Usbekistan treffen, wie örtliche Medien berichten.
China hat den beiderseitigen Truppenrückzug begrüßt. „Es fördert den Frieden und die Ruhe in der Grenzregion“, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning am Freitag vor der Presse in Peking. Die Vereinbarung, die nach mehreren Gesprächsrunden auf verschiedenen Ebenen erreicht worden sei, nannte die Sprecherin ein „positives Signal.“ China hoffe auf eine weitere gute Entwicklung der Beziehungen zu seinem Nachbarland.
Im Juni 2020 war es zu einer Schlägerei zwischen Soldaten beider Staaten gekommen, bei der mindestens 20 indische Militärangehörige sowie mindestens vier chinesische Soldaten ums Leben gekommen sein sollen. Anschließend kam es zu einer schweren Krise in den bilateralen Beziehungen.
China und Indien, die beide über Atomwaffen verfügen, hatten sich 1962 einen kurzen Grenzkrieg geliefert. Sie haben die Streitigkeiten über den Grenzverlauf im Himalaya seither nicht beigelegt. Beide Länder beanspruchen Tausende Quadratkilometer in einem Gebiet, das sich von den Schneewüsten in der Region Ladakh im Westen bis zu den Bergwäldern im Osten zieht.
Vorboten einer Annäherung?
Ein von der South China Morning Post befragter Experte sieht den Abzug der Truppen als Vorbote einer möglichen Annäherung der beiden Riesenländer. Angesichts externem Drucks zeichne sich dieser ab, sagt A.B. Abrams von der London University. „Der Krieg in der Ukraine und der Druck des Westens, ihre strikt neutrale Position dazu aufzugeben; sowie gemeinsame Sorgen um Risiken für die Weltwirtschaft im Falle neuer Konflikte – beispielsweise in der Straße von Taiwan – haben die gemeinsamen Interessen der beiden defensiv-orientierten asiatischen Mächte verstärkt.“
Ein weiteres Indiz für eine zunehmende Verständigung sei Indiens Teilnahme an der russischen Militär-Großübung „Wostok“, bei der auch viele Einheiten der chinesischen Armee vertreten waren sowie die Entscheidung der Regierung in Neu Delhi, den chinesischen Technologiekonzern Huawei trotz Drucks aus Washington am Aufbau des 5G-Netzes zu beteiligen.