Weltwirtschaft

Rettet China Europas Dieselmarkt?

Lesezeit: 3 min
16.09.2022 16:35
Europa hat auf die USA als Dieselimporteur gebaut. Die Amerikaner sind jedoch nicht in der Lage zu helfen. Nun könnte China ins Spiel kommen.
Rettet China Europas Dieselmarkt?
China könnte Europas Dieselmarkt helfen. (Foto: dpa)
Foto: Li Tao

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der angespannte europäische Dieselmarkt wird sich laut der Wirtschaftsnachrichtenseite Oilprice Anfang nächsten Jahres noch weiter verschärfen, wenn das geplante EU-Exportverbot für russische Erdölprodukte auf dem Seeweg in Kraft tritt. Neben anderen Engpässen bei Energieerzeugnissen wird die EU im kommenden Winter mit dem Ausbleiben von Diesellieferungen aus Russland - einem nach wie vor wichtigen Lieferanten von Diesel nach Europa - konfrontiert sein, wenn die EU ihre Pläne für ein Embargo gegen alle russischen Öltransporte auf dem Seeweg ab Anfang Februar 2023 durchsetzt.

Das Embargo wird die weltweiten Handelsströme für Erdölprodukte erneut durcheinanderbringen, was den europäischen Dieselmarkt im Winter noch enger machen wird, wenn Erdölprodukte in ölbefeuerten Reservekraftwerken angesichts der Strom- und Erdgasknappheit eingesetzt werden sollen.

China als potenzieller Retter

Europa hat bereits damit begonnen, den US-Dieselmarkt anzuzapfen, um das nicht-russische Angebot zu erhöhen, aber wie Führungskräfte der US-Raffinerien selbst zugeben, gibt es nicht viel Spielraum, um die amerikanischen Dieselexporte nach Europa erheblich zu steigern, da die US-Lagerbestände an Destillatkraftstoffen weiterhin auf einem mehrjährigen Tiefstand liegen.

Ein potenzieller Retter des europäischen Dieselmarktes könnte China sein. Das Land hat sich mit Wladimir Putin verbündet und nähert sich Russland immer stärker an. Theoretisch verfügt China über die Raffineriekapazitäten, um mehr Kraftstoffe zu verarbeiten und zu exportieren, aber die chinesischen Behörden haben in diesem Jahr die zugewiesenen Kraftstoffexportquoten reduziert.

Natürlich gibt es auch eine geopolitische Seite, wenn China seine Treibstoffexporte steigert. Selbst wenn es keine Diesellieferungen nach Europa schickt, könnte es theoretisch die Engpässe auf dem Dieselmarkt in anderen Ländern lindern. Die Frage ist, ob China bereit wäre, Europa zu helfen und Putins Öleinnahmen zu schmälern, wie Clyde, Kolumnist für Rohstoffe und Energie in Asien bei Reuters, anmerkt.

Dieselimporte aus Russland unverändert hoch

Europa importiert immer noch große Mengen an russischem Diesel mehrere Monate vor Inkrafttreten des Embargos. Laut Oilprice importierte Europa im vergangenen Monat 543.000 Barrel pro Tag (bpd) russischen Diesel aus dem Seeverkehr, gegenüber 520.000 bpd im August 2021.

Die europäischen Dieselimporte aus Russland waren schon im Juli auf ein für die Jahreszeit ungewöhnlich hohes Niveau gestiegen. Sie hatten ein Plus von 22 % gegenüber dem Vorjahr und lagen damit über den nicht-russischen Lieferungen, wie Daten des Energieanalyseunternehmens Vortexa im vergangenen Monat zeigten

China entscheidet Schicksal des globalen Dieselmarkts

China hat seinerseits im Juli die letzte Serie von Kraftstoff-Exportquoten für Raffinerien herausgegeben, und die Gesamtquoten sind in diesem Jahr bisher 39 Prozent niedriger als die Gesamtquoten zu diesem Zeitpunkt im letzten Jahr. Die Daten sind ein Indiz dafür, dass chinesische Kraftstoffexporte den weltweit angespannten Kraftstoffmarkt wahrscheinlich nicht entspannen werden. „China hat auch die Macht, das Schicksal des globalen Dieselmarktes zu verändern, wenn es die Rationalisierung seiner heimischen Raffinerieindustrie etwas lockern würde“, schrieb Vortexa-Chefökonom David Wech Ende August.

Der chinesische Dieselmarktsektor hat in diesem Jahr bisher 7 % weniger produziert als im Zeitraum Januar-Juli 2021 und verfügt über reichlich freie Kapazitäten, die mit der derzeitigen Inbetriebnahme der 320.000 Einwohner fassenden Lianyungang-Basisraffinerie weiter steigen dürften, so Wech weiter.

USA können nicht viel ausrichten

Die USA können nicht viel ausrichten, sagten Führungskräfte Anfang des Sommers. Laut dem jüngsten wöchentlichen EIA-Bericht über den Stand der Erdölversorgung liegen die Vorräte an destillierten Kraftstoffen in den USA derzeit etwa 23 % unter dem Fünfjahresdurchschnitt für diese Jahreszeit. Nach Ansicht der US-Raffinerien gibt es nicht viel Spielraum für einen weiteren Anstieg der Diesellieferungen von Amerika nach Europa. Gary Simmons, Executive Vice President und Chief Commercial Officer bei Valero Energy, sagte auf der Telefonkonferenz zum zweiten Quartal Ende Juli: „Es wird eine echte Herausforderung für uns sein, mehr Diesel nach Europa zu liefern.“

Europa von Chinas Geopolitik abhängig

„Angesichts der niedrigen US-Lagerbestände und der Tatsache, dass die Industrie im Grunde genommen am Ende ist, ist es für mich sehr schwierig zu sehen, dass es einen großen Zustrom aus den USA nach Europa geben wird“, fügte Simmons hinzu.

Durch die angespannte Lage auf den globalen Kraftstoffmärkten, insbesondere bei Diesel, könnte also der Erfolg Europas bei der Unterbindung von Dieselimporten aus Russland auf dem Seeweg von Chinas Kraftstoffexportpolitik und geopolitischen Entscheidungen abhängen. Umso wichtiger ist es für Europa das Gespräch mit China zu suchen und das Problem auf dem Dieselmarkt zu lösen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Osterfreude und EM-Fieber: Hoffnungsschimmer für Einzelhandel
28.03.2024

Das Ostergeschäft verspricht eine Wende für den deutschen Einzelhandel - nach einem düsteren Februar. Wird die Frühlingshoffnung die...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienkrise für Banken noch nicht überwunden
28.03.2024

Die deutschen (Pfandbrief-)Banken sind stark im Gewerbeimmobilien-Geschäft engagiert. Das macht sie anfällig für Preisrückgänge in dem...