Weltwirtschaft

Trotz Sanktionen: Russische Diamanten weiter heiß begehrt

Lesezeit: 4 min
17.09.2022 10:42
Schleifereien, die ihre Diamanten heimlich weiter in Russland kaufen, erhalten derzeit äußerst günstige Konditionen. Doch wegen der Sanktionen bergen die Deals durchaus auch Risiken.
Trotz Sanktionen: Russische Diamanten weiter heiß begehrt
Die Sanktionen sind schwer umzusetzen, auch weil russische Diamanten genauso aussehen wie alle anderen. (Foto: dpa)
Foto: Abir Sultan

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Zwar hat ein großer Teil der Diamanten-Branche seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine seine Geschäfte mit russischen Steinen eingestellt. Doch viele Unternehmen, von den Schleifereien bis zu den Luxusgeschäften, halten an den russischen Diamanten fest. Weiterhin exportiert Russland jeden Monat Diamanten im Wert von Hunderten von Millionen Euro, was jedoch im Verborgenen geschieht.

Im Zuge der Sanktionen gegen Russland haben die USA auch den russischen Bergbaugiganten Alrosa mit Sanktionen belegt wurde. Doch eine Handvoll indischer und belgischer Käufer nutzen die aktuelle Gelegenheit, indem sie die große Mengen an russischen Diamanten zu lukrativen Bedingungen aufkaufen und sich dabei die Diamanten aussuchen können, die sie brauchen.

Zwar verstoßen die Käufer aus Indien und Belgien nicht gegen die US-Sanktionen. Doch die Geschäfte mit Russland sind dennoch riskant. Denn große Händler in den USA wie Tiffany und Signet Jewelers wollen keine russischen Diamanten, die seit Beginn des Krieges gefördert wurden, in ihr Angebot aufnehmen. Daher fürchten die Lieferanten, dass sie durch den Handel mit Alrosa-Edelsteinen wichtige Verträge verlieren könnten.

Diamanten-Geschäfte wird noch geheimnisvoller

Diamanten stellen ein Problem für jeden Boykottversuch. Denn sobald die Steine in die Lieferkette gelangt sind, ist es fast unmöglich, sie zurückzuverfolgen. Sie werden in Paketen ähnlicher Größe und Qualität verkauft - es gibt etwa 15.000 verschiedene Kategorien - und können mehrfach gehandelt und neu gemischt werden, bevor sie in einem Verlobungsring oder Anhänger landen.

Zudem sorgen sich Einzelhändler im Westen, die russische Edelsteine boykottieren wollen darum, ob sie genügend Diamanten bekommen. Vor allem die kleinen und billigeren Sorten, auf die sich Alrosa spezialisiert hat, könnten knapp werden. Auf das russische Unternehmen entfällt etwa ein Drittel des Rohdiamantenangebots, und alle russischen Steine, die vor dem Krieg gefördert wurden, sind im Wesentlichen aufgebraucht.

Einige große europäische Luxusmarken haben den Diamantenproduzenten De Beers gebeten, seine Verkäufe an jene Lieferanten zu erhöhen, denen sie im Hinblick auf die Vermeidung russischer Diamanten vertrauen, sagen Insider laut einem Bericht von Bloomberg. Das Unternehmen mit Sitz in London hat demnach auch schon einige Anstrengungen in dieser Richtung unternommen, hat aber nur noch wenig zu verkaufen.

Da die russischen Lieferungen die Welt der Diamanten spalten, konzentriert sich ein Großteil der Spannungen auf den "Midstream", ein riesiges Netzwerk von meist in Familienbesitz befindlichen Unternehmen, die die Edelsteine der Welt schleifen, polieren und handeln - viele von ihnen in Indien - und die die Verbindung zwischen Bergbauunternehmen und Juweliergeschäften herstellen.

Früher verkaufte Alrosa jeden Monat an mehr als 50 solcher Kunden. Mit dem Kriegsbeginn wurden die Verkäufe zunächst eingefroren, haben sich aber wieder auf ein fast normales Niveau eingependelt. Aber das geschieht sehr leise. Vor dem Krieg führte Alrosa von seinem Büro in Antwerpen (Belgien) aus zehn Verkäufe pro Jahr durch und veröffentlichte die Ergebnisse anschließend. Jetzt werden keine Informationen über Verkäufe oder finanzielle Leistungen veröffentlicht.

Der Großteil der indischen Midstream-Unternehmen meidet nach Angaben von Insidern nach wie vor russische Käufe, weil sie befürchten, dadurch westliche Kunden zu verlieren. Insbesondere die USA sind ein wichtiger Markt. Rund 50 Prozent aller geschliffenen Diamanten werden dort verkauft, von Luxusstücken im Wert von mehreren 10 Millionen Dollar bis hin zu Steinen, die für weniger als 200 Dollar bei Einzelhändlern wie Walmart verkauft werden.

Indien und Belgien gegen Diamanten-Sanktionen

Für die Endkunden sind Diamanten ein Luxusgut. Doch für die großen Schleif- und Handelszentren ist das Geschäft eine wirtschaftliche Grundlage. Der Diamantenhandel sichert in Indien schätzungsweise eine Million Arbeitsplätze, weshalb sich die Regierung dafür einsetzt, dass das Geschäft weiterläuft. Auch Belgiens Premierminister ist ein Gegner von Sanktionen gegen russische Steine. Mehr als 80 Prozent der Rohdiamanten werden über Antwerpen gehandelt.

Derzeit wird die überwiegende Mehrheit der russischen Steine über etwa zehn Käufer gehandelt. Die indischen Unternehmen Kiran Gems und Shree Ramkrishna Exports Pvt sind nach Angaben von Insidern die beiden größten Abnehmer. Man geht davon aus, dass die russischen Diamanten nach dem Schleifen und Polieren in Schmuckstücken für Märkte wie China, Japan und Indien landen werden.

Diese drei Länder machen zusammen etwa 30 Prozent der weltweiten Nachfrage aus und nehmen - anders als westliche Einzelhändler - die russische Produktion gerne an. Die undurchsichtige Natur des Diamantenhandels mit seiner langen und verworrenen Lieferkette bedeutet jedoch, dass russische Steine wahrscheinlich auch auf westlichen Märkten landen werden.

Die Herkunft eines Diamanten ist am Anfang der Kette klar, wenn er ein Zertifikat im Rahmen des Kimberley-Prozesses erhält, der den Verkauf von "Blutdiamanten" beenden soll, mit denen in den 1990er Jahren Kriege finanziert wurden. Aber danach können die Dinge undurchsichtig werden. Die Edelsteinpakete werden in den Handelshäusern oft vermischt, und das Originalzertifikat wird durch das Label "Gemischter Ursprung" ersetzt. Es ist fast unmöglich, den Überblick darüber zu behalten, wohin die russischen Diamanten schließlich verkauft werden.

Während die Angst, westliche Unternehmen zu verprellen, für die meisten in der Branche das größte Hindernis darstellt, schrecken auch die praktischen Schwierigkeiten beim Kauf aus Russland ab. Nach den US-Sanktionen haben sich die meisten Banken in Europa und im Nahen Osten aus der Finanzierung von Käufen bei Alrosa zurückgezogen, das zuvor fast alle seine Diamanten in Dollar verkaufte. Übrig bleiben einige wenige indische Banken, die sich in den letzten Monaten damit angefreundet haben, Transaktionen in anderen Währungen zu erleichtern, vor allem in Euro und Rupien.

Ein Zeichen für die anhaltende Vorsicht ist, dass die IndusInd Bank, einer der größten Finanziers der indischen Diamantenkäufer, von ihren Kunden bei diesen Geschäften die Unterzeichnung von Verzichtserklärungen verlangt, in denen sie anerkennen, dass sie verantwortlich sind, wenn Transaktionen eingefroren werden. Ein Sprecher von IndusInd sagte, dass die Bank "sowohl die nationalen als auch die internationalen Handelssanktionen einhält, unter anderem indem sie keine Transaktionen mit sanktionierten Organisationen/Personen durchführt".

Für diejenigen, die immer noch bereit sind, Diamanten von Alrosa zu kaufen, bietet das Unternehmen Vergünstigungen wie ungewöhnliche Flexibilität, obwohl die Preise insgesamt auf dem Niveau von De Beers liegen. Normalerweise wird von den Kunden erwartet, dass sie eine vorher vereinbarte Auswahl von Diamantenpaketen mitnehmen.

In der aktuellen Lage räumt das russische Unternehmen seinen Kunden jedoch die Möglichkeit ein, dass sie sich ihre Pakete selbst aussuchen. Sie können jetzt also solche Diamanten auswählen, die gerade knapp sind oder die gerade den besten Gewinn versprechen. In Anbetracht der sich wandelnden Struktur der Branche erwägt Alrosa zudem die Einrichtung weiterer ständiger Verkaufsbüros in Indien.


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