Weltwirtschaft

Russlands Zentralbank lässt die Zügel lockerer

Lesezeit: 3 min
17.09.2022 15:05  Aktualisiert: 17.09.2022 15:05
Russland hat den Leitzins um weitere 50 Basispunkte gesenkt. Es war die sechste Zinssenkung in Folge, seit der starken Anhebung der Zinsen Ende Februar.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die russische Zentralbank hat ihren Leitzins am Freitag um weiter 50 Basispunkte auf 7,5 Prozent gesenkt. Zugleich warnte sie jedoch, dass ihr der Spielraum für eine weitere Senkung der Kreditkosten in den kommenden Monaten ausgeht. Die Entscheidung war die sechste Zinssenkung in Folge.

Ende Februar nach der russischen Invasion in der Ukraine hatte die Zentralbank ihre Zinsen auf den Rekordwert von 20 Prozent angehoben hatte. Doch in der Folge schwächte sich der Inflationsdruck deutlich ab, was den Entscheidungsträgern in Moskau Spielraum für drastische Zinssenkungen eröffnete.

Die Leiterin der Zentralbank, Elvira Nabiullina, sagte aber am Freitag, dass sich der Zyklus der Lockerung nun dem Ende zuneigt. Sie deutete sogar die Möglichkeit einer baldigen Zinserhöhung an. Dies sei abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung im In- und Ausland.

"Bei diesem Zinsniveau sind wir der Ansicht, dass wir uns in einer neutralen Geldpolitik befinden. Wir sehen, dass die einmaligen disinflationären Kräfte allmählich ihre Wirkung verlieren, während die inflationsfördernden Risiken zunehmen", wird die Notenbankchefin von der Financial Times zitiert.

Die jüngste Zinssenkung kommt vor dem Hintergrund wachsenden politischen und wirtschaftlichen Drucks auf Moskau. Zwar verzeichnet Russland - anders als die Staaten des Westens - weiterhin einen Haushaltsüberschuss. Doch der Überschuss hat sich im Laufe des Sommers erheblich verringert.

Der Haushaltsüberschuss wird sich im September wahrscheinlich in ein Defizit verwandeln, da Moskau beschlossen hat, die Gaslieferungen nach Europa durch die wichtige Nord Stream 1-Pipeline zu stoppen. Der Kreml hat erklärt, dass der Hahn so lange zugedreht bleibt, bis der Westen die Sanktionen aufhebt, welche die Wartung der Anlagen beeinträchtigt haben.

Die Zentralbank hat gewarnt, dass das außenwirtschaftliche Umfeld "weiterhin schwierig ist und die Wirtschaftstätigkeit erheblich einschränkt". Auf ihrer letzten Sitzung im Juli hatte die Zentralbank den Leitzins um 150 Basispunkte auf 8 Prozent gesenkt. Doch nun erklärte sie, die Dynamik der Wirtschaftstätigkeit sei besser als im Juli erwartet.

Inflationsprognose erhöht

Der Preisdruck ist zwar nicht mehr so stark wie im Frühjahr, aber die Inflationserwartungen der Bevölkerung und die Preiserwartungen der Unternehmen bleiben auf einem hohen Niveau", so die Zentralbank. Sie prognostizierte am Freitag eine Inflationsrate zwischen 11 und 13 Prozent in diesem Jahr und lag damit unter ihrer früheren Schätzung von 12 bis 15 Prozent.

Die Kräfte, die der Zentralbank in den letzten Monaten geholfen hatten, wie der stärkere Rubel, die Sparneigung der Bevölkerung und die erhöhte landwirtschaftliche Produktion im Sommer, ließen nach, warnte Nabiullina. Sie plant, im Oktober eine aktualisierte Wirtschaftsprognose vorzulegen.

Zwar hat die Notenbank ihre Inflationsprognose erhöht. Sie geht jedoch davon aus, dass sie ihr angestrebtes Ziel von 4 Prozent erst im Jahr 2024 erreichen wird, da sie die Inflation im kommenden Jahr auf 5 bis 7 Prozent schätzt. Auch die Wachstumsprognose wurde angehoben, obwohl die Wirtschaft in diesem Jahr immer noch um 4 bis 6 Prozent schrumpfen dürfte.

Nabiullina kündigte an, dass künftige Entscheidungen der russischen Notenbank von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängen würden, die zwar Anzeichen einer Verbesserung zeige, aber immer noch anfällig für externe Bedrohungen sei. Die nächste Sitzung der russischen Notenbank zur Festlegung der Zinssätze ist für den 28. Oktober geplant.

"Am schwierigsten ist die Lage der Kohle-, Metall- und Forstindustrie, wo die Beschränkungen bei der Lieferung von Produkten die Arbeit der Unternehmen erheblich behindern", so die Notenbankchefin. Diese Industriezweige haben ihre Lieferungen in den Westen aufgrund der Sanktionen erheblich reduziert, während die Neuausrichtung der Aktivitäten in Richtung Osten Zeit erfordert.


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen Boom-Segment aktive ETFs: BlackRock startet fünf neue Fonds
07.09.2024

Blackrocks ETF-Tochter iShares erweitert ihr Angebot in Europa um fünf neue aktive ETFs. Ziel der Fonds ist es, Anlegern kostengünstige...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Flexible Arbeitszeiten: Sind Vollzeitjobs ein Auslaufmodell?
07.09.2024

Eine repräsentative Befragung der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass nur noch eine Minderheit eine Stelle mit festen Arbeitszeiten...

DWN
Finanzen
Finanzen Derivate Erklärung: So funktionieren Zertifikate, CFDs und Optionsscheine
07.09.2024

Derivate wie Futures, Optionen, Zertifikate, Optionsscheine, Swaps und CFDs sind heftig umstritten. Einige sehen darin notwendige...

DWN
Technologie
Technologie Wasserstoffprojekt in Namibia könnte KZ-Gedenkstätte gefährden
07.09.2024

Deutschland unterstützt ein Großprojekt zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Lüderitz. An diesem Ort befand sich einst das erste...

DWN
Immobilien
Immobilien Tag des offenen Denkmals: 7 ungewöhnliche Monumente in Deutschland
07.09.2024

Ob Schloss Neuschwanstein oder Siegessäule: Viele Denkmäler in Deutschland sind international bekannt. Hier werfen wir einen Blick auf...

DWN
Technologie
Technologie Stromerzeugung aus Windkraft: Die Dynamik nimmt ab
07.09.2024

Im vergangenen Jahr war Windkraft erstmals die Hauptquelle der hiesigen Stromerzeugung, weit vor Kohle. Doch in diesem Jahr ist eine...

DWN
Politik
Politik Trump-Erfolg im Schweigegeld-Prozess: Urteil erst nach US-Wahl
07.09.2024

Im New Yorker Prozess wegen Schweigegeldzahlungen von Ex-Präsident Donald Trump wird das Strafmaß erst nach der Präsidentschaftswahl...

DWN
Panorama
Panorama Studie: Ungesunde Ernährung bereits bei Kleinkindern weit verbreitet
07.09.2024

Laut einer aktuellen Studie ernähren sich bereits Kleinkinder zu süß und ungesund. Wie das Max Rubner-Institut (MRI) in Karlsruhe, ein...