Wirtschaft

Wie der Chipkrieg zwischen USA und China die Weltwirtschaft verändern wird

Was es bedeutet, wenn China künftig keine ausländischen Chips mehr kaufen muss und was die USA im Chipkrieg aufs Spiel setzen.
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09.10.2022 08:20
Lesezeit: 4 min
Wie der Chipkrieg zwischen USA und China die Weltwirtschaft verändern wird
Mit dem Plan „Made in China 2025“ soll der Anteil ausländischer Chips in China verringert werden. Das würde für eine Veränderung der Handelsströme sowie der Weltwirtschaft sorgen. (Foto: iStock.com/William_Potter) Foto: William_Potter

Chris Miller lehrt internationale Geschichte an der Fletcher School der Tufts University, der ältesten Graduiertenschule der USA, die sich dem Studium internationaler Beziehungen widmet. Sein erst am 4. Oktober dieses Jahres erschienenes Buch „Chip War: The Fight for the World's Most Critical Technology“ gilt bereits jetzt als Bestseller. In einem Artikel für den Washington Examiner skizziert Miller die Strategie Xi Jinpings im US-chinesischen Chipkrieg, der jüngst mit den neuen Sanktionen Washingtons wieder an Fahrt gewonnen hat.

Den Ausbruch desselben schreibt Miller China zu – trotz aller kernigen Aussagen des Ex-US-Präsidenten Donald Trump zu dem Thema. Schließlich habe die „Vermischung von martialischen Metaphern mit der Wirtschaftspolitik“ in Peking begonnen. Inzwischen stehe „Amerikas Halbleiterindustrie einem organisierten Angriff der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und des Einparteienstaats, der sie regiert,“ gegenüber.

Die Strategie Pekings

Dabei setze Chinas Führung auf eine Mischung aus marktwirtschaftlichen und militärischen Methoden, um fortschrittliche Chips heimisch zu entwickeln. Bislang sei das Land, das jedes Jahr mehr Geld für den Import von Chips als für den Kauf von Öl ausgibt, gleichwohl noch in hohem Maße auf ausländische Technologie angewiesen. „Da Chinas Technologieunternehmen immer weiter in Bereiche wie Cloud Computing, autonome Fahrzeuge und künstliche Intelligenz vordringen, dürfte ihre Nachfrage nach Halbleitern weiter steigen“, betont Miller.

Darum plane Peking den Importanteil an der chinesischen Chipproduktion bis 2025 um 55 Prozent zu senken. Das Land setze bereits seit 2014 auf Subventionen für die Halbleiterindustrie. Zu den wichtigsten Investoren des sogenannten „Big Funds“ würden das chinesische Finanzministerium, die staatliche China Development Bank und eine Reihe anderer staatlicher Unternehmen, darunter China Tobacco und Investmentgesellschaften der Stadtverwaltungen von Peking, Shanghai und Wuhan, gehören.

„China will kein größeres Stück vom Kuchen, sondern Festungen stürmen“

Miller unterstreicht, dass Peking nicht auf der Suche nach „einer besseren Position in einem System, das von Amerika und seinen Freunden dominiert wird“ sei: Xi Jinpings Aufforderung, „die Festungen zu stürmen“, sei keine Forderung nach einem etwas höheren Marktanteil gewesen. Es gehe ihm vielmehr darum, „die weltweite Halbleiterindustrie neu zu gestalten, nicht darum, sich in sie zu integrieren“.

Zwar hätten laut Miller einige wirtschaftspolitische Entscheidungsträger in China vielleicht eher eine Strategie der tieferen Integration bevorzugt, doch die Führung in Peking, die mehr an Sicherheit als an Effizienz denke, hätte die gegenseitige Abhängigkeit als Bedrohung angesehen.

China droht Weltwirtschaft zu verändern

Mit der Umsetzung des Plans „Made in China 2025“, der den Anteil ausländischer Chips in China zu verringern soll, einer „revolutionären wirtschaftlichen Vision“, drohe eine Veränderung der Handelsströme sowie der Weltwirtschaft, erklärt Miller. Dabei seien es längst nicht nur die Gewinne Silicon Valleys, die auf dem Spiel stünden.

„Wenn Chinas Bestreben, sich bei Halbleitern selbst zu versorgen, Erfolg hat, würden seine Nachbarn, deren Wirtschaft größtenteils vom Export abhängig ist, noch stärker darunter leiden.“ Darunter Südkorea, Singapur, Malaysia, die Philippinen und Taiwan. „Auf dem Spiel steht das weltweit dichteste Netz von Lieferketten und Handelsströmen: die Elektronik-Lieferketten, die Asiens Wirtschaftswachstum und politische Stabilität in den letzten fünfzig Jahren begründet haben“, warnt Miller.

Das Risiko Washingtons

Gleichsam ist es alles andere als eine einfache Angelegenheit, politisch dagegen vorzugehen. Der Ökonom und Harvard-Professor Willy C. Shih skizziert in einem Forbes-Artikel die Risiken der US-amerikanischen Sanktionen gegen Chinas Tech-Branche. Gleichzeitig zeigt er auf, unter welchen Umständen die Sanktionspolitik Washingtons Früchte tragen könnte. Dabei führt er drei zentrale Fragen an, von deren Beantwortung Erfolg und Misserfolg der US-Strategie abhängen.

Die erste lautet: Wie schwierig wird es für chinesische Firmen sein, Alternativen zu entwickeln? „Letztlich geht es darum“, betont Shih, „ob es einen technologischen Engpass gibt, der überwunden werden muss, oder ob es alternative Wege gibt, die zum Ziel führen.“ Wenn der Ersatz für eine US-Technologie einen Investitions- und Zeitaufwand kosten würde, der mit dem ursprünglichen US-amerikanischen Aufwand vergleichbar sein sollte, könne dies Chinas Tech-Branche tatsächlich zeitweise lähmen.

US-Einnahmen gingen nach Sanktionen zurück

Gleichsam warnt Shih: „Wenn es dagegen alternative Wege gibt, die zum Ziel führen können, führen Exportbeschränkungen dazu, dass Investitionen in diese Richtung gelenkt werden.“ So habe eine 2007 vom Bureau of Industry and Security (BIS) des US-Handelsministeriums zusammen mit dem U.S. Air Force Research Laboratory durchgeführte Studie gezeigt, dass der Anteil der USA an den weltweiten Einnahmen aus der Satellitenherstellung infolge der Sanktionen um etwa 20 Prozent zurückging, während andere Länder dadurch ermutigt worden seien, eigene Kapazitäten und Industrien zu entwickeln.

Während Washington davon ausgehe, dass die USA nach wie vor über einen enormen technologischen Vorsprung verfüge, hätten viele Länder, einschließlich China, in vielen Bereichen beeindruckende Fähigkeiten entwickelt. Umso mehr müssten die USA unbeabsichtigte Folgen, wie die Schädigung heimischer, weltweit führender Unternehmen vermeiden.

Und dies berührt auch schon die zweite zentrale Frage: Wie wirken sich die Sanktionen auf heimische US-Halbleiterausrüster wie die Firma Applied Materials (AMAT) aus? Deren Arbeit könne laut Shih durch Sanktionen erschwert werden, wenn entsprechende Marktanteile in China wegfielen. Im Gegenzug sei der heimische Markt Chinas für Halbleiterwerkzeuge schon jetzt enorm angewachsen.

Shih: Innovationen als große Hoffnung der USA

Schließlich stellt Shih die gegenwärtig entscheidende Frage: Ist die Strategie der US-Amerikaner nachhaltig? „Der Schlüssel zu wirksamen Exportkontrollen liegt darin“, erklärt Shih, „zu verstehen, wo die USA technologische Vorteile haben, wie wir sie erlangt haben und wie wir sie aufrechterhalten können.“ In den meisten Fällen hätten sich diese aufgrund enormer Investitionen in die wissenschaftliche Grundlagenforschung sowie aus dem daraus gewonnenen Verständnis und Wissen ergeben, das sich wiederum nicht einfach reproduzieren ließe.

Eine erfolgreiche Strategie im Chipkrieg erfordere, eng mit Verbündeten zusammenzuarbeiten und die Politik in diesem Bereich zu koordinieren. „Letztlich kann man ein solches Rennen nur gewinnen, wenn man schneller läuft“, betont Shih. Der einzige Weg nach vorne bestünde darin, immer wieder Neues zu erfinden. „Letztendlich ist das die große Hoffnung für die USA, dass wir eben dies auch weiterhin tun können.“

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