Finanzen

UN warnt: Fed stürzt die Weltwirtschaft in eine Rezession

Die aggressive Geldpolitik der Federal Reserve droht die Weltwirtschaft in eine Rezession zu stürzen. Davor warnen nun auch Vertreter der UN sowie des IWF. Gefürchtet wird, dass die Geldpolitik der US-Notenbank größeren Schaden anrichten könnte als die Finanzkrise und die Pandemie.
Autor
09.10.2022 08:20
Aktualisiert: 09.10.2022 08:20
Lesezeit: 4 min
UN warnt: Fed stürzt die Weltwirtschaft in eine Rezession
Wird das Wappentier der Fed bald der Pleitegeier? (Foto: iStock.com/Veni) Foto: Veni

Die Kritik am anhaltenden Straffungskurs der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) nimmt zu. Die Fed beschloss zuletzt eine dritte Leitzinserhöhung in Folge beschloss und hob den Zinssatz auf 3,25 Prozent an – den höchsten Stand seit der Krise von 2008. Diese Geldpolitik führte unter anderem dazu, dass der US-Dollar auf den höchsten Stand seit mehreren Jahrzehnten gestiegen ist und die Währungen in aller Welt unter Druck gesetzt hat.

Angesichts der Turbulenzen, die die aggressive Geldpolitik der Fed bereits an den Finanzmärkten ausgelöst hat, mehren sich die kritischen Stimmen. So warnte etwa der Präsident der Weltbank, David Malpass, dass sich ein „perfekter Sturm“ aus Stagflation und globaler Rezession zusammenbraue. Auch die Generaldirektorin der Welthandelsorganisation, Ngozi Okonjo-Iweala, erklärte kürzlich, dass die Welt auf eine Rezession zusteuere.

Nun reihen sich auch die Vereinten Nationen (UN) und der Internationale Währungsfonds (IWF) in die Riege der Fed-Kritiker ein. Sie warnen vor einer drohenden Rezession der Weltwirtschaft, ausgelöst durch die Schockwellen, die weitere Zinserhöhungen der US-Notenbank mit sich bringen würden.

UN kritisiert Folgen der Zinserhöhungen für Weltwirtschaft

Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD), eine UN-Abteilung die sich mit dem Welthandel befasst, warnt in ihrem aktuellen Bericht, dass die Straffung der Geldpolitik zur Bekämpfung der Inflation weltweit größeren Schaden anrichten könnte als die Finanzkrise im Jahr 2008 und der Covid-19-Schock im Jahr 2020.

Die UN-Abteilung schätzt in ihrem Bericht, dass jeder Prozentpunkt, um den die Fed die Zinsen anhebt, die Wirtschaftsleistung der Industrienationen um 0,5 Prozent und die Wirtschaftsleistung der Schwellen- und Entwicklungsländer um 0,8 Prozent über einen Zeitraum von drei Jahren senken würde. Das liege vor allem daran, dass ein starker Dollar es für andere Länder teurer macht, Lebensmittel und Treibstoff zu importieren, und vor allem ärmere Länder stark belastet, die ihre Schulden in Dollar begleichen müssen.

Allein in diesem Jahr könnten die US-Zinserhöhungen durch die Aufwertung des US-Dollars künftige Einnahmen der Entwicklungsländer um 360 Milliarden Dollar schmälern, heißt es in dem UN-Bericht. Die UN-Abteilung bezeichnete das Vorgehen der Fed als „unvorsichtiges Spiel“ mit dem Leben der Menschen aus den Schwellenländern. Wenn die Zentralbanken keine „Kurskorrektur“ vornehmen, könnten die Schwellenländer in eine Reihe von Krisen stürzen.

UNCTAD fordert daher alle Zentralbanken auf, die Zinssätze nicht weiter zu erhöhen. Zwar spricht der UN-Bericht alle Zentralbanken an, doch da sich die wichtigsten Notenbanken an der Geldpolitik der Fed orientieren, können die Aussagen als direkte Kritik der geplanten Zinserhöhungen der US-Währungshüter gelesen werden. Laut dem UN-Bericht stamme die Vorgehensweise, die Zinsen angesichts der steigenden Inflation zu erhöhen, aus einer Zeit, die der heutigen Komplexität einer globalisierten Welt nicht mehr gerecht werde.

UN fordert Preiskontrollen statt Zinserhöhungen im Kampf gegen Inflation

„Die politischen Entscheidungsträger scheinen zu hoffen, dass ein kurzer scharfer geldpolitischer Schock – ähnlich […] wie der unter Paul Volker – ausreicht, um die Inflationserwartungen zu verankern, ohne eine Rezession auszulösen“, heißt es im UN-Bericht. „Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass das Durchsuchen der wirtschaftlichen Eingeweide einer vergangenen Ära angesichts der tiefgreifenden strukturellen und verhaltensmäßigen Veränderungen, die in vielen Volkswirtschaften stattgefunden haben […], die für eine sanftere Landung erforderliche Orientierungshilfe bieten wird.“

Die derzeitigen Unterbrechungen globaler Lieferketten und Fachkräftemangel würden eine angemessene Industriepolitik erfordern, um das Angebot an wichtigen Gütern mittelfristig zu erhöhen, heißt es in dem Bericht weiter. „Dies muss mit einer nachhaltigen globalen politischen Koordinierung und (Liquiditäts-)Unterstützung einhergehen, um den Ländern bei der Finanzierung und Bewältigung dieser Veränderungen zu helfen“.

Statt weiterer Zinserhöhungen sprechen sich die Autoren des UN-Berichts für Preiskontrollen und direkte Eingriffe in den Finanzmarkt durch die Notenbanken aus, um die steigende Inflation unter Kontrolle zu bringen. „Die Marktaufsichtsbehörden könnten beauftragt werden, gelegentlich direkt in den Börsenhandel einzugreifen, indem sie Derivatkontrakte kaufen oder verkaufen, um Preiszusammenbrüche zu verhindern oder Preisblasen abzubauen.“

Als eine weitere Möglichkeit nannte UNCTAD-Generalsekretärin Rebeca Grynspan die Einführung einer Übergewinnsteuer, also einer einmaligen Abgabe von Branchen, die in Zeiten höherer Inflation besonders stark profierten, etwa der Öl- und Gas-Industrie. „Es ist immer noch Zeit, sich vom Rand der Rezession abzusetzen“, so Grynspan.

IWF mahnt Fed zur Vorsicht und erinnert sie an ihre „große Verantwortung“

Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt davor, dass eine globale Rezession unmittelbar bevorsteht. Der IWF hat daher kürzlich seine Wachstumsprognosen für 2023 herabgestuft. Für 2022 rechnet der IWF nur noch mit einem Weltwirtschaftswachstum von 3,2 Prozent und für 2023 nur noch mit 2,9 Prozent.

In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters am Rande ihres Besuchs im saudi-arabischen Riad sagte IWF-Chefin Kristalina Georgieva, eine weltweite Rezession könne vermieden werden, wenn die Finanzpolitik der Regierungen mit der Straffung der Geldpolitik im Einklang stehe. Doch wahrscheinlich werde es im nächsten Jahr einige Länder geben, die dennoch in eine Rezession fallen, so geschäftsführende IWF-Direktorin.

Georgieva wendete sich explizit an die Fed und forderte sie dazu auf, in ihrer Politik „äußerst vorsichtig“ zu sein und die Auswirkungen auf den Rest der Welt zu berücksichtigen. Sie fügte hinzu, dass ihre Verantwortung „sehr groß“ sei. Die IWF-Chefin zeigte sich zudem besorgt über mögliche Auswirkungen der Geldpolitik der US-Notenbank auf den Arbeitsmarkt.

„Wir werden wahrscheinlich einen Anstieg der Arbeitslosigkeit erleben, und das wird der Zeitpunkt sein, an dem die Fed sagen muss: Wir haben unsere Arbeit getan. Wir können in der Zukunft nachlassen.“ So weit sei es jedoch noch nicht, weshalb Georgieva auch Verständnis dafür zeigte, dass die Fed ihren Kurs der Straffung zunächst weiter fortsetzen werde.

Denn die Inflation, die Georgieva als „Steuer für die Armen“ bezeichnete, sei das größere Übel und erfordere ein „entschlossenes Handeln der Zentralbanken“. In diesem Zusammenhang warnte sie die weltweiten Regierungen davor, die eigene Bevölkerung zu stark durch Subventionen und Energiepreissenkungen zu entlasten, da dies der Geldpolitik der Zentralbanken unterlaufe.

Die nächste Sitzung des Federal Open Market Committee (FOMC) findet am 2. November statt. Die meisten Marktteilnehmer rechnen Umfragen zufolge damit, dass die US-Notenbank dann die Zinsen um 75 Basispunkte anhebt, womit die Zinsspanne zwischen 3,75 und 4 Prozent läge. Damit würde die Fed den größten Zinssprung innerhalb weniger Monate seit 1982 hinlegen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Wahlrecht 2025: Kleinerer Bundestag, größere Auswirkungen – Das ändert sich für Wähler und Parteien
23.02.2025

Am Wahltag selbst werden die meisten Wählerinnen und Wähler keinen Unterschied bemerken. Doch hinter den Kulissen verändert sich...

DWN
Finanzen
Finanzen ROI: Return on Investment und warum eine hohe Kapitalrendite wichtig ist
23.02.2025

Eine hohe Kapitalrendite entscheidet über den finanziellen Erfolg von Unternehmen und Investoren. Erfahren Sie, warum sie so wichtig ist...

DWN
Finanzen
Finanzen BlackRock: Die unsichtbare Macht eines Finanzgiganten
23.02.2025

BlackRock ist der weltweit größte Vermögensverwalter – doch wie groß ist sein Einfluss wirklich? Buchautor Werner Rügemer erklärt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaft in der Krise – Welche Pläne haben die Parteien für Deutschland?
23.02.2025

Deutschland steckt in der Wirtschaftskrise – und die Bundestagswahl steht bevor. Wie wollen die Parteien Wachstum fördern, Steuern...

DWN
Politik
Politik Bundeswehr verstärkt Heimatschutz – neue Truppe startet im März
23.02.2025

Die Bundeswehr richtet ihre Verteidigung neu aus: Mit der Heimatschutzdivision will sie kritische Infrastruktur schützen und auf mögliche...

DWN
Politik
Politik Wahlkampf 2025: CDU/CSU zwischen Neustart und Tabubruch
23.02.2025

CDU und CSU setzen auf Steuererleichterungen, das Ende des Bürgergeldes und eine härtere Migrationspolitik. Doch wie realistisch sind die...

DWN
Politik
Politik Wie wähle ich bei der Bundestagswahl? Deutschland verweigert wahlberechtigten Auslandsdeutschen ihre Stimme abzugeben
22.02.2025

Mehrere Auslandsdeutsche berichten, zu spät oder bislang noch gar keine Wahlunterlagen erhalten zu haben. Nun drohen die Stimmen dieser...

DWN
Politik
Politik Rente mit 63: Wer wirklich von der abschlagsfreien Rente profitiert
22.02.2025

Die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren ist für Menschen gedacht, die beruflich sehr stark belastet sind. Doch aktuelle DIW-Zahlen...