Politik

Orban in Berlin: „Die Sanktionen richten Deutschlands Wirtschaft zu Grunde“

Der ungarische Ministerpräsident redet bei einem Besuch in Berlin Klartext. Er fordert Verhandlungen zwischen den USA und Russland über einen Waffenstillstand in der Ukraine.
11.10.2022 17:08
Aktualisiert: 11.10.2022 17:08
Lesezeit: 2 min
Orban in Berlin: „Die Sanktionen richten Deutschlands Wirtschaft zu Grunde“
Viktor Orban zu Besuch in Berlin. (Foto: dpa) Foto: Britta Pedersen

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban fordert Verhandlungen zwischen den USA und Russland über einen Waffenstillstand in der Ukraine - und setzt dabei auf den vor zwei Jahren abgewählten US-Präsidenten Donald Trump. "Die Feuerpause muss nicht zwischen Russland und der Ukraine zustandekommen, sondern zwischen Amerika und Russland", sagte Orban am Dienstag während seines Berlin-Besuchs.

Den derzeitigen US-Präsidenten Joe Biden sieht er wegen dessen scharfer Verbalattacken ("Kriegsverbrecher", "Schlächter", "mörderischer Diktator") gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin aber nicht als geeigneten Verhandlungsführer auf US-Seite. "Das wird jetzt brutal klingen, was ich sage. Aber Hoffnung für den Frieden heißt Donald Trump", sagte Orban bei einer Veranstaltung des Magazins "Cicero" und der "Berliner Zeitung" laut offizieller Übersetzung.

Orban nennt Merkels Agieren in Krim-Krise ein "Meisterwerk"

Geradezu ins Schwärmen geriet Orban, als es um die frühere Rolle von Kanzlerin Angela Merkel im Ukraine-Konflikt ging. Die Frage, ob es aus seiner Sicht keinen Ukraine-Krieg gegeben hätte, wenn Merkel Kanzlerin geblieben wäre, bejahte der ungarische Regierungschef. Merkel habe bereits 2014 durch ihr Agieren nach der russischen Annexion der Krim einen Krieg verhindert, sagte er.

"Was Angela Merkel gemacht hat zu Zeiten der Krim-Krise, das war ein Meisterwerk", sagte Orban. Es sei damals nicht zu einem Krieg gekommen, weil der Konflikt durch die diplomatischen Bemühungen Deutschlands isoliert worden sei. "Sie haben nicht zugelassen, dass das hoch geht und wir alle involviert werden." Als Russland im Februar die Ukraine angegriffen habe, habe es dagegen niemanden gegeben, der auch nur den Versuch unternommen hätte, das zu verhindern.

Orban nach Scholz-Gespräch: "Freue mich, ... dass er noch lebt"

Orban hatte Merkel am Sonntag während seines mehrtägigen Aufenthalts in Berlin getroffen. Über Inhalte des Gesprächs wurde zunächst nichts bekannt. Am Montag war Orban dann von Scholz im Kanzleramt empfangen worden. Anschließend sagte der Ministerpräsident: "Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass er (Scholz) noch lebt. Ich ebenfalls. Das Gespräch war also fruchtbar." Das Kanzleramt teilte nichts zu der Unterredung mit, die laut Orban zwei Stunden dauerte. Eine bei solchen Treffen übliche gemeinsame Pressekonferenz war ohne Begründung gar nicht erst angesetzt worden.

Orban: Sanktionen gegen Russland "bringen uns um"

Zuletzt machte er vor allem mit seiner Kritik an den EU-Sanktionen gegen Russland auf sich aufmerksam. Diese Kritik bekräftigte er in Berlin. "Die Sanktionen in dieser Form, die bringen uns um", sagte er. Sie würden auch die deutsche Wirtschaft zugrunde richten. "Das, was die (EU-)Kommission in Sachen Sanktionen jetzt macht, das ist katastrophal."

Orban vertrat die Auffassung, dass die Sanktionen der EU in ihrer jetzigen Form mehr schaden würden als Russland. Wenn sie intelligenter gestaltet worden wären, wären die Energiepreise heute nicht so hoch. "In der Energiefrage sind wir Zwerge und die Russen Riesen. Ein Zwerg sanktioniert einen Riesen. Und dann sind erstaunt, dass der Zwerg dann stirbt."

Orban: Bei Einigung zwischen USA und Russland "ist der Krieg zu Ende"

Orban plädierte vehement dafür, über Verhandlungen zu einem Waffenstillstand zu kommen. Die Ukraine sollte seiner Meinung nach aber nicht daran beteiligt werden. "Wer denkt, dass dieser Krieg durch russisch-ukrainische Verhandlungen abgeschlossen wird, der lebt nicht auf dieser Welt. Die Machtrealität ist anders." Die Ukraine könne ihren Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren nur führen, weil sie von den USA militärisch unterstützt werde. "Deswegen müssen sich die Amerikaner mit den Russen einigen. Und dann ist der Krieg zu Ende."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell weiter auf hohem Niveau: Kurs steigt deutlich über 4.100 Dollar – Blick geht zur Fed
25.11.2025

Der Goldpreis zieht weiter an und überschreitet wieder wichtige Marken. Doch hinter dem jüngsten Sprung stehen mehr als nur kurzfristige...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Großprojekt Suedlink: Baubeginn trotz jahrelanger Debatten
25.11.2025

Nach jahrelangen Diskussionen fällt heute im thüringischen Wasungen der offizielle Startschuss für den Bau der Stromautobahn Suedlink,...

DWN
Politik
Politik Putins Risikooffensive: Warum 2027 zum Wendepunkt für Europa werden kann
25.11.2025

Ein zunehmend risikofreudiger Kreml und eine bröckelnde amerikanische Schutzgarantie treffen auf ein Europa, das gefährlich unvorbereitet...

DWN
Politik
Politik G20 in Afrika: Geschlossenheit trotz US-Abwesenheit – Signal für Frieden und Entwicklung
24.11.2025

Beim ersten G20-Gipfel auf afrikanischem Boden bleibt der Platz der USA demonstrativ leer – doch die übrigen Mitglieder setzen ein...

DWN
Panorama
Panorama Abnehmwirkstoff ohne Alzheimer-Erfolg: Novo-Nordisk-Studie enttäuscht Anleger
24.11.2025

Der Pharmakonzern Novo Nordisk hat mit seinem Abnehmmittel Semaglutid in einer Alzheimer-Studie einen Rückschlag erlitten. Die...

DWN
Finanzen
Finanzen Marktrisiko: Weshalb Topinvestoren jetzt Alarm schlagen
24.11.2025

Die jüngsten Kursstürze an den Märkten zeigen, wie angespannt die Lage geworden ist. Während Anleger nervös auf jede Bewegung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Konjunkturtrübung: Ifo-Index sinkt überraschend – Hoffnungen auf Erholung schwinden
24.11.2025

Die Stimmung in den deutschen Chefetagen hat sich unerwartet eingetrübt: Im November fiel das Ifo-Geschäftsklima auf 88,1 Punkte und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bayer-Aktien auf Jahreshoch: Pharma-Erfolg mit dem Gerinnungshemmer Asundexian
24.11.2025

Nach Jahren des Abstiegs erlebt die Bayer-Aktie einen überraschenden Kursschub. Ein neuer Studienerfolg weckt Hoffnung auf...