Deutschland

Energie-Sanktionen: Inflation in Deutschland gerät außer Kontrolle

Erstmals seit den Nachkriegsjahren übersteigt die Teuerung offiziell die Marke von 10 Prozent.
13.10.2022 11:00
Aktualisiert: 13.10.2022 11:27
Lesezeit: 2 min
Energie-Sanktionen: Inflation in Deutschland gerät außer Kontrolle
Die Inflation in Deutschland gerät wegen extremer Preisanstiege für Energie außer Kontrolle. (Foto: dpa) Foto: Sven Hoppe

Die Inflation in Deutschland hat erstmals seit den Nachkriegsjahren die Marke von 10 Prozent erreicht. Angetrieben von hohen Energie- und Lebensmittelpreisen infolge des Krieges und der Sanktionen stiegen die Verbraucherpreise im September gegenüber dem Vorjahresmonat sprunghaft um 10,0 Prozent. Das Statistische Bundesamt bestätigte am Donnerstag vorläufige Daten, die Ende September bekannt gegeben worden waren. Im August war noch eine Jahres-Teuerungsrate von 7,9 Prozent verzeichnet worden.

Die Menschen müssen sich nach Einschätzung von Volkswirten auf weiter hohe Inflationsraten einstellen. Etwas Entspannung erwartet die Bundesregierung im kommenden Jahr durch die geplante Gaspreisbremse – diese muss allerdings mit neuen Schulden finanziert werden und belastet dadurch den Steuerzahler in Zukunft.

Hohe Inflationsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, diese können sich für einen Euro weniger leisten. Seit Monaten sind Energie und Lebensmittel die größten Preistreiber. „Zudem haben das Auslaufen von 9-Euro-Ticket und Tankrabatt den Preisauftrieb im September 2022 verstärkt“, erläuterte Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes. Beide Maßnahmen waren bis Ende August befristet. Bund und Länder verhandeln derzeit über eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket.

Sanktionen lösen Energie-Krise aus

Für Energie mussten Verbraucher im September als Folge der gegen russische Energie-Produkte erlassenen Sanktionen 43,9 Prozent mehr zahlen als ein Jahr zuvor. Mehr als doppelt soviel kostete leichtes Heizöl (plus 108,4 Prozent), Erdgas verteuerte sich um 95,1 Prozent. Die Preise für Strom kletterten um 21,0 Prozent. Nahrungsmittel verteuerten sich innerhalb eines Jahres um 18,7 Prozent. Vor allem Speisefette und Speiseöle sowie Molkereiprodukte und Eier kosteten erheblich mehr.

Lesen Sie dazu: Habeck: Sanktionen sind „großer Erfolg“, Russland ist bald ruiniert

Gegenüber dem Vormonat stiegen die Verbraucherpreise in Europas größter Volkswirtschaft im September um 1,9 Prozent. Ein bedenklicher Wert, denn auf 12 Monate hochgerechnet würde die September-Inflation eine Jahresinflation von 22,8 Prozent bedeuten.

Um Verbraucher und Unternehmen wegen der stark steigenden Energiepreise zu unterstützen, hat die Bundesregierung einen Abwehrschirm von bis zu 200 Milliarden Euro angekündigt. Davon soll auch die geplante Gaspreisbremse finanziert werden. Diese dämpft laut Prognose des Bundeswirtschaftsministeriums den Anstieg der Verbraucherpreise im kommenden Jahr.

Inflationsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie. In den alten Bundesländern wurden Raten von 10 Prozent und mehr Anfang der 1950er Jahre gemessen, allerdings hat sich die Berechnungsmethode im Laufe der Zeit geändert.

Die Europäische Zentralbank (EZB), die sich mit höheren Zinsen gegen die rekordhohe Inflation stemmt, strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei zwei Prozent Inflation an. Im September betrug der für die Geldpolitik maßgebliche Index HVPI für Deutschland 10,9 Prozent.

Brauer-Bund warnt vor Pleitewelle

Welche Auswirkungen die rasant gestiegenen Energiepreise haben, zeigt sich am Beispiel der deutschen Brauereien. Vor einer Pleitewelle hat am Donnerstag der Deutsche Brauer-Bund gewarnt.

In der Energiekrise habe sich die Situation der Branche dramatisch zugespitzt, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Holger Eichele, am Donnerstag in Berlin. „Wenn es Bund und Ländern nicht bald gelingt, die Preise für Gas und Strom schnell und wirksam zu begrenzen, werden viele Betriebe im produzierenden Gewerbe den Jahreswechsel nicht mehr erleben.“

Nach der Absatzkrise während der Corona-Pandemie setzten nun die hohen Energiepreise den Betrieben zu, schilderte Eichele die Lage. Zwar habe sich der Absatz zuletzt stabilisiert, doch die hohen Kosten führten zu herben Verlusten. „2022 wird eines der schwärzesten Jahre unserer Geschichte, und die Aussichten für 2023 sind leider düster“, sagte Eichele auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Verband der Bier-Sommeliers.

In den vergangenen beiden Jahren ist die Zahl der Braustätten in Deutschland erstmals seit langer Zeit zurückgegangen. Zum Jahresende 2021 gab es noch 1512 Brauereien und damit 40 weniger als zwei Jahre zuvor.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Schmuck aus Holz und Stein: Holzkern – wie Naturmaterialien zum einzigartigen Erfolgsmodell werden
07.11.2025

Das Startup Holzkern aus Österreich vereint Design, Naturmaterialien und cleveres Marketing zu einem einzigartigen Erfolgsmodell. Gründer...

DWN
Finanzen
Finanzen Wall Street: Wie die Märkte alle Warnsignale ignorieren
07.11.2025

Die Wall Street kennt derzeit nur eine Richtung – nach oben. Während geopolitische Krisen, Schuldenstreit und Konjunkturrisiken...

DWN
Politik
Politik Donald Trump: Warum die Wahlsiege der Demokraten kein Wendepunkt sind
07.11.2025

Vier Wahlsiege der Demokraten in Folge, und doch kein politisches Erdbeben: Donald Trump bleibt erstaunlich unerschüttert. Während die...

DWN
Politik
Politik Pistorius will mehr Mut und neue Führungskultur in der Bundeswehr
07.11.2025

Angesichts russischer Bedrohungen und interner Bürokratie fordert Verteidigungsminister Boris Pistorius tiefgreifende Reformen in der...

DWN
Panorama
Panorama Mehr Mobbing in Schule, Beruf und Netz – Studie warnt vor zunehmender Schikane
07.11.2025

Mobbing ist längst kein Problem von gestern: Eine aktuelle Studie zeigt, dass immer mehr Menschen sowohl am Arbeitsplatz als auch online...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rheinmetall startet Satellitenproduktion – Rüstung geht jetzt ins All
07.11.2025

Rheinmetall, bisher vor allem bekannt für Panzer, Haubitzen und Drohnen, wagt den Schritt ins Weltall. Der deutsche Rüstungskonzern hat...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Sichtbar mit KI: Wie KMU auf ChatGPT und Gemini gefunden werden
07.11.2025

Nach der Einführung von Googles KI-Übersicht ist der Website-Traffic im Schnitt um sieben Prozent gesunken. Klassisches SEO verliert an...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Teure Naschzeit: Preise für Schoko-Weihnachtsmänner steigen deutlich
07.11.2025

Süße Klassiker wie Schoko-Weihnachtsmänner, Dominosteine und Lebkuchen gehören für viele zur Adventszeit dazu – doch in diesem Jahr...