Wirtschaft

Großbritannien: Auf dem Immobilien-Markt droht Panik auszubrechen

Die Immobilien-Verkäufe in Großbritannien brechen drastisch ein. Viele Hausbesitzer können ihre Hypothek künftig möglicherweise nicht mehr bedienen.
30.10.2022 08:46
Aktualisiert: 30.10.2022 08:46
Lesezeit: 2 min

Der von der damaligen Premierministerin Liz Truss und ihrem Finanzminister Kwasi Kwarteng am 23. September bekanntgegebene Haushaltsentwurf hat den britischen Immobilienmarkt durcheinandergewirbelt und zu einem Anstieg der langfristigen Kreditkosten, die die Grundlage für Hypothekengeschäfte bilden, geführt. Insbesondere der Plan, erhebliche Steuersenkungen mit neuen Schulden finanzieren zu wollen, hatte auf den Anleihemärkten für Unruhe gesorgt.

Jetzt warnen Branchenexperten, dass die wahre „Horrorgeschichte“ auf dem britischen Markt erst in den kommenden Monaten zu spüren sein wird.

Laut einem Bericht in The Guardian, sind Wohnungsbaudarlehen nach den diesjährigen Leitzinserhöhungen der Bank of England bereits deutlich teurer geworden. Nach dem Schock des Truss-Kwarteng-Budgets (das vor zwei Wochen vom neuen britischen Schatzkanzler Jeremy Hunt größtenteils rückgängig gemacht wurde) wurden etwa 1.700 Angebote zurückgezogen und neue Hypothekenprodukte sind jetzt viel teurer geworden.

Rasanter Kostanstieg für Hypothekenprodukte

Die Kosten für eine durchschnittliche zweijährige Festhypothek erreichten vor kurzem 6,55 Prozent und damit den höchsten Stand seit der Finanzkrise im Jahr 2008, so das Finanzdatenunternehmen Moneyfacts.

Die neusten Daten der britischen Steuerbehörde HM Revenue and Customs zeigten, dass die Zahl der im September verkauften Häuser und Wohnungen um fast 40 Prozent zurückgegangen ist. In ganz Großbritannien wurden im September 103.930 Transaktionen verzeichnet – 37 Prozent weniger als im gleichen Monat des Jahres 2021.

Sarah Coles, Senior-Analystin für persönliche Finanzen bei der britischen Investmentgesellschaft Hargreaves Lansdown, sagte, die September-Zahlen litten im Vergleich mit dem Vorjahr, aber sie fügte hinzu: „Die wahre Horrorgeschichte der Hausverkäufe wird sich erst noch in den kommenden Monaten abspielen.“

Die im September abgeschlossenen Hausverkäufe wurden größtenteils um Juni herum vereinbart, als die Nachfrage ein wenig zurückging, da die steigenden Preise einige zum Umdenken veranlassten. Während die Hypothekenzinsen stiegen, lag der durchschnittliche zweijährige Festzins zu dieser Zeit aber noch bei 3,61 Prozent, so dass die monatlichen Zahlungen für viele Käufer „immer noch erschwinglich waren“, so Coles.

„Die in den kommenden Wochen abgeschlossenen Verkäufe werden wahrscheinlich weitaus schlimmer aussehen, da das durch das Mini-Budget ausgelöste Chaos die Hypothekenzinsen für viele Käufer außer Reichweite gebracht hat.“

Düsterer Ausblick

Coles wies darauf hin, dass der durchschnittliche zweijährige Festzins um fast drei Prozentpunkte über dem Wert vom Juni liegt. „Wir können davon ausgehen, dass sich dies gegen Ende dieses Jahres und bis Anfang 2023 auf die Abschlusszahlen auswirken wird, wenn sich das heutige Gefühl des wachsenden Schocks (bei Hauskäufern) in den Zahlen niederschlägt.“

Einige Käufer, die bereits eine Hypothek aufgenommen hatten, würden ihren Kauf wahrscheinlich abschließen, während andere sich dafür entscheiden könnten, die Entwicklung der Hypothekenzinsen und Hauspreise in den kommenden Monaten abzuwarten, meinte sie.

Die Rating-Agentur Moody's hatte den wirtschaftlichen Ausblick für Großbritannien vergangene Woche wegen politischer Instabilität und hoher Inflation von „stabil“ auf „negativ“ herabgestuft.

Moody's begründete die Änderung mit der „erhöhten Unvorhersehbarkeit der politischen Entscheidungen angesichts der schwächeren Wachstumsaussichten und der hohen Inflation“ und den „Risiken für die Erschwinglichkeit der Schulden von Großbritannien aufgrund der wahrscheinlich höheren Kreditaufnahme und des Risikos einer anhaltenden Schwächung der politischen Glaubwürdigkeit“.

Die Agentur behielt jedoch das derzeitige Kreditrating von Aa3 für Großbritannien unverändert bei und erklärte, das aktuelle Rating spiegele die wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit des Landes wider „obwohl die Vorhersehbarkeit der Finanzpolitik in den letzten Jahren nachgelassen hat.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

Vera von Lieres

Vera von Lieres gehört seit September 2022 zum DWN-Team und schreibt als Redakteurin über die Themen Immobilien und Wirtschaft. Sie hat langjährige Erfahrung im Finanzjournalismus, unter anderem bei Reuters und führenden Finanzmedien in Südafrika. Außerdem war sie als Kommunikations- und Marketing-Spezialistin bei internationalen Firmen der Investment-Branche tätig.

DWN
Politik
Politik Haushaltsstreit 2025: Klingbeils Pläne, Kritik und offene Milliardenlücken
08.07.2025

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat den Haushaltsentwurf für 2025 und die Finanzplanung bis 2029 in den Bundestag eingebracht....

DWN
Unternehmen
Unternehmen VW-Konzern behauptet Spitzenposition im deutschen E-Auto-Markt
08.07.2025

Der VW-Konzern setzt im deutschen E-Auto-Markt neue Maßstäbe. Die aktuellen Zahlen zeigen eine eindrucksvolle Entwicklung – doch der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China frisst Europas Industrie und niemand wehrt sich
08.07.2025

Chinas Staatskonzerne zerlegen Europas Industrie Stück für Stück – doch Berlin, Brüssel und Paris liefern nur leere Worte. Während...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Dow schließt Chemieanlagen: Was das für Deutschland bedeutet
07.07.2025

Der US-Konzern Dow zieht sich teilweise aus Mitteldeutschland zurück – und das hat Folgen. Standorte in Sachsen und Sachsen-Anhalt...

DWN
Politik
Politik Folgekosten in Millionenhöhe: Corona-Krise und die Schattenseite staatlicher Beschaffung
07.07.2025

Milliardenkosten, ungenutzte Schutzmasken und politische Spannungen: Die Folgen der Maskenkäufe in der Corona-Krise wirken bis heute nach....

DWN
Politik
Politik Kontrollen an der Grenze zu Polen: Grenzkontrollen jetzt beidseitig aktiv
07.07.2025

Mitten in der Urlaubszeit zieht Polen die Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland an. Reisende spüren die Auswirkungen sofort –...

DWN
Politik
Politik Trump droht BRICS-Staaten mit neuen Strafzöllen
07.07.2025

Trump verschärft den Handelsstreit mit den BRICS-Staaten drastisch. Seine angekündigten Strafzölle könnten globale Lieferketten...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX aktuell auf Höhenflug trotz drohender US-Handelszölle
07.07.2025

Der DAX überrascht mit einem starken Anstieg über 24.000 Punkte – und das trotz drohender US-Zölle. Wie reagieren Investoren auf die...