Elon Musk hat bei Twitter die Macht übernommen und umgehend die ersten Zeichen gesetzt. „Der Vogel ist befreit“, twitterte der Gründer des Elektroauto-Bauers Tesla am Donnerstag (Ortszeit) in Anspielung auf das Logo von Twitter, einen kleinen blauen Vogel. Er hatte angekündigt, die strengen Regeln für die Inhalte des Kurznachrichtendienstes zu lockern, die die Millionen Twitter-Nutzer posten dürfen.
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Nach einem monatelangen Tauziehen ist der Milliardär seit Donnerstag offiziell der Eigentümer des Social-Media-Netzwerks, das er sich nach einem beispiellosen Tauziehen 44 Milliarden Dollar kosten ließ. Unmittelbar danach feuerte Musk Twitter-Chef Parag Agrawal, Finanzchef Ned Segal und Chef-Justiziarin Vijaya Gadde, welche bei Twitter für die Blockierung unliebsamer Inhalte letztverantwortlich war.
Agrawal und Segal seien von Sicherheitskräften aus der Twitter-Zentrale in San Francisco geleitet worden, sagten mehrere Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Musk änderte die Selbstbeschreibung auf seinem Twitter-Account auf „Chief Twit“. Der reichste Mann der Welt könnte nun selbst die Führung des Unternehmens übernehmen, das am Freitag Abschied von der New Yorker Börse nimmt. Twitter, Musk und die Manager nahmen dazu zunächst keine Stellung.
Musk hatte den Twitter-Führungskräften vorgeworfen, ihn und die Investoren über die Zahl gefälschter Konten auf der Social-Media-Plattform getäuscht zu haben. Nach offiziellen Angaben sind es weniger als fünf Prozent „Fake Accounts“. Im Streit um die vertraulichen Unternehmensdaten hatte Musk gedroht, die im Frühjahr verkündete Übernahme ganz abzublasen, doch der Vorstand zwang ihn mit einer Klage, das Vorhaben umzusetzen.
Musk hat Stellenstreichungen in der 7500 Mitarbeiter starken Belegschaft von Twitter angekündigt, versuchte aber inzwischen, ihnen die Sorgen vor Massenentlassungen zu nehmen und auch die Werbekunden bei der Stange zu halten. „Twitter darf kein gesetzloses Höllenloch werden, wo man alles sagen kann, ohne Konsequenzen zu fürchten“, schrieb er in einem offenen Brief an die Werbekunden. Die Plattform dürfe keine Echokammer für Hass und Spaltung werden.
Er habe Twitter nicht gekauft, um noch mehr Geld zu verdienen, sondern „um zu versuchen, die Menschlichkeit zu fördern, die ich liebe“, erklärte Musk. Wie er das bewerkstelligen will und wer das Unternehmen künftig führen soll, lässt Musk bisher offen. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg will er selbst den Chefposten übernehmen.
Im Mai hatte Musk angekündigt, die Sperrung des Twitter-Kontos des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump rückgängig zu machen. Doch Trump hat erklärt, er wolle nicht auf die Plattform zurückkehren. Er hat inzwischen seine eigene Social-Media-App „Truth Social“ gegründet. Diese ringt allerdings noch um ihren geplanten Börsengang.
Musk hatte angedeutet, er wolle Twitter zu einer „Super App“ weiterentwickeln, die - ähnlich wie WeChat in China - alles von Geldtransfers über Online-Käufe bis zu Taxi-Diensten ermöglichen soll. Doch angesichts des Wirbels um die Übernahme durch Musk droht das Unternehmen seine aktivsten Nutzer zu verlieren. Diese „Heavy Tweeter“ machen zwar nur zehn Prozent aller Nutzer aus, stehen aber für 90 Prozent aller Tweets und für die Hälfte des weltweiten Umsatzes.
Übernahme dauerte halbes Jahr
Das Drama um Musk und Twitter hatte am 4. April begonnen, als der Self-made-Milliardär eine Beteiligung von 9,2 Prozent offenlegte, mit der er sich zum größten Aktionär von Twitter aufschwang. Doch statt wie vereinbart in den Verwaltungsrat einzuziehen, legte er ein Übernahmeangebot über 54,20 Dollar je Aktie vor, von dem lange unklar blieb, wie ernst es gemeint war. Doch es war Musk ernst: Ohne wie üblich die Bücher zu prüfen, schlug er eine Woche später zum angebotenen Preis ein.
Erst danach schürte er Zweifel an den öffentlich verfügbaren Daten, etwa zu gefälschten Konten, und beschuldigte die Twitter-Führung, Informationen zurückzuhalten. Anfang Juli kündigte er sogar an, die Übernahme abzublasen. Doch das Management schlug zurück, warf ihm vor, er wolle einen Vorwand nutzen, um sich davonzustehlen, weil er das Gefühl habe, zu viel bezahlt zu haben. Twitter klagte vor Gericht auf den Vollzug der Transaktion. Doch Anfang Oktober lenkte Musk in letzter Minute ein.