Politik

Die große DWN-Analyse, Teil Eins: Wie der Iran zu einer Drohnen-Macht aufstieg

Lesezeit: 4 min
06.11.2022 09:00
Jahrzehntelange Entwicklungsarbeit hat den Iran zu einem bedeutsamen Player in der Drohnentechnologie gemacht.
Die große DWN-Analyse, Teil Eins: Wie der Iran zu einer Drohnen-Macht aufstieg
Russlands Präsident Wladimir Putin mit Irans Präsident Ebrahim Raisi. (Foto: dpa)
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Infolge der Debatte über den Einsatz iranischer Drohnen im Krieg in der Ukraine ist die Entwicklung der iranischen Drohnenindustrie zuletzt verstärkt in den medialen Fokus gerückt. Moskau und Teheran haben abgestritten, dass der Iran mit gelieferten Drohnen im Krieg mitinvolviert ist. Gleichzeitig soll Russland laut der Nachrichtenagentur Middle East Eye Berichten zufolge mehrere hundert iranische Drohnen gekauft und weitere 1000 bestellt haben. Auch hier bestritten Moskau und Teheran die Existenz solcher Transaktionen.

Russischer Militärexperte verplapperte sich

Befeuert wurde die Debatte um iranische Drohnen im Ukrainekrieg durch den kremlnahen russischen Militärexperten, Ruslan Puchow , der, ohne zu merken, dass das Mikrofon bereits eingeschaltet war, mit dem Plaudern anfing und pikante Aussagen über die Drohnen tätigte: „Wir alle wissen, dass sie iranisch sind, aber die Regierung will es nicht zugeben.“

Das britische Verteidigungsministerium erklärte am 17. Oktober, man habe Informationen, dass Russland in der Ukraine mit iranischen Waffensystemen operiert. Das Büro von Israels Präsident Jitzchak Herzog, sagte, dass er mit US-Präsident Joe Biden beim Besuch in Washington am 30. Oktober über die Informationen sprechen werde, die Israel über die Einsätze iranischer Drohnen in der Ukraine habe. Nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums wurden in den vergangenen zwei Wochen mindestens 300 iranische Kamikaze-Drohnen des Typs Shahed 136 eingesetzt, um einen Großteil des Netzes von Kraftwerken des Landes zu zerstören.

Sollte der Fall zutreffen und iranische Drohnen in der Ukraine zum Einsatz kommen, würden diese Einsätze dem Iran die Möglichkeit geben, sie in einem dynamischen Konflikt zu testen und seinen Wissenschaftlern die Möglichkeit zu geben, zu lernen, und seinen Politikern die Möglichkeit zu geben, iranische Hardware zu präsentieren. Ein ehemaliger Kommandeur des Korps der Islamischen Revolutionsgarden und hochrangiger militärischer Berater des Obersten Führers des Iran, Generalmajor Yahia Rahim Safavi, erklärte laut dem Middle East Eye kürzlich, dass mindestens 22 Länder an der Beschaffung von Militärdrohnen aus iranischer Produktion interessiert seien.

Parallel zu den Anschuldigungen an den Iran seitens der westlichen Welt prahlte Irans oberster Führer Ayatollah Ali Khamenei laut der Londoner Nachrichtenagentur in Anspielung auf einen möglichen Einsatz in der Ukraine mit dem Drohnenprogramm des Landes: „In der Vergangenheit hat man an der iranischen Technologie gezweifelt und sie als Fälschung bezeichnet und jetzt sagen sie, iranische Drohnen seien gefährlich und werfen uns vor: „Warum verkauft ihr sie an diesen und jenen?“

Drohnen als nationale Priorität

Die Frage, welche sich viele Beobachter stellen ist: Wie konnte Iran seine Drohnentechnologie in den vergangenen Jahren so weit entwickelt? Um eine Antwort zu bekommen, muss man in die Geschichte des Irans der letzten 30 Jahre zurückgehen. Laut dem Middle East Eye genießt die Beherrschung von Drohnen für den Iran seit Jahrzehnten Priorität, die von den Behörden trotz der von den USA und ihren Verbündeten erlassenen Sanktionen gepflegt und verwaltet wird.

Seit der islamischen Revolution im Jahr 1979 und der daraus resultierenden Feindseligkeit zwischen dem Iran und dem Westen haben die internationalen Sanktionen Teheran dazu veranlasst, sich bei allen möglichen Gütern selbst zu versorgen, insbesondere bei militärischen Gütern.

Ein langjähriges westliches Waffenembargo hat dazu geführt, dass der Iran nicht in der Lage war, sein Militär aufzurüsten, während die regionalen Konkurrenten mit Unterstützung des Westens quantitativ und qualitativ aufgerüstet haben, so Hamidreza Azizi, Iran-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) gegenüber der Nachrichtenagentur: „Eine ganz besondere Schwäche, die der Iran zu spüren bekam, war seine Unfähigkeit, seine Luftwaffe sinnvoll aufzurüsten. Die Islamische Republik hat die Luftwaffe vom Schah geerbt, aber sie ist im Grunde nicht mehr für einen militärischen Konflikt mit regionalen oder globalen Gegnern geeignet.“

Die vier Säulen der Militärstrategie Irans

Während des iranisch-irakischen Krieges Mitte der 1980er Jahre begann das Interesse Teherans an Drohnen. Die erste Drohne trug den Namen Ababil, was so viel wie Vogelschwarm bedeutet, ein Name, der den strategischen Einsatz von Drohnen auf dem Schlachtfeld vorwegnimmt. Irans Einsatz von Ababil entweder als Waffensystem oder zur Überwachung und Aufklärung unterstrich die militärische Notwendigkeit, die begrenzten Ressourcen zu schonen, und zwar sowohl das Humankapital als auch seine Luftwaffe, die von US-Firmen abhängig war, deren Wartung nicht mehr verfügbar war. In den folgenden Jahrzehnten wurde das iranische Drohnenprogramm als integraler Bestandteil des iranischen Militärs entwickelt, so Azizi.

Die Entwicklung leistungsfähiger Drohnen stellt eine der vier Säulen der iranischen Militärstrategie dar. Bei den anderen handelt es sich um das Raketenprogramm, das Netzwerk nichtstaatlicher Verbündeter und Stellvertreter sowie die wachsenden Fähigkeiten im Bereich der Cyber-Kriegsführung. Zusammengenommen, so Azizi, bilden sie die Säulen der „asymmetrischen Abschreckung“, die der Iran angesichts der lähmenden Sanktionen entwickelt hat.

„Der Iran hat sein Raketen- und Drohnenprogramm entwickelt, um das Fehlen einer effektiven Luftwaffe zu kompensieren“, sagt Azizi und fügt hinzu, dass „die einheimische Entwicklung in Irans militärischem Denken allmählich Vorrang hat“. Die zunehmende Bedeutung von Drohnen im strategischen Denken des Irans hat in den letzten Jahren stark zugenommen, so Professor Anoush Ehteshami von der Durham University und Autor des Buches Defending Iran: „From Revolutionary Guards to Ballistic Missiles“, gegenüber der Nachrichtenagentur.

Abschreckung gegenüber Israel

„Das iranische Raketenprogramm stand schon immer im Mittelpunkt des Interesses, weil es vor allem gegenüber Israel abschreckend wirkt“, so Ehteshami. „Erst in den letzten 10 Jahren hat die Entwicklung von Drohnen im Iran richtig Fahrt aufgenommen. Das ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass der Iran eine amerikanische Drohne erworben hat, die über dem Land abgeschossen wurde.“ Die Fähigkeit des Irans, einige amerikanische Drohnen vom Himmel zu holen, ist seinem Know-how im Bereich der Drohnentechnologie zugute gekommen. Außerdem haben die Wissenschaftler des Landes fleißig von ihren Gegnern gelernt.

Im Jahr 2011 schossen die iranischen Streitkräfte eine intakte US-Drohne vom Typ RQ-170 Sentinel ab, die sie innerhalb eines Jahres nachbauten und schließlich ihre eigene Version herstellten - eine Fähigkeit, die sie seit den 1980er Jahren verfeinert haben. „Der Iran hat in den letzten Jahrzehnten sein Know-how im Bereich der Reverse-Technologie ausgebaut“, so Ehteshami. „Man kann ihnen mehr oder weniger alles geben, und ihre Ingenieure und Wissenschaftler, insbesondere im militärisch-industriellen Komplex, können es dann auseinandernehmen und Wege finden, es wieder zusammenzusetzen.“ Heute verfügt der Iran über eine Flotte von Drohnen, die in der Lage sind, präzisionsgelenkte Raketen mit einer Reichweite von 2.000 km abzuschießen sowie über eine Reihe von Überwachungsdrohnen.

Teil 2 der Analyse finden Sie hier.


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