Der deutsche Handel mit Mittel- und Osteuropa steuert ungeachtet des russischen Krieges gegen die Ukraine auf ein Rekordjahr zu. Der bilaterale Warenaustausch mit den 29 Staaten Mittel- und Osteuropas stieg in den ersten drei Quartalen um 14,3 Prozent zum Vorjahreszeitraum auf fast 421 Milliarden Euro, wie aus einer der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Bilanz des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft hervorgeht.
Rekordjahr für Osteuropa-Geschäfte
„Das ist ein neuer Höchstwert“, sagte Geschäftsführer Michael Harms am Freitag. Dazu hätten deutlich gestiegene Ex- und Importpreise beigetragen. Teure Energie, Rohstoffe und Vorprodukte machen sich vor allem bei den Importen aus der Region bemerkbar: Deren Wert nahm um fast ein Fünftel auf 216 Milliarden Euro zu, während die deutschen Exporte in die Region von Januar bis September um 9,2 Prozent auf 205 Milliarden Euro zulegten.
„Das Rückgrat des deutschen Osthandels bleiben die Länder Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei“, sagte Harms. Hier wurden allein im September Handelszuwächse zwischen 18 Prozent (Polen) und 48 Prozent (Slowakei) verbucht. Der Anteil dieser vier sogenannten Visegrád-Staaten am gesamten deutschen Außenhandel summiert sich damit auf 12,5 Prozent und liegt damit deutlich über dem der USA oder China.
Zugleich beschleunigt sich die Entflechtung der deutschen und russischen Wirtschaft. Die Exporte nach Russland sind bereits seit Kriegsbeginn im Februar im Sinkflug: Sie brachen in den ersten drei Quartalen um 41 Prozent ein, im September allein lag das Minus bei 53 Prozent. Dadurch rutschte Russland unter den deutschen Handelspartnern im Osten erstmals hinter die Slowakei und Rumänien auf Platz sechs.
Anrainer-Staaten füllen Russland-Vakuum
„Vom Bedeutungsverlust Russlands profitieren Länder in unmittelbarer Nähe zum russischen Markt, die sich erfolgreich als alternative Wirtschaftsstandorte und Rohstofflieferanten positionieren“, sagte Harms. So habe der Außenhandel mit Kasachstan, Usbekistan, Armenien und Aserbaidschan seit Beginn des Krieges massiv zugelegt. „Diesen Ländern kommt wirtschaftlich zudem die wachsende Zahl gut ausgebildeter Flüchtlinge aus Russland und die Verlagerung ganzer Unternehmen zugute“, sagte der Experte.
Der deutsche Handel mit der Ukraine zeigt sich dem Ost-Ausschuss zufolge angesichts der Kriegsauswirkungen „erstaunlich stabil“. In den ersten neun Monaten betrug das Minus im Warenaustausch weniger als zehn Prozent, bei den Importen aus der Ukraine sogar unter drei Prozent. „Es gibt eine große Bereitschaft unter den deutschen Unternehmen, den Wiederaufbau des Landes zu unterstützen“, sagte Harms.
Auch Südosteuropa und der westliche Balkan bleiben wichtige Wachstumsmärkte. Im Außenhandel mit Bulgarien, Serbien und Kroatien habe es in den ersten neun Monaten des Jahres Zuwächse um mehr als ein Fünftel gegeben.