Wirtschaft

Ölpreis-Deckel gegen Russland schadet vor allem Europa

Die Sanktionen gegen Russland schaden bisher vor allem Europa. Daran wird auch der Preisdeckel auf russisches Öl nichts ändern, den die EU nächste Woche startet.
Autor
02.12.2022 20:13
Aktualisiert: 02.12.2022 20:13
Lesezeit: 3 min
Ölpreis-Deckel gegen Russland schadet vor allem Europa
Unter Führung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen startet die EU nächste Woche den Preisdeckel auf russischen Öl. (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Ungeachtet der vom Westen gegen Russland verhängten Sanktionen exportiert das Land weiterhin im großen Stil sein Öl. In der Folge wird Russlands Leistungsbilanzüberschuss in diesem Jahr voraussichtlich 265 Milliarden Dollar erreichen. Nur Chinas Leistungsbilanzüberschuss wird noch höher ausfallen. Die westlichen Sanktionen schaden nicht etwa der Führung in Moskau, sondern vor allem den Menschen in Europa.

Am 5. Dezember wird die Europäische Union nach langer Diskussion einen Plan umsetzen, der ursprünglich im Mai ausgearbeitet wurde. Sie wird die Einfuhr von russischem Öl auf dem Seeweg verbieten. Außerdem wird es europäischen Versicherern untersagt, russisches Rohöl zu versichern, zu verschiffen oder mit ihm zu handeln - es sei denn, das Öl wird zu einem Preis verkauft, der unter einer vom Westen festgelegten Obergrenze liegt.

Seit Beginn des Krieges im Februar bemüht sich der Westen, Russland mithilfe von Sanktionen zu schaden. Doch die Sanktionen gegen den russischen Energiesektor und die Zerstörung der Ostsee-Pipeline Nord Stream haben vor allem dazu geführt, die Energieversorgung ineffizienter und teurer zu machen. Den Preis dafür zahlen nun die Verbraucher in aller Welt. Vor allem für die Europäer wird der kommende Winter kalt und teuer werden.

Die europäischen Versicherer und Schifffahrtsunternehmen haben die Energiemärkte seit langem im Griff. Rund 95 Prozent der Sach- und Haftpflichtversicherungen für alle Öltanker wurden von Unternehmen aus Großbritannien und der EU abgeschlossen. Dies schien also ein Hebel zu sein, mit dem der Westen den Verkauf von russischem Öl weltweit beeinträchtigen könnte. Doch schon bei der Ankündigung des Verbots zeigte sich eine Schwachstelle.

Wenn nämlich das russische Öl nicht auf den Markt kommt, so könnten die weltweiten Ölpreise in die Höhe schnellen, was den westlichen Verbrauchern zusätzlich schaden würde. Daher hat das US-Finanzministerium inzwischen einen Plan zur Abschwächung des Verbots ausgearbeitet. Demnach sollen europäische Versicherer und Schifffahrtsunternehmen ihre Dienste weiterhin anbieten dürfen, sofern das Öl zu einem vom Westen festgelegten, gedrückten Preis gekauft wird.

"Auf dem Papier sieht das klug aus", kommentiert der Economist diesen Plan eines Preisdeckels für russisches Öl. Denn ein gedeckelter Ölpreis würde Russlands Einnahmen schmälern. Und solange der Deckel über den Produktionskosten zwischen 20 und 44 Dollar pro Barrel liegt, hätte Russland immer noch einen Grund, das Öl zu fördern. Die Verbraucher bekämen das Öl billiger. Auch Länder wie China und Indien würden sich auf dieses Schnäppchen stürzen.

Doch die Führung in Moskau hatte lange genug Zeit, sich auf den kommenden Preisdeckel vorzubereiten. Russland hat bereits angekündigt, dass es keine Tankschiffe nutzen wird, die sich dem Preisdeckel-System anschließen. Das Land könnte seine Ölexporte einschränken und sich auf eine kleinere Gruppe von nicht-westlichen Tankern und Versicherern verlassen, was die Weltmarktpreise in die Höhe treiben würde.

Diese Befürchtung könnte erklären, warum der Westen darauf bedacht war, den Preisdeckel auf einem Niveau festzusetzen, das für Russland noch attraktiv ist. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts wurde erwartet, dass der Preis bei etwa 60 Dollar pro Barrel liegen würde, was in etwa dem aktuellen Marktpreis für Ural-Öl entspricht. Dies bedeutet aber natürlich, dass das Embargo gegen Russland und die Preisobergrenze kaum eine Wirkung haben werden.

Eine Gefahr besteht zudem darin, dass der Mangel an nicht-westlichen Tankern, die weiterhin russisches Öl transportieren werden, die Ölexporte aus Russland in den kommenden Monaten einschränken könnte. Dies würde die Ölpreise weltweit in die Höhe treiben. Zudem sind für diese Tanker bestimmte Versicherungen außerhalb des Westens nur schwer zu finden, etwa gegen große Leckagen.

Länder wie China, Indien und Indonesien werden sich mit Sicherheit auch weiterhin nicht an den westlichen Sanktionen und Embargos beteiligen. Denn weder befürworten sie den Kampf gegen Russland noch wollen sie höhere Preise zahlen. Zur Ölversorgung werden sie bei Bedarf alternative Routen nutzen. Und da das Embargo gegen russisches Öl bereits vor sechs Monaten angekündigt wurde, hatten sie auch mehr als genug Zeit, sich darauf vorzubereiten.

Die EU startet am 5. Dezember ein gewaltiges Experiment auf den globalen Ölmärkten. Zwar ist durchaus ein heftiger Preisanstieg möglich. Doch letztlich wird das Embargo Länder wie China und Indien nur dazu veranlassen, die westliche Energieinfrastruktur zu umgehen und sich weiter vom Westen zu lösen. Auch die Finanzsanktionen gegen Russland haben lediglich dazu geführt, dass das westliche Bankensystem umgangen wird.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz-Erfinder warnt: „Meine Schöpfung kann uns vernichten“
22.11.2025

Er gilt als einer der „Väter der Künstlichen Intelligenz“ – jetzt warnt Yoshua Bengio vor ihrer zerstörerischen Kraft. Der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zwischen Škoda-Erfolg und Chinas Einfluss: Was die Abhängigkeit für deutsche Autobauer bedeutet
22.11.2025

Elektromobilität ist längst kein Nischenphänomen mehr, sondern prägt zunehmend den europäischen Massenmarkt. Doch wie gelingt es...

DWN
Panorama
Panorama Weihnachtsmarkt-Sicherheit: Was bringen Beton, Kameras und Co. auf Weihnachtsmärkten wirklich?
22.11.2025

Deutsche Weihnachtsmärkte stehen für Atmosphäre, Tradition und Millionen Besucher. Gleichzeitig wächst die Debatte über Schutz,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ticketsteuer sinkt: Flugbranche verspricht mehr Verbindungen – Passagiere bleiben skeptisch
22.11.2025

Die Bundesregierung will den Luftverkehr mit einer Absenkung der Ticketsteuer ab Mitte nächsten Jahres entlasten. Die Flug- und...

DWN
Politik
Politik New York-Wahl: Was Mamdanis Sieg für Europa bedeutet
22.11.2025

Der Sieg eines radikalen Sozialisten in New York, Deutschlands Stillstand und Polens Aufstieg: Ein Kommentar darüber, wie politische und...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto-Crash: Wie Zinsen und KI die Kryptomärkte unter Druck setzen
21.11.2025

Die jüngsten Turbulenzen an den Kryptomärkten stellen Anleger, Unternehmen und Regulierer gleichermaßen auf die Probe. Welche Kräfte...

DWN
Politik
Politik Koalition unter Druck: Bundesrat zwingt Merz-Regierung in den Vermittlungsausschuss
21.11.2025

Die Stimmung in der Koalition mau, der Rentenstreit noch längst nicht ausgestanden – jetzt legt sich auch noch der Bundesrat quer. Er...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Ein Mundscan reicht: Das Healthtech DentalTwin erstellt KI-basierte Modelle für Zahnersatz
21.11.2025

Mithilfe KI-basierter Datengenerierung verlagert das Start-up DentalTwin die Zahnprothetik ins Digitale. Das dürfte nicht nur Praxen und...