Politik

Offener Schlagabtausch zwischen Finanz- und Verteidigungsministerium

Lesezeit: 3 min
02.12.2022 09:00  Aktualisiert: 02.12.2022 09:24
Zwischen dem Finanz- und dem Verteidigungsministerium ist es zu einem ungewöhnlichen offenen Schlagabtausch gekommen, der in die Medien durchgestochen wurde.
Offener Schlagabtausch zwischen Finanz- und Verteidigungsministerium
Zwischen dem Finanz- und Verteidigungsministerium herrscht UNeinigkeit bezüglich der Bewaffnung der Bundeswehr. (Foto: dpa)
Foto: Annette Riedl

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht kann bei der schleppend angelaufenen Vollausrüstung der Bundeswehr nicht auf weitere Finanzspritzen hoffen. In einem Antwortschreiben auf einen Brief der SPD-Politikerin verweist das Ressort von Finanzminister Christian Lindner (FDP) darauf, dass es vor dem Hintergrund eines gestiegenen Wehretats sowie des 100-Milliarden-Sondervermögens nicht an Geld fehlt, sondern das Verteidigungsministerium nun seine Aufgaben zu erledigen habe. Der Brief lag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin am Donnerstag vor.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich zur Munitionskrise der Bundeswehr bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. „Wir haben in den letzten Jahrzehnten falsche Weichen gestellt, wenn es um die Munitionsversorgung der Bundeswehr geht. Das stellen wir jetzt ganz konkret fest, wie wichtig das ist, dort eine ständige Nachschubversorgung gewährleisten zu können, nicht nur wegen des Krieges in der Ukraine, sondern auch weil wir ja auch unsere eigenen Zahlen betrachten“, sagte Scholz. „Und die Verteidigungsministerin ist jetzt sehr engagiert dabei, diese Missstände der letzten Jahrzehnte zu beseitigen. Das ist keine einfache Operation.“ Sie tue alles dafür, dass dies gelinge, „und es wird auch gelingen.“

Lambrecht hatte laut Spiegel an den Finanzminister geschrieben, zur Auffüllung der Munitionsdepots sei es „erforderlich, jetzt unmittelbar in signifikantem Umfang Haushaltsmittel und Verpflichtungserklärungen bereitzustellen.“ Lindner solle schnell mehr Geld bereitstellen, zitierte der Spiegel Lambrecht. Laut Lambrecht hatten Industrievertreter bei einem Spitzengespräch im Kanzleramt angeboten, „erhebliche Mengen dringend benötigter Munition ad hoc liefern oder aber zumindest in kurzer bis mittlerer Frist herstellen zu können.“ Diese Ankündigungen müsse man „zugunsten der Bundeswehr sofort ausschöpfen.“

Zu dem Spitzengespräch mit der Rüstungsindustrie am Montag gebe es offenkundig eine „unterschiedliche Wahrnehmung“, heißt es nun in dem Schreiben von Finanzstaatssekretär Steffen Saebisch an seinen Kollegen im Verteidigungsressort (BMVg), Staatssekretär Benedikt Zimmer. „Ausdrücklich wiesen die Industrievertreter dort darauf hin, dass die schleppende Verfügbarkeit von Ausrüstung und Munition ihres Erachtens nicht aufgrund fehlender Haushaltsmittel, sondern durch komplizierte, teils intransparente und inkonsequente Bedarfsplanung sowie bürokratische Bestellprozesse Ihres Hauses bedingt seien.“

Dem gemeinsamen Anliegen einer Stärkung der Bundeswehr sei mit wachsenden Verteidigungsetats und dem Sondervermögen Rechnung getragen worden. „Wie Sie wissen, hat das BMVg jede Möglichkeit, im Zuge der eigenen fachlichen Priorisierung als Fachressort, die Mittel entsprechend einzusetzen. Ich muss aber feststellen, dass Sie die hier angeführte Notwendigkeit der Munitionsbeschaffung weder bei der Verhandlung zum Sondervermögen und dessen Wirtschaftsplan, noch im Zuge des parlamentarischen Verfahrens zum Ausdruck gebracht haben.“

Die Haushälter der Bundesregierung weisen das Verteidigungsministerium nach dem Spitzentreffen zudem darauf hin, dass die Beschaffung bislang gewissermaßen Stückwerk ist. Schließlich habe die Rüstungsindustrie dort als Beispiel angeführt, es werde regelmäßig unterjährig versucht, aus „bestehenden Ausgabenresten Munition "zu kaufen"“, die Unternehmen diese Aufträge aber so nicht kurzfristig erfüllen könnten. Dem sei auch „nicht umfänglich widersprochen“ worden, sondern es sei am Rande des Gesprächs vereinbart worden, dass das Finanzministerium zur Unterstützung bereit sei. „Dies würde auch die Unterstützung in der Verbesserung Ihrer Planungsprozesse umfassen“, heißt es.

So enthält das Schreiben offene Kritik an den Arbeitsweisen im Verteidigungsministerium, allerdings auch das Angebot und die Ermunterung, Möglichkeiten zu einer flexiblen und schnellen Nutzung der Geldtöpfe zu nutzen.

Lambrecht steht wegen der schleppenden Beschaffung von Ausrüstung und Waffen für die Bundeswehr in der Kritik. Aus der Opposition, aber auch aus den Reihen der Ampel-Parteien gibt es Unverständnis darüber, dass die Beschaffung für die Bundeswehr neun Monate nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine nicht ausreichend in Gang gekommen ist.

Nach früheren Angaben reicht der Munitionsbestand der Bundeswehr nur für wenige Tage. Details will die Bundesregierung mit Hinweis auf Geheimhaltung nicht nennen. Erklärt wurde, dass Munition im Wert von 20 Milliarden Euro oder mehr nachbeschafft werden müsse. Nach Jahren des Sparkurses hat die Rüstungsindustrie aber ihre Produktionskapazitäten weitgehend zurückgefahren und erwartet nun feste Aufträge.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Politik
Politik Syrien vor neuer Zukunft? Rebellen erobern Damaskus - Assad geflohen
08.12.2024

Länger als 13 Jahren dauert der Bürgerkrieg in Syrien. Am Ende geht es schnell. Russland macht aus der Flucht von Machthaber Al-Assad ein...

DWN
Politik
Politik Grüne bereit zu Gespräch mit Friedrich Merz von der CDU - Einladung zum Bier
08.12.2024

Die Grünen stellen sich für die Bundestagswahl auf. Schwarz-Grün scheint rechnerisch möglich, doch die inhaltlichen Differenzen sind...

DWN
Politik
Politik Ist Amerika die nächste Sowjetunion? Ein Blick auf Parallelen und Unterschiede
08.12.2024

Im Jahr 1987 veröffentlichte der Historiker Paul Kennedy seinen einflussreichen Bestseller Aufstieg und Fall der großen Mächte, der sich...

DWN
Panorama
Panorama Der Trump-Clan: Von Kai bis Kimberly - wer im Trump-Universum welche Rolle spielt
08.12.2024

Donald Trump steht kurz vor seiner Rückkehr ins Weiße Haus, doch anders als in seiner ersten Amtszeit wird es keine offiziellen...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Überstundenzuschläge für Teilzeit: Gericht stärkt Arbeitnehmerrechte
08.12.2024

Ein neues Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts setzt ein wichtiges Zeichen für Arbeitnehmer in Teilzeit: Überstundenzuschläge...

DWN
Finanzen
Finanzen DWN-Sonntagskolumne: Der Kunstinvestor - wie Sie erfolgreich in Kunst investieren
08.12.2024

Kunst kann vieles sein: berührend, provokativ, dekorativ. Oder eben eine Banane, die alle drei Tage verfault. 6,2 Millionen Dollar – ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: US-Börsen in Kauflaune - Gold erhält Support von Zentralbank
08.12.2024

Noch ist Donald Trump nicht in politischer Verantwortung, aber die Pläne zur bevorstehenden ersten Zollrunde liegen bereits auf dem Tisch....

DWN
Technologie
Technologie Autonomes Fahren in Deutschland: Bundesregierung plant flächendeckenden Regelbetrieb
08.12.2024

Die Bundesregierung treibt die Umsetzung des autonomen Fahrens in Deutschland voran: Bis 2028 soll der weltweit größte Betriebsbereich...