In Reaktion auf den Ukraine-Krieg wird Kohle für die Energieversorgung in Deutschland immer wichtiger. Im Sommer-Quartal kletterte die Einspeisung von Kohlestrom auf Jahressicht um 13,3 Prozent, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Mittwoch mitteilte. Damit stammte der ins Netz eingespeiste Strom zwischen Juli und September zu über ein Drittel (36,3 Prozent) aus Kohlekraftwerken, während es im dritten Quartal 2021 nur 31,9 Prozent waren.
Trotz hoher Gaspreise stieg auch die Stromerzeugung aus Erdgas: Sie war 4,5 Prozent höher als im Vorjahresquartal und machte 9,2 (Vorjahresquartal: 8,8) Prozent des eingespeisten Stroms aus. Damit wurde erstmals seit dem Frühjahr 2021 wieder mehr Strom aus Erdgas erzeugt als im jeweiligen Vorjahreszeitraum. Insgesamt wurden im Sommer 2022 in Deutschland 118,1 Milliarden Kilowattstunden Strom ins Netz eingespeist - also 0,5 Prozent weniger als vor einem Jahr.
Wegen des russischen Einmarschs in die Ukraine versucht Deutschland sich von den enormen Energielieferungen aus Russland unabhängiger zu machen. Dies fällt vor allem bei Gas schwer. Deshalb setzt die Ampelkoalition wieder stärker auf Kohle und Atomstrom. Trotz der Anstiege bei der Stromerzeugung aus Kohle und Erdgas ging die aus konventionellen Energieträgern insgesamt erzeugte Strommenge um drei Prozent zurück. Der Anteil an der eingespeisten Strommenge fiel auf 55,6 Prozent, von 57,0 Prozent vor einem Jahr. Das lag auch daran, dass nur noch gut halb so viel Atomstrom erzeugt und ins Stromnetz eingespeist wurde wie ein Jahr zuvor.
Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wie Wind, Sonne und Wasser stieg im dritten Quartal um 2,9 Prozent. Der Anteil an der gesamten Stromerzeugung kletterte binnen Jahresfrist von 43,0 auf 44,4 Prozent. Aufgrund der "ungewöhnlich hohen Zahl an Sonnenstunden" im Sommer gab es gut 20 Prozent mehr Solarstrom.
Die Wirtschaft hat wegen der Energiekrise wiederholt an die Bundesregierung appelliert, alle verfügbaren Ressourcen zur Stromerzeugung zu nutzen. Eine Expertengruppe um den Präsidenten des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, schlägt vor, so viele Quellen wie möglich für die Stromversorgung zu nutzen. "Der Ausbau erneuerbarer Energien ist massiv zu beschleunigen, ebenso wie der Bau von Gaskraftwerken, die später Wasserstoff verbrennen können", hieß es in einem Papier dazu.
"Kernkraftwerke sollten erst dann abgeschaltet werden, wenn andere Kraftwerke zur Verfügung stehen, die kein CO2 ausstoßen", schreiben etwa Fuest, sein Vorgänger Hans-Werner Sinn, die Unternehmer Christoph Theis und Roland Berger. Sie forderten zudem den Ausbau der heimischen Gasförderung und schnellere Planungsverfahren für erneuerbare Energien. (Reuters)