Sonne, Reggae und ein Hauch süßen Cannabisdufts - dafür ist Jamaika auf der ganzen Welt bekannt. Nun versucht die Karibikinsel eine Nischenindustrie mit natürlichen Psychedelika aufzubauen und wirbt mit mystischen Erfahrungen und Stressabbau durch Magic Mushrooms. Fast die Hälfte seiner Gäste beschreibe eine "mystische Erfahrung" und bemerke einen Abbau von Stress, sagt Justin Townsend von MycoMeditations, einem Ressort mit eigener Pilzproduktion. Auf Jamaika gibt es inzwischen mindestens vier Resorts, die sich auf "Zauberpilze" und deren psychoaktiven Wirkstoff Psilocybin spezialisiert haben. Drei solcher Anlagen sind in den letzten Jahren eröffnet worden, nachdem die Regierung Psychedelika ins Auge gefasst und private Investitionen in diesem Sektor gefördert hat.
Während Magic Mushrooms in den meisten Teilen Europas und den USA nach wie vor illegal sind, hat die jamaikanische Regierung diese nie verboten. Die staatliche Agentur Jamaica Promotions Corporation sieht darin eine Möglichkeit, die Tourismusindustrie des Landes auszubauen. Nach einer Schätzung des Marktforschers InsightAce Analytic könnte die Psychedelika-Industrie bis 2028 weltweit über acht Milliarden Dollar wert sein - mehr als doppelt so viel wie 2021. So zahlen Gäste des psychedelischen Rückzugsorts MycoMeditations an der Südküste Jamaikas bis zu 23.500 Dollar für einen einwöchigen Aufenthalt mit drei Anwendungen.
"Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben gespürt, was Liebe ist", sagt der 41-jährige Dean aus South Carolina, der an einem Programm teilnahm. "Was ich in dieser Woche gelernt habe, hätte zehn Jahre Gesprächstherapie gebraucht", fügte er hinzu und beschrieb eine "euphorische, glückselige, hoffnungsvolle" Erfahrung, bei der die Farben lebendiger wurden und sein Körper tiefe Gefühle freizusetzen schien. Die Verwendung von Psilocybin zur Behandlung psychischer Probleme wie Angst oder Depressionen wird derzeit noch in klinischen Studien untersucht. Nach Angaben der amerikanischen und kanadischen Gesundheitsbehörden können Nebenwirkungen wie Panik, Angst und Übelkeit sowie spätere "Flashback"-Reaktionen auftreten.
Alternative Therapieform mit Wachstumspotenzial
Während der Meditationssitzungen liegen die Besucher auf Liegesesseln oder Yogamatten und hören Musik. Gruppen von bis zu zwölf Personen, hauptsächlich US-Amerikaner, beschreiben später ihre Erfahrungen in einer Gruppe mit Therapeuten und Beratern. MycoMeditations entscheidet über die Dosierung nach Beratungen im Team, zu dem auch in den USA lizenzierte Mitarbeiter gehören. Die Entscheidungen werden auf der Grundlage von Kriterien wie etwa dem psychischen Gesundheitszustand des Kunden getroffen. Die Mitarbeiter seien darin geschult, die Anzeichen eines schlechten Trips zu erkennen und therapeutische Maßnahmen einzuleiten, erklärt Firmenchef Townsend. "Es ist einfach unglaublich, wenn man Menschen sieht, die seit 20, 30 Jahren Angst haben und diese einfach verschwunden ist." Psilocybin ermögliche den Fluss verschiedener Gedanken und Emotionen, sagt Matthew Johnson, Professor für Psychiatrie an der Johns Hopkins University School of Medicine. Dies könne Menschen aus negativen mentalen Engstellen heraushelfen, die mit Problemen wie Depression und Sucht in Verbindung gebracht werden.
Die Aufgeschlossenheit der jamaikanischen Regierung gegenüber psychedelischen Substanzen steht im Widerspruch zur konservativen Einstellung des Landes, in dem traditionelle christliche Werte gegenüber den liberalen Rastafari-Ideen dominieren, die oft mit der Insel assoziiert werden. Gleichwohl trafen sich 2021 Beamte und Wirtschaftsführer in Montego Bay zum Psychedelics Summit, um Kontakte zu knüpfen und die Möglichkeiten in der Psychedelikbranche auszuloten.
An der Konferenz nahmen der damalige Landwirtschaftsminister Floyd Green sowie verschiedene Unternehmer teil, darunter Cedella Marley, die Tochter des Reggae-Sängers Bob Marley. Außerhalb Jamaikas gibt es psychedelische Programme auch in den Niederlanden, Spanien und Costa Rica. Unternehmen testen Psilocybin als Mittel zur Behandlung von Depressionen, Magersucht und Zwangsneurosen.
Der Psychiater und Jamaikas ehemaliger Chief Medical Officer Winston De La Haye warnt zwar, dass Psilocybin nicht für jeden geeignet sei und von Menschen mit bipolarer Störung oder Schizophrenie gemieden werden sollte. Der derzeitige Vorsitzende der Caribbean Psychedelics Association hat jedoch ein eigenes Psilocybin-Behandlungssystem für seine Patienten entwickelt und ist davon überzeugt, dass der Wirkstoff Menschen mit schweren Depressionen ebenso helfen kann wie jenen, die am Ende ihres Lebens betreut werden müssen.