Der Markt der digitalen Vollsortimenter kommt nach Großbritannien nun auch in Deutschland in Schwierigkeiten und spart bei seinen Expansionen ein. Geplante Investitionen werden verschoben, Lager werden nicht in Betrieb genommen und Neueröffnungen von Standorten verlegt. Es wird gespart und Gründe sind unter anderem die schwache Nachfrage der Konsumenten.
Schwaches Konsumklima trifft die Branche
Neuestes Beispiel für das Umdenken bei Online-Supermärkten ist der norwegische Lebensmittellieferdienst Oda. Das Unternehmen hat vor seinem Start in Mittenwalde bei Berlin laut der Lebensmittelzeitung noch mal durch frisches Geld nachgelegt. In einer Finanzierungsrunde konnte das Unternehmen 1,5 Milliarden Kronen (umgerechnet 145 Millionen Euro) sammeln. Diese Summe soll auch in den Aufbau des Deutschlandstandorts fließen. Nun ist alles vorbereitet für das Debüt hierzulande. Die Vans, mit denen die Lebensmittel verbreitet werden sollen, befinden sich schon im Lager in Mittenwalde und die Mitarbeiter warten auf das „Go“.
Der Lieferdienst startet mit seinem Markteintritt ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant. Interessant ist auch die Summe, mit der man plant. So geht der Lebensmittelzeitung zufolge Oda das Projekt Markteintritt in Deutschland mit weniger Schlagkraft an wie noch 2021 verkündet. Dieses Umdenken passt zur generellen Entwicklung der Online-Supermarkt-Branche. Auch beim digitalen Vollsortiment wird auf die aktuelle Wirtschaftslage geschaut. Das Ende des Corona-Booms, welcher vielen Online-Supermärkten in die Karten spielte, und das schwächelnde Konsumklima lassen die Unternehmen stark auf die Rentabilität gucken.
Oda wartet mit Start von Standort in Bochum
Oda wollte neben dem Standort in Mittenwalde auch in Bochum an den Start gehen. Nun gibt das Unternehmen an, dass man prüfe, wie man mit dem noch nicht fertig gebauten Logistikzentrum in Bochum weitermache. Der Deutschlandchef von Oda, Malte Nousch, verdeutlicht, dass Expansionen in neue Gebiete neben Berlin nicht an erster Stelle stehen: „Wir möchten im nächsten Jahr aus dem Standort Berlin herauswachsen. Neue Gebiete werden wir erst im zweiten Schritt angehen. Wie andere Anbieter im Markt wollen auch wir erst einmal die Profitabilität sicherstellen.“
Wie Nousch erklärt, könnte der Standort in Mittenwalde einen Umsatz von 250 Millionen Euro erwirtschaften und Berlin biete als nahe gelegene Hauptstadt viel Potential. Beliefert werden soll in einem Radius von ein bis zweieinhalb Stunden Fahrtzeit. Die zurückhaltende Expansion von Oda ist nicht nur auf dem deutschen Markt zu beobachten. Wie die Lebensmittelzeitung schreibt, erklärte CEO Karl Munthe-Kaas auf der Finanzierungsrunde die Herangehensweise: „Unsere Vorgehensweise für die weitere internationale Expansion haben wir dem aktuellen Marktumfeld angepasst. Odas Fokus liegt auf profitablem Wachstum in Finnland und Deutschland, bevor wir weitere Märkte erschließen.“
Knuspr verschiebt seine Expansionen
Oda ist nicht der einzige Online-Supermarkt in Deutschland, welcher bei Expansionen auf die Bremse drückt. Der Konkurrent und Online-Supermarkt Knuspr geht einen ähnlichen Weg. Ebenso wie Oda ist Knuspr fokussiert auf den tschechischen Heimatmarkt. Auf Nachfrage der Lebensmittelzeitung erklärt man, dass der Fokus nicht auf einer schnellen Expansion liegt. Wichtiger sei die Perfektionierung des Auto-Store-Systems, die bereits im Lager in Garching durchgeführt wird.
Aktuell ist Knuspr nur in München und Frankfurt aktiv. Eigentlich hatte man bereits im September die Idee, ein Lager mit Auto-Store-Anlage in Hamburg zu eröffnen. Diese Öffnung soll nun erst im Frühling 2023 erfolgen. Auch die anderen Starttermine für Expansionen, wie beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, werden sich verschieben.
E-Food Vorreiter ändert Strategie in Großbritannien
Während Knuspr und Oda die Expansionen zurückhaltend angehen oder verschieben, ist von solchen Vorgängen bei REWE nichts zu spüren. Im Gegensatz zu den zwei Online-Supermärkten setzt REWE das Ziel, vier neue Lager für Lieferdienste zu eröffnen, um. Die Lager befinden sich in Frankfurt, Nürnberg, Neuss und nach einer Erweiterung in Berlin. In den kommenden Wochen sollen noch weitere Lageröffnungen realisiert werden.
Keiner dieser neuen Standorte verfügt jedoch über den speziellen Automatisierungsgrad des Kölner E-Food Lagers Scarlett One. Das vor vier Jahren eröffnete Food Fulfillment Center sollte ursprünglich als Blaupause für folgende Lager fungieren. Für eine volle Auslastung benötigt das Lager aber zwischen 110 und 120 Millionen Euro Umsatz.
Wie brisant die Lage ist, hatte Anfang Dezember schon E-Food Vorreiter Ocado in Großbritannien verdeutlicht. Das Unternehmen lässt die Pläne zur Eröffnung zweier automatisierter Lager ruhen. Man änderte der Lebensmittelzeitung zufolge die Strategie wegen der geringen Nachfrage. Die Financial Times berichtete Anfang Dezember, dass der Einzelhändler den Entschluss getroffen habe, den Bau von Zentren im Nordwesten und Südosten Großbritanniens vorerst zu stoppen.