Wirtschaft

Wie Russland gegen den Öl-Preisdeckel zurückschlägt

Der Westen hat einen Preisdeckel für russisches Erdöl in Kraft gesetzt. Nun rollt Russland die angekündigten Gegenmaßnahmen aus. Die Unsicherheit am Ölmarkt bleibt.
Autor
15.12.2022 08:00
Lesezeit: 3 min

Am 5. Dezember hat die EU ein Importverbot für russisches Erdöl auf dem Seeweg in Kraft gesetzt und außerdem zusammen mit den anderen G7-Staaten einen Preisdeckel auf russisches Öl in Höhe von 60 Dollar pro Barrel. Die Maßnahmen sind Teil der wirtschaftlichen Sanktionen, die der Westen vor dem Hintergrund des eskalierenden Kriegs in der Ukraine gegen Russland verhängt hat. Doch Russland hatte bereits im Vorfeld Gegenmaßnahmen angekündigt.

Nun haben die russischen Behörden einen Erlass ausgearbeitet, der den Verkauf von russischem Rohöl verbietet, wenn die am Kauf interessierte Partei Teil der "Price Cap Coalition" ist oder wenn der Kauf durch den vom Westen verhängten Preisdeckel begrenzt ist. Damit soll der Preisobergrenze von 60 Dollar pro Barrel entgegengewirkt werden, berichtet am Dienstag die russische Tageszeitung Vedomosti unter Berufung auf Insider.

Der Westen will den Seetransport von russischem Rohöl weltweit unterbinden, wenn der Käufer mehr als 60 Dollar pro Barrel zahlt. Dies will die EU durchsetzen, indem sie den weltweit dominierenden europäischen Versicherungsunternehmen und anderen Dienstleistern für die Schifffahrt eine Beteiligung an solchen Geschäften verboten hat. Ziel ist es dabei, Russlands Einnahmen aus dem Ölverkauf einzuschränken.

Russland schlägt gegen Preisdeckel zurück

Als Reaktion darauf verbietet nun der Entwurf des Präsidialdekrets, dessen Einzelheiten von der russischen Regierung formuliert werden, den russischen Unternehmen den Verkauf von Rohöl, wenn im Vertrag ein Mitglied der "Price Cap Coalition" als Kunde genannt wird oder wenn der Vertrag eine Preisobergrenze als Bedingung für den Verkauf vorsieht.

Es wird erwartet, dass das Dekret solche Verkäufe aus Russland bis zum 1. Juli 2023 verbietet, mit der Möglichkeit einer Verlängerung. Während eines Briefings mit Reportern am Montag sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, dass das Dekret "in den kommenden Tagen" veröffentlicht werden soll. Moskau behauptet, der Preisdeckel begrenze die Preise künstlich durch einen nicht marktwirtschaftlichen Mechanismus, den Russland nicht akzeptieren werde.

Russland rechnet damit, dass noch bis Ende dieses Jahres ein Gesetz ausgearbeitet wird, das russischen Unternehmen den Verkauf von Erdöl in Länder der "Price Cap Coalition" verbietet, sagte in der vergangenen Woche der stellvertretende russische Ministerpräsident Alexander Novak, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass berichtete.

Moskau behauptet, die Preisobergrenze werde seine Ölproduktion und Wirtschaft nicht ernsthaft beeinträchtigen. Die russische Ölproduktion wird nach dem Inkrafttreten der von der EU und der G7 festgelegten Preisobergrenze für russisches Rohöl nicht einbrechen, erklärte der Erste Stellvertretende Energieminister Russlands, Pawel Sorokin, letzte Woche in Moskau.

"Die meisten Märkte sind für unser Öl auf der Grundlage angemessener Marktprinzipien verfügbar, während etwaige Schwankungen in der Ölproduktion nicht kritisch sind und die im Frühjahr registrierten nicht übersteigen werden", sagte Sorokin laut Tass. Die russische Ölproduktion war im Frühjahr unmittelbar nach Kriegsbeginn gesunken, stabilisierte sich dann aber bis Juni. Seitdem liegt Russland rund 1 Million Barrel pro Tag unter seiner OPEC+-Ölförderquote.

Dennoch steuert Russland wegen hoher Einnahmen aus dem Export von Öl, Gas und anderen Rohstoffen auf einen Rekordüberschuss in seiner Leistungsbilanz zu. Denn die hohen Energiepreise gleichen den Rückgang der Exportmenge mehr als aus. Der Überschuss summierte sich von Januar bis November bereits auf 225,7 Milliarden Dollar, während er ein Jahr zuvor noch bei 108,6 Milliarden Dollar gelegen hatte.

Größter Profiteur ist China

Der Preisdeckel des Westens wird China nicht daran hindern, mehr russisches Öl zu einem großen Preisnachlass zu kaufen. Er ist aber nicht nur eine gewaltige Subvention für China, sondern ermöglicht Rosneft immer noch enorme Profite, was dem russischen Staat dieses Jahr massive Steuern einbringt. Der Preisdeckel wird zudem dazu führen, dass der Ölpreise hoch bleiben wird.

Denn durch die Festlegung einer Obergrenze von 60 Dollar pro Barrel haben die G7-Staaten es praktisch unmöglich gemacht, dass die Preise einen echten Tiefpunkt erreichen, selbst wenn die Nachfrage einbrechen sollte. Denn die Preisobergrenze behindert die russischen Ölexporte und hat zudem Anreize für die OPEC-Staaten geschaffen, ihre Fördermengen zu reduzieren, um den durchschnittlich erzielten Ölpreis ihrer Exporte zu erhöhen.

China wird sich eine langfristige Versorgung zu einem attraktiven Preis aus Russland sichern und raffinierte Produkte weltweit mit höheren Gewinnspannen verkaufen können. Sinopec und Petrochina werden auf dem Weltmarkt genügend Möglichkeiten finden, um sich bessere Gewinnspannen für ihre Raffinerieprodukte zu sichern und gleichzeitig eine erschwingliche Versorgung in einer schwierigen Wirtschaftslage zu gewährleisten.

Der Energiesektor leidet bereits unter einem besorgniserregenden Niveau an Unterinvestitionen. Nach Angaben von Morgan Stanley belaufen sich die Unterinvestitionen im Öl- und Gassektor auf 600 Milliarden Dollar pro Jahr. Mit der Preisobergrenze ist der Anreiz für die Produzenten, so viel wie möglich zu verkaufen und so wenig wie möglich zu investieren, noch größer, was in Zukunft zu deutlich höheren Ölpreisen führen kann.

China und Russland wissen, dass erneuerbare Energien derzeit keine wirkliche Alternative darstellen, weil sie massive Investitionen in den Abbau von Kupfer, Kobalt und seltenen Erden erfordern würden. Mit der Obergrenze für die russisches Öl legt der Westen möglicherweise den Grundstein für einen neuen Rohstoff-Superzyklus, in dessen Folge die Abhängigkeit des Westens von der OPEC, von Russland und China nicht abnimmt, sondern weiter zunimmt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI statt Ruhestand: Google-Mitgründer Brin kehrt zurück – jetzt wird’s ernst
22.05.2025

Sergey Brin ist zurück – getrieben von der KI-Revolution. Google greift mit neuer Macht an, doch die Fehler der Vergangenheit sitzen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliardär Arnault warnt: EU treibt Industrie in den Abgrund
22.05.2025

Bernard Arnault, der reichste Mann Europas, schlägt Alarm: Die EU spiele mit dem Feuer, während Zölle explodieren und ganze Branchen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Brüssel bremst Billig-Boom: EU erklärt Temu und Shein den Zoll-Krieg
22.05.2025

Die EU greift zur Zollkeule: Mit einer neuen Pauschalabgabe sollen Temu und Shein ausgebremst werden – doch am Ende zahlen Europas...

DWN
Finanzen
Finanzen Immobilien: Banken vergeben deutlich mehr Kredite für Wohnimmobilien
22.05.2025

Die Immobilienpreise waren zeitweise spürbar gefallen, nun kommt der Markt wieder in Fahrt. Verbraucher und Investoren schließen deutlich...

DWN
Finanzen
Finanzen WHO verabschiedet Pandemie-Abkommen inmitten der Finanzkrise: Deutschland sagt weitere Millionen zu
22.05.2025

Der Weltgesundheitsorganisation fehlen in den kommenden zwei Jahren 1,7 Milliarden Dollar (rund 1,5 Mrd Euro), unter anderem, weil die USA...

DWN
Panorama
Panorama Einwanderungsland Deutschland: Jeder vierte Mensch hat einen Migrationshintergrund
22.05.2025

Rund 21,2 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte haben im vergangenen Jahr in Deutschland gelebt. Das sind vier Prozent mehr als im...

DWN
Politik
Politik AfD Ausschussvorsitz: Schwarz-Rot verhindert AfD-Politiker - Alle sechs AfD-Kandidatin scheitern
22.05.2025

In sechs Ausschüssen des Bundestags hat die Partei „Alternative für Deutschland“ ein Vorschlagsrecht. Wie die SPD haben CDU und CSU...

DWN
Finanzen
Finanzen Erfolgreich in Kunst investieren: Warum Gemälde, Märkte und NFTs neue Anlagechancen bieten
22.05.2025

Wenn Aktien schwanken und Märkte auf Sicht fahren, wird Kunst zur strategischen Alternative. Wie Gemälde, Sammlerstücke und digitale...