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Orban knickt ein: EU einigt sich auf Milliarden für Ukraine

Ungarn hat seine Veto-Drohungen gegen Darlehen für die Ukraine in Höhe von 18 Milliarden Euro fallen lassen. Der Druck der EU gegen das Land war erfolgreich.
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16.12.2022 17:20
Aktualisiert: 16.12.2022 17:20
Lesezeit: 4 min
Orban knickt ein: EU einigt sich auf Milliarden für Ukraine
Viktor Orban, Ministerpräsident von Ungarn, am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel. (Foto: dpa) Foto: Olivier Matthys

Die Europäische Union hat ihre Zusage bekräftigt, die Ukraine im nächsten Jahr mit 18 Milliarden Euro zu unterstützen, nachdem der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban seine Drohungen zurückgenommen hat, den EU-Vorschlag zu blockieren. Die ukrainische Regierung kämpft vor dem Hintergrund einer durch den Krieg zerstörten Wirtschaft um die Aufrechterhaltung der Grundversorgung, während die Energieinfrastruktur des Landes unablässigen russischen Angriffen ausgesetzt ist.

Die EU steht unter dem Druck von Ukraine und USA, die Finanzmittel für die Ukraine aufzustocken, wie das Wall Street Journal berichtet. Die USA haben der Ukraine seit dem massiven Einmarsch Moskaus im Februar bereits fast 32 Milliarden Dollar an Hilfe zur Verfügung gestellt, darunter fast 20 Milliarden Dollar für Waffen und andere Militärhilfen. Die EU hat in diesem Jahr 3 Milliarden Euro weniger an konzessionären Darlehen und Zuschüssen bereitgestellt, als die versprochenen 10,2 Milliarden Euro. Sie hat auch weit weniger als die zugesagte Militärhilfe geleistet.

Interne EU-Streitigkeiten hatten eine Einigung über das Darlehen für das nächste Jahr verhindert und ihren Ruf als verlässlicher Unterstützer gefährdet. Im Rahmen der Vereinbarung, die am späten Donnerstag offiziell in Kraft getreten ist, wird die EU der Ukraine Darlehen mit Geldern gewähren, welche die EU-Kommission auf den Schuldenmärkten aufnehmen wird. Dies ist ein Rückschlag für den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, der die Unterstützung für die Ukraine lange blockiert hatte.

EU-Darlehen für die Ukraine ist Tabubruch

Der Vertrag betritt Neuland, da er Finanzangelegenheiten bei der EU-Kommission zentralisiert, anstatt sie über die einzelnen Mitgliedsländer abzuwickeln. Die EU hat diese Methode schon früher für Darlehen angewandt, aber noch nie eine gemeinsame Finanzierung in dieser Größenordnung zur Unterstützung eines Nichtmitglieds eingesetzt. Im Jahr 2020 hatten sich die EU-Staaten auf ein 750-Milliarden-Euro-Paket geeinigt, das durch die Ausgabe gemeinsamer EU-Schulden finanziert wird.

Die Einigung in dieser Woche erforderte Verhandlungen mit Orban, der in den letzten Jahren wiederholt Positionen vertreten hat, die dem Brüsseler Konsens widersprachen. Andere EU-Länder und führende Politiker in Brüssel haben ihm immer wieder vorgeworfen, die EU-Standards zur Rechtsstaatlichkeit zu verletzen. So ist der ungarische Ministerpräsident unter den EU-Staats- und Regierungschefs der lautstärkste Gegner der Sanktionen gegen Russland, welche die EU seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine verhängt hat.

Orban sieht sich zum Einlenken gezwungen

Doch nun hat Orban den Vorschlag der EU-Kommission zur Finanzierung der Ukraine doch akzeptiert, obwohl die Mitgliedsstaaten gleichzeitig beschlossen, Milliarden von Euro aus dem EU-Haushalt für Ungarn einzufrieren. Dies bedeutet eine Niederlage für Orban, der zu Hause mit einer schweren Wirtschaftskrise zu kämpfen hat. Orban wollte, dass die Gelder für die Ukraine von den einzelnen EU-Staaten bereitgestellt werden sollten. Doch diese eine Regelung hätte zu einem Streit darüber führen können, welche Kosten jeder Staat übernehmen sollte.

Im Rahmen des in dieser Woche geschlossenen Pakets gab Orban auch sein monatelanges Veto gegen die Unterzeichnung eines internationalen Abkommens über eine Mindestkörperschaftssteuer in Höhe von 15 Prozent durch die EU auf, für das sich die US-Regierung von Präsident Joe Biden eingesetzt hatte. Polen hatte zwar ebenfalls Bedenken gegen die Mindeststeuer, legte aber nach Verhandlungen mit der EU-Kommission kein Veto ein.

Unabhängig davon einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU am Donnerstag auf ein neues Paket von Sanktionen gegen Russland, darunter ein Verbot von Bergbauinvestitionen in Russland, ein Verbot des Exports von Drohnentriebwerken nach Russland und die Aufnahme von rund 180 neuen Personen und russischen Unternehmen auf die schwarze Liste.

In den vergangenen zehn Jahren als Ministerpräsident hat Orban in Streitfragen häufig damit gedroht, sein Vetorecht zu nutzen. Doch diesmal hat sich die EU in eine stärkere Position gebracht. Die 26 anderen EU-Staaten erklärten sich bereit, das Darlehen für die Ukraine notfalls auch ohne Ungarn zu gewähren, wobei die Mitgliedstaaten nationale Garantien zur Absicherung der Mittel anboten. Doch Orban braucht dringend EU-Gelder, um seine Wirtschaft zu stützen. Dies sei ein entscheidender Faktor für seine Entscheidung gewesen, einen Rückzieher zu machen, sagten mehrere EU-Beamte und Diplomaten.

Ungarn sieht sich mit einer Reihe ineinandergreifender wirtschaftlicher Probleme konfrontiert, die sein Land anfälliger machen als in den wohlhabenderen Jahren, die die meisten seiner vorherigen vier Amtszeiten kennzeichneten. Ungarns Inflationsrate von derzeit 22,5 Prozent ist eine der höchsten in Europa und fast doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt. Der daraus resultierende Rückgang der Verbraucherausgaben hat seinen Haushalt schwer belastet, der in hohem Maße von den Einnahmen aus der Mehrwertsteuer abhängt, die mit 27 Prozent die höchste in der EU ist.

Geldnot schwächt Orban in Verhandlungen mit EU

Nach jahrelang verlorenen Kämpfen mit Orbans Regierung hat die EU im vergangenen Jahr damit begonnen, Ungarn beträchtliche Geldsummen vorzuenthalten, beginnend mit etwa 5,8 Milliarden Euro aus ihrem Pandemie-Wiederaufbaufonds. Diese Taktik hat sich nach Ansicht von EU-Beamten und Diplomaten als weitaus wirksamer erwiesen als die jahrelangen Gerichtsverfahren gegen Ungarn und wiederholte gescheiterte Versuche, einige der EU-Stimmrechte Budapests zu beschränken.

Die EU-Staaten haben sich nun darauf geeinigt, Zahlungen von 6,3 Milliarden Euro an Ungarn einzufrieren, angeblich weil sie befürchten, dass das Land die Verwendung der Gelder nicht ausreichend überwacht. Als Zugeständnis an Budapest war der Betrag aber geringer als die 7,5 Milliarden Euro, welche die Kommission ursprünglich einfrieren wollte. Zudem billigten die Mitgliedstaaten Ungarns Plan zur Verwendung der Mittel aus dem Pandemie-Fonds. Allerdings wird Ungarn nichts davon erhalten, bevor es nicht mehrere wichtige Reformen zur Korruptionsbekämpfung abgeschlossen hat.

Orban hat die ihm vom ungarischen Parlament, wo er zwei Drittel der Sitze kontrolliert, eingeräumten Notstandsbefugnisse genutzt, um in diesem Jahr eine zusätzliche Sondersteuer von 10 Prozent auf die Nettoeinnahmen der Banken zu erheben. Um die Inflation einzudämmen, hat Orban auch Preisobergrenzen für Lebensmittel und Treibstoff festgelegt, die Obergrenzen für Treibstoff wurden letzte Woche wieder aufgehoben. Orban Euroskepsis ist populär in Ungarn, doch die wirtschaftlichen Probleme geben ihm weniger Widerstandskraft.

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