Deutschland

Erdgas wieder so billig wie im September 2021

Lesezeit: 3 min
29.12.2022 09:23  Aktualisiert: 29.12.2022 09:23
Die Erdgaspreise sind von ihrem Rekordhoch Ende August um 77 Prozent zurückgegangen. Grund dafür ist nicht nur die geringere Nachfrage in der Industrie.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Preise für Erdgas-Termingeschäfte in Europa, die im Sommer einen extremen verzeichnet hatten, sind weiter auf Talfahrt. Die niederländischen Frontmonats-TTF-Erdgas-Futures - eine Benchmark für Nordwesteuropa - wurde am Mittwoch mit 82 Euro pro Megawattstunde gehandelt. Das ist ein Rückgang um 77 Prozent gegenüber dem Höchststand vom 26. August.

So billig wie aktuell war Erdgas auch schon im September 2021. Trotz dieser jüngsten Entspannung liegt der Preis für europäisches Erdgas aber immer noch auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Noch Mitte 2021, also vor anderthalb Jahren, lagen die Notierungen des Terminkontrakts TTF bei lediglich rund 20 Euro, wie aus der folgenden Grafik des Finanzblogs Wolf Street hervorgeht.

Europa verbraucht deutlich weniger Gas

Dieser Einbruch des Gaspreises von seinem Rekordhoch im Sommer, die vor allem auf die massiven staatlichen Käufe zur Füllung der Speicher zurückzuführen war, hat zwei Gründe. Erstens haben die hohen Erdgaspreise dazu geführt, dass die Nachfrage nach dem Rohstoff zurückgegangen ist. So haben zahlreiche Unternehmen, die viel Gas benötigen, den Betrieb vorübergehend oder dauerhaft eingestellt, darunter etwa die Aluminium- und Zink-Produktion.

Zudem gibt es anhaltende Bemühungen von Bürgern und Unternehmen, ihren Erdgas- und Stromverbrauch zu senken, was entscheidend stark durch den Anstieg der Energiekosten in diesem Jahr motiviert ist. Ein erheblicher Teil der Stromerzeugung wurde von Erdgas auf Kohle umgestellt. Diese Reduzierung der Nachfrage wurde durch den bisher relativ milden Winter begünstigt.

Infolge des milden Winters und des zurückgehenden Verbrauchs sind die Erdgasspeicher für diese Jahreszeit in guter Verfassung, was vor allem für Deutschland wichtig ist. In der Europäischen Union insgesamt sind die Speicher zu 83,2 Prozent gefüllt, was über dem Fünfjahresdurchschnitt für diese Jahreszeit liegt. Im folgenden die Daten von Gas Infrastructure Europe (Stand: 26. Dezember):

  • Deutschland: 88,6% voll
  • Frankreich: 84,0% voll
  • Belgien: 84,0 % voll
  • Österreich: 90,1% voll
  • Dänemark: 89,6% voll
  • Niederlande: 77,4% voll

    Europa hat neue Gas-Quellen geschaffen

    Zudem ist es Europa gelungen, Ersatzquellen für das Pipeline-Erdgas aus Russland zu schaffen. Die LNG-Importe aus den USA und anderen Teilen der Welt sind massiv angestiegen. Das neue LNG-Angebot wird nicht nur über über die bestehenden Import-Terminals entladen, sondern auch über eine wachsende Zahl von schwimmenden Speicher- und Wiederverdampfungsanlagen.

    Zudem ist Norwegen zum größten Erdgaslieferanten Europas aufgestiegen. Das Land hat seine Produktion im Vergleich zum Vorjahr um 8 Prozent gesteigert und wird nach Schätzungen des norwegischen Energieministeriums vom August 2022 ein Rekordniveau erreichen. Das Gas wird über ein Netz von Pipelines in die europäischen Abnehmerstaaten geliefert.

    In Deutschland, wo heute eigentlich jahrelange Bauverzögerungen üblich sind, wurde am 17. Dezember nach nur fünf Monaten Bauzeit das erste schwimmende LNG-Importterminal eröffnet. "Es grenzt an ein Wunder, wie Deutschland in nur fünf Monaten die Ausrüstung beschaffen und installieren und 26 km Pipeline in den Boden verlegen konnte", kommentiert Wolf Street.

    In den Niederlanden wurden im September im Hafen von Eemshaven zwei schwimmende LNG-Import- und Speicherterminals in Betrieb genommen. Weitere sind in Arbeit. "Die Kapazität dieser schwimmenden Importterminals ist zwar relativ gering, doch werden sich genügend von ihnen summieren und die zunehmenden Pipeline-Lieferungen aus Norwegen und anderen Teilen Europas ergänzen", erwartet Wolf Street.

    Während die Öl-Sanktionen des Westens Russland kaum Probleme bereiten, verliert das Land durch die europäischen Erdgas-Sanktionen durchaus eine Menge Geld. Denn Russland kann das Erdgas, das bisher nach Europa ging, nicht an andere Kunden verkaufen. Während Öltanker alternative Häfen ansteuern, kann das Pipelinesystem nicht einfach verlegt und Russland verfügt nicht über die nötigen LNG-Exportanlagen.

      In einer früheren Version dieses Artikels enthielt die Überschrift fälschlicherweise das Wort "zuletzt".

      Mehr zum Thema:  

      Anzeige
      DWN
      Finanzen
      Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

      In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

      DWN
      Unternehmen
      Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
      22.12.2024

      Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

      DWN
      Technologie
      Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
      22.12.2024

      Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

      DWN
      Weltwirtschaft
      Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
      22.12.2024

      So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

      DWN
      Finanzen
      Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
      22.12.2024

      Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...

      DWN
      Weltwirtschaft
      Weltwirtschaft Märchen vorbei? Steht Deutschlands Automobilindustrie vor dem Aus?
      22.12.2024

      Volkswagen in der Krise, Mercedes, BMW & Co. unter Druck – und hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel. Wie kann der Kampf um...

      DWN
      Unternehmen
      Unternehmen Credit Suisse-Debakel: Ausschuss sieht Schuld bei Bank
      22.12.2024

      Die Nervosität an den Finanzmärkten war im Frühjahr 2023 groß - drohte eine internationale Bankenkrise? Für den Schweizer...

      DWN
      Unternehmen
      Unternehmen Der Volkswagen-Deal: Worauf sich VW und die IG Metall geeinigt haben
      22.12.2024

      Stellenabbau ja, Werksschließungen nein: Mehr als 70 Stunden lang stritten Volkswagen und die IG Metall um die Sparmaßnahmen des...

      DWN
      Technologie
      Technologie Webasto-Geschäftsführung: „Der Einsatz von KI ist eine strategische Notwendigkeit“
      22.12.2024

      Angesichts des wachsenden Drucks durch die Transformation hin zur Elektromobilität und steigender Kosten in der Branche sprechen Markus...