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Diplomatische Spannungen zwischen Warschau und Berlin wachsen

Lesezeit: 3 min
04.01.2023 09:00  Aktualisiert: 04.01.2023 09:27
Zwischen der polnischen Regierung und der Bundesregierung bauen sich massive Spannungen auf.
Diplomatische Spannungen zwischen Warschau und Berlin wachsen
Der Bericht über Reparationsforderungen Polens an Deutschland für Schäden im Zweiten Weltkrieg ist am Rande eines Interviewtermins mit dem Vize-Außenminister Polens Mularczyk zu sehen. (Foto: dpa)

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Im Streit über von Polen wegen des Zweiten Weltkriegs von Deutschland geforderten Reparationszahlungen hat Polens Vize-Außenminister Deutschland schwere Vorwürfe gemacht. „Deutschland verfolgt keine freundliche Politik gegenüber Polen, sie wollen hier ihren Einflussbereich ausbauen und behandeln Polen wie einen Vasallen-Staat“, sagte Arkadiusz Mularczyk am Dienstag der Polnischen Presseagentur.

Die Ablehnung von Verhandlungen über die von seiner Regierung geforderten Zahlungen zeige eine absolut respektlose Einstellung gegenüber Polen und dem polnischen Volk. Der Dialog mit Deutschland über diese Frage werde „über internationale Organisationen“ fortgesetzt.

Polens regierende Partei PiS hatte Anfang September von Deutschland umgerechnet 1,3 Billionen Euro gefordert, um für die im Krieg entstandenen Schäden aufzukommen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erklärte im Oktober dagegen, die Reparationsfrage sei abgeschlossen.

Die Bundesregierung hat in einer diplomatischen Note wie erwartet den polnischen Forderungen nach Weltkriegs-Reparationen eine Absage erteilt. Das entsprechende Schreiben aus dem Auswärtigen Amt in Berlin sei am 3. Januar in Warschau eingegangen, teilte das polnische Außenministerium am Dienstagabend mit. „Nach Angaben der Bundesregierung ist die Frage der Reparationen und der Kriegsentschädigungen nach wie vor abgeschlossen, und die Bundesregierung beabsichtigt nicht, in Verhandlungen über diese Frage einzutrete“", heißt es in der Mitteilung weiter.

Die Bundesregierung lehnt jegliche Reparationsforderungen ab. Für sie ist die Frage mit dem 2+4-Vertrag über die außenpolitischen Aspekte der deutschen Einheit abgeschlossen. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte diesen Standpunkt bereits im Oktober bei einer Visite in Warschau deutlich gemacht.

Auch bei Militärausgaben gespalten

In der Nato droht neuer Streit über die Höhe der Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten. Nach Angaben von Generalsekretär Jens Stoltenberg will ein Teil der Alliierten das derzeitige Zwei-Prozent-Ziel deutlich verschärfen. Es sieht vor, dass sich alle Nato-Staaten bis 2024 dem Richtwert annähern, mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben.

„Einige Verbündete sind entschieden dafür, aus dem gegenwärtigen Zielwert von zwei Prozent einen Mindestwert zu machen“, sagte Stoltenberg im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Als Vorsitzender des Nordatlantikrats werde er nun die Verhandlungen zu dem Thema leiten. „Wir werden uns treffen, wir werden Ministertreffen haben, wir werden Gespräche in den Hauptstädten führen“, erklärte er.

Ziel ist es demnach, spätestens beim nächsten regulären Gipfel eine Einigung zu erzielen. Er wird am 11. und 12. Juli in Litauens Hauptstadt Vilnius organisiert.

Welche Nato-Staaten ein deutlich ambitionierteres Ziel fordern, sagte Stoltenberg nicht. Zuletzt hatten sich nach Angaben von Diplomaten vor allem östliche Bündnisstaaten wie Polen und Litauen sowie Großbritannien dafür ausgesprochen, angesichts von Russlands Krieg gegen die Ukraine strengere Vorgaben zu vereinbaren. Deutschland und einige andere Länder wie Kanada und Belgien gelten als Gegner dieser Idee. Sie geben bislang deutlich weniger als zwei Prozent des BIP für das Militär aus. Für Deutschland etwa wurde zuletzt für 2022 eine Quote von 1,44 Prozent erwartet.

Gegner von verbindlichen Finanzvorgaben argumentieren, dass die BIP-Quote nur wenig über die militärische Leistungsfähigkeit aussage und Nato-Fähigkeitenziele und ihre Einhaltung deutlich wichtiger und aussagekräftiger seien. Als ein Beleg wird genannt, dass die Quote nicht fällt, wenn ein Land bei einem Rückgang der Wirtschaftsleistung seine Verteidigungsausgaben entsprechend kürzt.

Ob er persönlich die Forderungen nach einem Mindestwert unterstützt, wollte Stoltenberg nicht sagen. Er machte allerdings deutlich, dass er eine weitere Erhöhung der Verteidigungsausgaben für unabdingbar hält. „Die Nato ist dafür da, dafür zu sorgen, dass ein Konflikt wie der in der Ukraine nicht über die Ukraine hinaus eskaliert. Dafür brauchen wir glaubwürdige Abschreckung und Verteidigung, und deshalb müssen wir mehr in unsere Sicherheit investieren.“

Spitzenreiter im Verhältnis von Wirtschaftskraft und Verteidigungsausgaben war nach Nato-Zahlen zuletzt Griechenland mit einem Wert von 3,76 Prozent. Danach kommen die USA mit 3,47 Prozent, die in absoluten Zahlen mit 822 Milliarden US-Dollar (768 Mrd. Euro) zuletzt mehr als doppelt so viel Geld für das Militär ausgaben wie alle anderen Bündnisstaaten zusammen. Zum Vergleich: Die größte europäische Volkswirtschaft Deutschland gab nach Nato-Standard 55,6 Milliarden Euro aus, Großbritannien als Nummer Eins in Europa rund 53,9 Milliarden Pfund (60,9 Mrd. Euro).

Als besonders ambitioniert bei der Steigerung der Verteidigungsausgaben gelten derzeit Polen und die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland. Sie wollen alle vier in Zukunft eine BIP-Quote von mindestes drei Prozent erreichen. Zuletzt lagen sie nach Bündniszahlen bei Werten zwischen 2,5 und 2,0 Prozent.

Lesen Sie dazu: Polen und Litauen betonen Abwehrbereitschaft im „Suwalki-Korridor“

Eskaliert war der Streit über die Verteidigungsausgaben in der Nato zuletzt in der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump. Dieser hatte europäischen Alliierten wie Deutschland eine Trittbrettfahrer-Einstellung vorgeworfen und zeitweise sogar mit einem Austritt der USA aus dem Bündnis gedroht.


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