2022 war ein Jahr der Trendwende für europäische Immobilienmärkte, gekennzeichnet von rasant steigenden Hypothekenzinsen bis auf den höchsten Stand seit ungefähr einem Jahrzehnt. Auch wenn es nicht zu einem Zusammenbruch in verschiedenen Märkten kommen wird, so sind Preiskorrekturen in vielen europäischen Ländern dieses Jahr, und auch nächstes, sehr wahrscheinlich.
Zu den Märkten, in denen Immobilienpreise höchstwahrscheinlich stark fallen werden, gehören Großbritannien und Spanien, so die Agentur S&P Global Ratings. Spanien wird neben Deutschland der europäische Market sein, auf dem die Immobilienpreise nominal am stärksten sinken werden. Sylvain Broyer, Chefökonom für Europa, den Nahen Osten und Europa bei S&P Global Ratings, sagte der Idealista News, dass Preise vom schnellen Anstieg der Hypothekenzinsen letzten Jahres betroffen sein werden.
Bisher haben sich Immobilienpreise kaum an die höheren Zinssätze angepasst, wahrscheinlich eher wegen Angebotsengpässen als einer sinkenden Nachfrage, so Broyer. „Wir haben festgestellt, dass die Anpassung an höhere Zinssätze bis zu zehn Quartale dauern kann, und in der Regel doppelt so stark ausgeprägt ist wie nach einer Niedrigzinsphase.“ Zudem könnten die Auswirkungen von Zinserhöhungen auf Immobilienpreise von Land zu Land unterschiedlich sein.
Immobilienberatungsgesellschaft Knight Frank zufolge sind einige Länder in Europa mit „ziemlicher Sicherheit“ bereits in eine Rezession eingetreten. Das Wirtschaftswachstum würde sich in manchen Ländern zwar abschwächen, so Knight Frank, „doch der Abschwung wird im historischen Vergleich eher mild ausfallen“. Außerdem sollten die Zinsen Anfang 2023 ihren Höchststand erreichen.
Der britische Immobiliendienstleisters Savills hebt in seiner europäischen Studie die folgenden makroökonomischen Themen hervor, die sich auf die europäischen Immobilienmärkte im Jahr 2023 auswirken werden: Ein von der Rezession geprägtes wirtschaftliches Umfeld, anhaltende Sorge um Energieverfügbarkeit und mehrere Herausforderungen im Baugewerbe, hauptsächlich weil die Kerninflation in der ersten Hälfte des Jahres 2023 weiter steigen dürfte.
Betrachtet man die Aussichten für einige der wichtigsten europäischen Immobilienmärkte, wie Schweden, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien, ergibt sich ein gemischtes Bild.
Schlechte Aussichten für Schweden nach Pandemie-Boom
Nach einem steilen Aufschwung bis zum Frühjahr 2022, als der Pandemie-Boom endete, sowie in den vorherigen zehn Jahren, fielen die schwedischen Hauspreise im vergangenen Jahr weltweit am schnellsten aufgrund hoher Zinsen. Nach Angaben von Knight Frank sind Preise in den letzten zehn Jahren um 94,6 Prozent gestiegen, verglichen mit 75,3 Prozent in Großbritannien.
In Stockholm liegen Hauspreise derzeit auf demselben Niveau wie im Dezember 2020. Die Hauptstadt hat in etwas mehr als fünf Monaten zwei Jahre Hauspreiswachstum verloren. Oxford Economics prognostiziert, dass Immobilienpreise in Schweden um 20 Prozent fallen werden – einer der stärksten Rückgänge weltweit nach Kanada, wo die unabhängige Wirtschaftsberatungsfirma einen Rückgang von 30 Prozent vom Höchststand bis zum Tiefpunkt erwartet.
Immer noch düster für Großbritannien
Knight Frank sagte im Oktober voraus, dass die Hauspreise in London in den nächsten zwei Jahren um zehn Prozent fallen würden, nach einem katastrophalen Jahr für den britischen Immobilienmarkt. Immobilienpreise verzeichneten letztes Jahr den stärksten Rückgang seit der Finanzkrise im Jahr 2009. Im vergangenen Quartal gaben Preise um 2,5 Prozent nach im Vergleich zum vorherigen Quartal, laut Daten des Hypothekenfinanzierers Halifax. Ökonom Martin Beck von der Beratungsfirma EY ITEM Club erwartet für die kommenden zwölf bis 18 Monate einen Rückgang der Hauspreise um etwa zehn Prozent, während Halifax davon ausgeht, dass die britischen Hauspreise im laufenden Jahr um acht Prozent nach unten gehen werden.
Leichterer Rückgang in Frankreich
Die Aussichten für Käufer auf dem französischen Immobilienmarkt hängen davon ab, was für eine Immobilie gekauft wird und wo. Doch Experten rechnen damit, dass die Immobilienpreise ihren Höhepunkt erreicht haben. Einige erwarten für 2023 einen Rückgang von bis zu zehn Prozent in manchen Regionen, obwohl die Preise für neugebaute Häuser aktuell weiter steigen. Angesichts steigender Zinssätze könnten jedoch selbst die ermäßigten Immobilienpreise kurzfristig nicht ausreichen, um Käufer anzulocken. Die Federation Nationale de I'Immobilier prognostiziert für 2023 einen durchschnittlichen Rückgang der Immobilienpreise um fünf Prozent, wobei die größeren Städte nach Jahren des Preisanstiegs wahrscheinlich die Hauptlast des Rückgangs tragen werden.
Italien beruhigt sich
Auf nationaler Ebene gibt es Anzeichen auf eine allmähliche Beruhigung auf dem italienischen Immobilienmarkt ohne erhebliche Preisrückgänge. Fitch Ratings prognostiziert für die Jahre 2023 und 2024 ein nominales Hauspreiswachstum zwischen 0,5 und einem Prozent. Dies liegt unter dem für 2022 geschätzten Wachstum von 3,5 Prozent, aber Italiens begrenztes Wohnungsangebot dürfte einen nominalen Preisrückgang verhindern, so Fitch. Die Agentur geht davon aus, dass der Wohnungsbestand Italiens, der größtenteils aus älteren Immobilien besteht, immer noch damit kämpft, die Nachfrage der letzten drei bis vier Jahre aufzuholen. Dies zeigt sich besonders in den großen Ballungsgebieten, wo das Angebot an neuen Immobilien nach wie vor knapp ist.
Abschwächende Preise in Spanien
Immobilienpreise in Spanien werden voraussichtlich dieses Jahr am stärksten unter den europäischen Ländern fallen, auch wenn der geschätzte Rückgang im Jahr 2024 auf ein Prozent begrenzt sein wird, und für 2025 ein leichter Aufschwung von 1,5 Prozent prognostiziert wird, so S&P Global Ratings. Auch die börsennotierte spanische Universalbank Bankinter prognostiziert, dass sich die Immobilienpreise in Spanien in den Jahren 2023 und 2024 abschwächen werden. Die Bank geht davon aus, dass die Preise für Wohnimmobilien im Jahr 2023 um drei Prozent, und im darauffolgenden Jahr um weitere zwei Prozent sinken werden. Es handele sich zwar nicht um eine schwerwiegende Anpassung, aber um eine Trendwende, die „sehr zu beachten“ sei.
Und im deutschen Immobilienmarkt haben stark steigende Preise, höhere Kreditkosten und Materialengpässe den Bauboom gestoppt. Das reale Bauvolumen sei 2022 um zwei Prozent gesunken und damit erstmals seit Jahren, so eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor. Für das laufende Jahr sagen die DIW Berliner Forscherinnen und Forscher einen Rückgang in ähnlicher Höhe voraus. Erst 2024 werde das Bauvolumen inflationsbereinigt wieder im Plus liegen. Vor allem der Bau von Wohnungen ist demnach überproportional von den Rückgängen betroffen.