Wirtschaft

Immobilien: Korrektur für europäische Märkte steht bevor

Letztes Jahr erlebten wichtige Immobilienmärkte bereits eine Trendwende. Nun wird es in vielen europäischen Ländern zu weiteren Preiskorrekturen kommen, so die Experten.
25.01.2023 16:04
Lesezeit: 4 min
Immobilien: Korrektur für europäische Märkte steht bevor
Eine Frau sieht sich Angebote auf dem spanischen Immobilienmarkt an. (Foto: dpa)

2022 war ein Jahr der Trendwende für europäische Immobilienmärkte, gekennzeichnet von rasant steigenden Hypothekenzinsen bis auf den höchsten Stand seit ungefähr einem Jahrzehnt. Auch wenn es nicht zu einem Zusammenbruch in verschiedenen Märkten kommen wird, so sind Preiskorrekturen in vielen europäischen Ländern dieses Jahr, und auch nächstes, sehr wahrscheinlich.

Zu den Märkten, in denen Immobilienpreise höchstwahrscheinlich stark fallen werden, gehören Großbritannien und Spanien, so die Agentur S&P Global Ratings. Spanien wird neben Deutschland der europäische Market sein, auf dem die Immobilienpreise nominal am stärksten sinken werden. Sylvain Broyer, Chefökonom für Europa, den Nahen Osten und Europa bei S&P Global Ratings, sagte der Idealista News, dass Preise vom schnellen Anstieg der Hypothekenzinsen letzten Jahres betroffen sein werden.

Bisher haben sich Immobilienpreise kaum an die höheren Zinssätze angepasst, wahrscheinlich eher wegen Angebotsengpässen als einer sinkenden Nachfrage, so Broyer. „Wir haben festgestellt, dass die Anpassung an höhere Zinssätze bis zu zehn Quartale dauern kann, und in der Regel doppelt so stark ausgeprägt ist wie nach einer Niedrigzinsphase.“ Zudem könnten die Auswirkungen von Zinserhöhungen auf Immobilienpreise von Land zu Land unterschiedlich sein.

Immobilienberatungsgesellschaft Knight Frank zufolge sind einige Länder in Europa mit „ziemlicher Sicherheit“ bereits in eine Rezession eingetreten. Das Wirtschaftswachstum würde sich in manchen Ländern zwar abschwächen, so Knight Frank, „doch der Abschwung wird im historischen Vergleich eher mild ausfallen“. Außerdem sollten die Zinsen Anfang 2023 ihren Höchststand erreichen.

Der britische Immobiliendienstleisters Savills hebt in seiner europäischen Studie die folgenden makroökonomischen Themen hervor, die sich auf die europäischen Immobilienmärkte im Jahr 2023 auswirken werden: Ein von der Rezession geprägtes wirtschaftliches Umfeld, anhaltende Sorge um Energieverfügbarkeit und mehrere Herausforderungen im Baugewerbe, hauptsächlich weil die Kerninflation in der ersten Hälfte des Jahres 2023 weiter steigen dürfte.

Betrachtet man die Aussichten für einige der wichtigsten europäischen Immobilienmärkte, wie Schweden, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien, ergibt sich ein gemischtes Bild.

Schlechte Aussichten für Schweden nach Pandemie-Boom

Nach einem steilen Aufschwung bis zum Frühjahr 2022, als der Pandemie-Boom endete, sowie in den vorherigen zehn Jahren, fielen die schwedischen Hauspreise im vergangenen Jahr weltweit am schnellsten aufgrund hoher Zinsen. Nach Angaben von Knight Frank sind Preise in den letzten zehn Jahren um 94,6 Prozent gestiegen, verglichen mit 75,3 Prozent in Großbritannien.

In Stockholm liegen Hauspreise derzeit auf demselben Niveau wie im Dezember 2020. Die Hauptstadt hat in etwas mehr als fünf Monaten zwei Jahre Hauspreiswachstum verloren. Oxford Economics prognostiziert, dass Immobilienpreise in Schweden um 20 Prozent fallen werden – einer der stärksten Rückgänge weltweit nach Kanada, wo die unabhängige Wirtschaftsberatungsfirma einen Rückgang von 30 Prozent vom Höchststand bis zum Tiefpunkt erwartet.

Immer noch düster für Großbritannien

Knight Frank sagte im Oktober voraus, dass die Hauspreise in London in den nächsten zwei Jahren um zehn Prozent fallen würden, nach einem katastrophalen Jahr für den britischen Immobilienmarkt. Immobilienpreise verzeichneten letztes Jahr den stärksten Rückgang seit der Finanzkrise im Jahr 2009. Im vergangenen Quartal gaben Preise um 2,5 Prozent nach im Vergleich zum vorherigen Quartal, laut Daten des Hypothekenfinanzierers Halifax. Ökonom Martin Beck von der Beratungsfirma EY ITEM Club erwartet für die kommenden zwölf bis 18 Monate einen Rückgang der Hauspreise um etwa zehn Prozent, während Halifax davon ausgeht, dass die britischen Hauspreise im laufenden Jahr um acht Prozent nach unten gehen werden.

Leichterer Rückgang in Frankreich

Die Aussichten für Käufer auf dem französischen Immobilienmarkt hängen davon ab, was für eine Immobilie gekauft wird und wo. Doch Experten rechnen damit, dass die Immobilienpreise ihren Höhepunkt erreicht haben. Einige erwarten für 2023 einen Rückgang von bis zu zehn Prozent in manchen Regionen, obwohl die Preise für neugebaute Häuser aktuell weiter steigen. Angesichts steigender Zinssätze könnten jedoch selbst die ermäßigten Immobilienpreise kurzfristig nicht ausreichen, um Käufer anzulocken. Die Federation Nationale de I'Immobilier prognostiziert für 2023 einen durchschnittlichen Rückgang der Immobilienpreise um fünf Prozent, wobei die größeren Städte nach Jahren des Preisanstiegs wahrscheinlich die Hauptlast des Rückgangs tragen werden.

Italien beruhigt sich

Auf nationaler Ebene gibt es Anzeichen auf eine allmähliche Beruhigung auf dem italienischen Immobilienmarkt ohne erhebliche Preisrückgänge. Fitch Ratings prognostiziert für die Jahre 2023 und 2024 ein nominales Hauspreiswachstum zwischen 0,5 und einem Prozent. Dies liegt unter dem für 2022 geschätzten Wachstum von 3,5 Prozent, aber Italiens begrenztes Wohnungsangebot dürfte einen nominalen Preisrückgang verhindern, so Fitch. Die Agentur geht davon aus, dass der Wohnungsbestand Italiens, der größtenteils aus älteren Immobilien besteht, immer noch damit kämpft, die Nachfrage der letzten drei bis vier Jahre aufzuholen. Dies zeigt sich besonders in den großen Ballungsgebieten, wo das Angebot an neuen Immobilien nach wie vor knapp ist.

Abschwächende Preise in Spanien

Immobilienpreise in Spanien werden voraussichtlich dieses Jahr am stärksten unter den europäischen Ländern fallen, auch wenn der geschätzte Rückgang im Jahr 2024 auf ein Prozent begrenzt sein wird, und für 2025 ein leichter Aufschwung von 1,5 Prozent prognostiziert wird, so S&P Global Ratings. Auch die börsennotierte spanische Universalbank Bankinter prognostiziert, dass sich die Immobilienpreise in Spanien in den Jahren 2023 und 2024 abschwächen werden. Die Bank geht davon aus, dass die Preise für Wohnimmobilien im Jahr 2023 um drei Prozent, und im darauffolgenden Jahr um weitere zwei Prozent sinken werden. Es handele sich zwar nicht um eine schwerwiegende Anpassung, aber um eine Trendwende, die „sehr zu beachten“ sei.

Und im deutschen Immobilienmarkt haben stark steigende Preise, höhere Kreditkosten und Materialengpässe den Bauboom gestoppt. Das reale Bauvolumen sei 2022 um zwei Prozent gesunken und damit erstmals seit Jahren, so eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor. Für das laufende Jahr sagen die DIW Berliner Forscherinnen und Forscher einen Rückgang in ähnlicher Höhe voraus. Erst 2024 werde das Bauvolumen inflationsbereinigt wieder im Plus liegen. Vor allem der Bau von Wohnungen ist demnach überproportional von den Rückgängen betroffen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Vera von Lieres

Vera von Lieres gehört seit September 2022 zum DWN-Team und schreibt als Redakteurin über die Themen Immobilien und Wirtschaft. Sie hat langjährige Erfahrung im Finanzjournalismus, unter anderem bei Reuters und führenden Finanzmedien in Südafrika. Außerdem war sie als Kommunikations- und Marketing-Spezialistin bei internationalen Firmen der Investment-Branche tätig.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Dollarschwäche setzt europäische Konzerne massiv unter Druck – Die Krise kommt!
01.05.2025

Dollarschwäche trifft Europas Konzerne: Umsätze schrumpfen, Risiken steigen – droht eine neue Ertragskrise?

DWN
Politik
Politik Neue Biomüll-Verordnung ab Mai: Bis zu 2.500 Euro Strafe bei falscher Mülltrennung
30.04.2025

Ökologische Pflicht zur Mülltrennung: Ab dem 1. Mai 2025 tritt die neue Bioabfallverordnung (BioAbfV) in Deutschland in Kraft. Dann...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Die Tech-Giganten blasen zum Angriff: Neue Funktionen und digitale Machtverschiebung im Frühjahr 2025
30.04.2025

Die digitale Elite schläft nicht – sie beschleunigt. Im Frühjahr 2025 liefern die großen US-Tech-Konzerne ein beispielloses Arsenal an...

DWN
Politik
Politik Rohstoffdeal Ukraine steht kurz bevor: USA sichern sich Zugriff auf ukrainische Ressourcen
30.04.2025

Ein Durchbruch im Schatten des Krieges: Nach zähen Verhandlungen stehen die USA und die Ukraine offenbar kurz davor, ein weitreichendes...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Fall Pirelli: Beginn einer europäischen Gegenoffensive gegen Chinas Wirtschaftsmacht?
30.04.2025

Der Entzug chinesischer Kontrolle bei Pirelli markiert einen Wendepunkt: Europa ringt um Souveränität – zwischen amerikanischem Druck...

DWN
Politik
Politik Wie Trump den grünen Wandel ausbremst – Chronik eines klimapolitischen Rückschritts
30.04.2025

Während Europa sich zunehmend in grüne Bürokratie verstrickt und Milliarden für Klima-Versprechen mobilisiert, marschiert der ehemalige...

DWN
Panorama
Panorama Inflationsrate sinkt auf 2,1 Prozent – Lebensmittelpreise steigen aber weiter
30.04.2025

Die Inflation in Deutschland geht leicht zurück – doch die Entlastung kommt nicht überall an. Während Energie günstiger wird, ziehen...

DWN
Technologie
Technologie Im Moment gewinnen wir gegen die künstliche Intelligenz – noch
30.04.2025

Im Wettrennen zwischen Mensch und Maschine scheint die Entscheidung längst gefallen: Algorithmen rechnen schneller, analysieren...