Deutschland liefert Insidern zufolge den Kampfpanzer Leopard an die Ukraine. Dies erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstagabend von zwei mit dem Vorgang vertrauten Personen. Zuerst hatte das Magazin "Spiegel" ohne Angaben von Quellen von der Entscheidung berichtet. Demnach geht es um mindestens eine Kompanie Leopard 2A6. Diese umfasst üblicherweise 14 Panzer. Zudem wolle die Bundesregierung Verbündeten genehmigen, solche Panzer aus ihren Beständen der Ukraine zur Verfügung stellen zu dürfen. Weder ein Regierungssprecher noch das Außen- oder Verteidigungsministerium wollten sich äußern.
In einer ersten Reaktion schrieb der ukrainische Regierungsvertreter Andrii Jermak auf Telegram, "einige hundert Panzer" und "die besten Panzer-Besatzungen der Welt" aus der Ukraine würden zur "echten Faust gegen die Autokratie aus dem Sumpf" werden. Bundeskanzler Olaf Scholz dürfte einem Medienbericht zufolge die geplante Lieferung am Mittwoch bekanntgeben. Das Magazin "Politico" beruft sich auf einen nicht näher bezeichneten Regierungsvertreter.
Das Zögern von Scholz bei der Entscheidung über den Leopard hatte in der Ampel-Koalition zu Differenzen geführt. FDP-Fraktionschef Christian Dürr erklärte am Dienstagabend gegenüber dem Nachrichtenportal t-online: "Der Bundeskanzler hat heute eine Entscheidung getroffen, die niemand auf die leichte Schulter genommen hat."
Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt (Grüne), schrieb auf Twitter: "The Leopard's freed!" (Der Leopard ist freigelassen worden). "Jetzt kann er hoffentlich schnell der Ukraine bei ihrem Kampf gegen den russischen Angriff und für die Freiheit der Ukraine und Europas helfen."
Der Druck auf Deutschland, sich bezüglich der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine zu positionieren, war in den vergangenen Tagen gestiegen. Ein offizieller Antrag Polens zur Weitergabe von Leopard-Panzern lag der Bundesregierung am Dienstag vor. Sie sagte zu, schnell entscheiden zu wollen. Zudem hieß es aus US-Regierungskreisen, dass die USA nun doch Abrams-Kampfpanzer in die Ukraine schicken könnten.
Scholz hatte mehrfach betont, dass er ein eng abgestimmtes transatlantisches Vorgehen bei der Lieferung einer neuen Waffengattung wie Kampfpanzer möchte. Eine Zusage aus Washington könnte nach Angaben aus Regierungskreisen, die Entscheidung im Bundessicherheitsrat, der das Sagen über Rüstungsexporte hat, beschleunigen.
Die USA waren eigentlich dagegen, Abrams zur Verfügung zu stellen. Der Panzer sei kompliziert, teuer und benötige aufwendiges Training, lautete die Begründung. Das US-Verteidigungsministerium war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Das "Wall Street Journal" berichtete, die Änderung der US-Position folge auf ein Telefonat zwischen Präsident Joe Biden und Scholz am 17. Januar. In diesem habe sich Biden bereiterklärt, die Lieferung der Abrams-Panzer entgegen der Ansichten des Pentagons zu prüfen. In deutschen Regierungskreisen wurde dies zunächst bestätigt.
POLEN PRESCHT VOR
Polen hatte erklärt, Kiew mit 14 Kampfpanzern aus eigenen Beständen unterstützen zu wollen - allerdings nur als Teil einer Allianz westlicher Staaten. Da der Leopard aus deutscher Produktion stammt, ist eine Zustimmung der Bundesregierung erforderlich, bevor Polen seine Panzer an die Ukraine abgeben kann. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki kündigte an, bei der EU um Entschädigung für die Lieferung der Panzer anzufragen. Polen hatte sie vor Jahren von Deutschland erhalten.
Die Ukraine dringt schon länger darauf, schwere Waffen zu bekommen. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach sich dafür aus. "In diesem entscheidenden Moment des Krieges müssen wir der Ukraine schwerere und fortschrittlichere Systeme zur Verfügung stellen, und zwar schneller", sagte er nach einem Treffen mit Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius in Berlin.
Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, begrüßt die Entscheidung für die Lieferung deutscher Kampfpanzer an die Ukraine. Sie sei richtig, sagt der Grünen-Politiker der "Rheinischen Post". Ziel sei es, die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu erhöhen und ihr zu ermöglichen, besetzte Gebiete zu befreien. Putin halte den Westen immer noch für schwach und gehe davon aus, den Krieg zu gewinnen. Erst wenn Russland erkenne, dass es sich dabei um einen Irrtum handele, gebe es eine Chance, den Krieg zu beenden. Es wäre für Europa besser gewesen, wenn die Entscheidung schneller gefallen wäre. "Aber besser spät als zu spät." (Reuters)